Nick Cave & The Bad Seeds – Berlin, Tempodrom, 21.5.08

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  • #54231  | PERMALINK

    elston-gunn

    Registriert seit: 13.10.2006

    Beiträge: 611

    Setlist:
    01 – Night Of The Lotus Eaters
    02 – Dig, Lazarus, Dig!!!
    03 – Tupelo
    04 – Today´s Lesson
    05 – Red Right Hand
    06 – Midnight Man
    07 – I Let Love In
    08 – Jesus Of The Moon
    09 – Deanna
    10 – Lie Down Here (And Be My Girl)
    11 – Moonland
    12 – The Ship Song
    13 – We Call Upon The Author
    14 – Papa Won´t Leave You, Henry
    15 – More News From Nowhere

    16 – Get Ready For Love
    17 – Hard On For Love
    18 – The Lyre Of Orpheus
    19 – Into My Arms

    20 – The Mercy Seat
    21 – Wanted Man
    22 – Stagger Lee

    Spieldauer: etwa 130 Minuten.

    Mit „Dig, Lazarus, Dig!!!“ hab ich auch nach diversen Streamproben und ausgiebigem Von-nem-Freund-Vorspielen nicht viel anfangen können; zu viel stumpfes Gebrummel, zu wenig memorable Melodien. Entsprechend skeptisch sah ich dem Konzert im ausverkaufte Tempodrom entgegen.

    Zunächst gab’s ca. 40 Minuten hörenswerten Support durch Ed Kuepper nebst Schlagzeuger. Zwei Songs lang war der Sound extrem matschig und verhallt, danach kristallisierte sich langsam raus: der grauhaarige Herr darf sich wohl unter the world’s hardest working men on a guitar zählen. Kuepper schrammt und ballert mit roher Gewalt und irrem Tempo in die Saiten, bläst eine Soundwand nach der anderen ins Publikum und zaubert Töne, für die man sonst drei Gitarren braucht. Ein paar Songs fand ich tatsächlich so unverschämt gut, dass ich um die Hauptattraktion fürchtete.

    Was sich natürlich als Schmarrn herausstellte. Viertel nach neun: Die Bühne ist von Lichterketten eingerahmt wie ein Vaudeville-Guckkasten, darauf positionieren sich die Bad Seeds: Zwei Drumkits nebst Congas, zwei (zeitweise drei) Gitarren, Bass, Keyboard. Auf die Leinwand hinter der Band werden dunkle Gewitterwolken projiziert. Von rechts kommt Cave hereingesprungen, lang, dürr, abgewetzter schwarzer Anzug, fiesester Schnäuzer seit Freddie Mercury, eine Mischung aus Outback-Hungerkünstler und Robert Mitchum in Night of the Hunter. Die Band steigt schwer und dröhnend ein in „Night of the Lotus Eaters“, lässt den Song über das Publikum rollen wie eine Elefantenstampede. Cave tanzt herum, als hätte er gerade seine Seele verkauft, wirbelt ein Tambourin durch die Luft, schmeißt es von sich, reckt beide Hände in die Höhe und grölt: „Get ready to shoot yourself!!!“

    Oooow-kay. Das soll wohl soviel heißen wie: Der düstere Klagesänger ist passé, heute wird Arschgetreten. Das Konzert hat mich tatsächlich kalt erwischt und von 0 auf 100 gepackt, was eine Rarität ist; eine Aufwärmphase, wenn auch nur ein, zwei Songs lang, gibt’s sonst immer – nicht hier. Die unerwartete Energie dieses immerhin schon 50jährigen hat mich vom ersten Moment an aus den Socken gehauen. Und das, obwohl ich über die Hälfte der Songs nicht kannte (bei Kenntnis von immerhin 7 Alben). Der Löwenanteil stammte tatsächlich von der ungeliebten Neuen. Seltsam: die Songs an sich mochte ich immer noch nicht sonderlich – aber live gehen die Dinger mühelos über Leichen. Die Show ist eine wilde Mischung aus den bekannten Elementen: Southern Gothic und Sex, dazu liebevoll adaptierten Schweinerock-Posen, was genausogut komplett in die Hose hätte gehen können, wenn die Performance nicht so verdammt leidenschaftlich und mitreißend wäre. Die Lautstärke ist kurz vor der Schmerzgrenze, der Sound dabei klar. Caves Stimme klingt rauh und energisch, immer wieder läuft er zum Bühnenrand und geht mit dem Publikum auf Tuchfühlung wie ein Stadionrockstar, dazu brettern die Gitarren, und Warren Ellis, mit Zauselbart und feuerrotem Hemd, sägt zwischendurch an seiner Geige herum: Halb Apokalypse, halb Kiss-Parodie. Irgendwann wollte jemand dazu allen Ernstes ein Feuerzeug schwenken. Cave, völlig berechtigt: „Hey, don’t do that lighter thing. Don’t be a fuckin’ dick.“ Aber er kann auch höflich: Als man ihm einen Blumenstrauß reichte, bat er erst artig um eine Vase, um die Blumen am Ende einzeln ins Publikum zurück zu werfen.

    Ein paar Klassiker wurden hier und da dann doch noch eingestreut, „Red Right Hand“, das rasiermesserscharfe „Tupelo“, der traumhafte „Ship Song“ und ein eher zahmes „The Mercy Seat“ waren dabei, sogar das von mir innig geliebte und kaum erhoffte „Into My Arms“. Höhepunkt war für mich aber klar „Papa Won’t Leave You, Henry“, der Song, mit dem ich vor 7 Jahren zu Cave konvertiert wurde, bis heute einer meiner fünf Lieblingssong von ihm. Monströs und ungestüm.

    Im letzten Drittel empfand ich kleinere Schwächen, wo sich die geballte Rohheit ein wenig abnutzte. „Get Ready for Love“ z.B. verpuffte wie schon auf dem Album an seiner eigenen Gewalt, und auch „The Lyre of Orpheus“ fand ich trotz „Oh Mama“-Publikumsbelustigung eher so-so. „Hard-on For Love“ war auch eher Filler als Killer. Mit der letzten Zugabe gab’s aber noch mal dick hinter die Löffel: „Stagger Lee“, wie immer Splatterfaktor 10 und mit der hübsch exponierten Zeile „I’m a bad motherfucker, don’t you know / And I’ll crawl over fifty good pussies just to get one fat boy’s asshole.“ Das ist so over the top, dass es schon wieder eine Lust ist. Genau wie unterm Strich der ganze Abend.

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    #6634725  | PERMALINK

    tirron

    Registriert seit: 02.04.2004

    Beiträge: 94

    gut geschrieben @elston gunn, wobei ich wohl mit dem neuen album weniger meine schwierigkeiten habe als du. nach den doch eher ruhigeren letzten jahren bin ich froh, daß es wieder „lauter“ und rockiger zu geht. fing ja schon mit dem tollen nebenprojekt grinderman an und nun mit dem neuen album.
    der opener war schon mal ein hammereinstieg, „dig lazarus dig“ fand ich irgendwie etwas kraftloser. aber das auch von dir favorisierte „papa…….“ und vor allem auch (was hab ich mir das insgeheim als abschlusss auch gewünscht!!!!) „stagger lee“ waren einfach nur geil!!!!
    insgesamt eine sehr gute songauswahl, bei der natürlich jeder noch so seine lieblingssongs gerne dabei hätte.
    und gerade im vergleich zum 2004’er konzert im huxleys war das diesmal völlig anders und wie ich finde auch besser. obwohl auch das andere konzert seine stärken hatte. warren ellis fand ich, schon aufgrund seines „waldschratigen“ aussehens, hammermäßig gut. was der da mit all seinen instrumenten und gerätschaften hingezaubert hat……unglaublich!!!!!
    allerdings hätte ich mir eine andere (bessere) lichtshow gewünscht. ich fand es zum teil etwas zu hell ausgeleuchtet (gerade der publikumsbereich). was aber nicht den insgesamt überragenden eindruck vom mittwoch (sicher auch am donnerstag) schmälern kann.
    man kann also sagen………der „alte“ mann hat wieder (die richtung) zu seinen (musikalischen) wurzeln gefunden.
    und gestern abend wurde die woche noch „veredelt“, denn mit dem auch super auftritt der einstürzenden neubauten hab ich ja dann auch alle bad seeds zusammen gehabt :-)

    einen schönen sonntag noch

    gruß tirron

    ps. wir sind sicher nicht die einzigsten, die es so gesehen haben….
    http://www.lr-online.de/freizeit/LR-Kultur-PJ-Harvey-Musik-Kultur-Konzert;art1073,2043263,0
    http://www.zoomer.de/news/topthema/konzert-kritik/konzert-kritik/artikel/von-guter-laune-und-duftenden-blumen
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0523/feuilleton/0026/index.html
    http://www.morgenpost.de/content/2008/05/23/feuilleton/963716.html#
    http://www.tagesspiegel.de/kultur/Nick-Cave;art772,2536081

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    #6634727  | PERMALINK

    hippiegirl

    Registriert seit: 08.07.2005

    Beiträge: 3,164

    Geiles Set!
    Ich bin jetzt schon ganz hibbelig!
    Schöner Bericht! Danke!

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    The dog won't bite if you beat him with a bone!
    #6634729  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Danke für den Bericht, wäre gerne dabei gewesen. Ein Livealbum als nächstes wäre nicht falsch, vor allem mit diesen Songs.

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    #6634731  | PERMALINK

    tirron

    Registriert seit: 02.04.2004

    Beiträge: 94

    LoplopDanke für den Bericht, wäre gerne dabei gewesen. Ein Livealbum als nächstes wäre nicht falsch, vor allem mit diesen Songs.

    ich hoffe, daß radio1 in seinen sommernachtskonzerten den mitschnitt bringt. das konzert war ja zumindest von ihnen präsentiert worden. also mal schön die daumen gedrückt.

    gruß tirron

    --

    #6634733  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Gibt es die auch als Stream?

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    #6634735  | PERMALINK

    tirron

    Registriert seit: 02.04.2004

    Beiträge: 94

    LoplopGibt es die auch als Stream?

    wenn du auf die radio1 seite gehst, hast du oben den livestream http://www.radioeins.de/
    und mit gängigen programmen (data becker dsl recorder z.b. kannst du das auch aufnehmen)
    wenn es denn gebracht wird. und das kannst du sehen, wenn du auf der startseite rechts auf „musik“ gehst und dann hast du oben den punkt „sommer/winternachtskonzerte“
    ich denke, so im juli herum wird dort stehen, wer diesen sommer gebracht wird. daumen drücken ist angesagt.

    gruß tirron

    --

    #6634737  | PERMALINK

    loplop

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 1,949

    Alles klar, danke.

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    #6634739  | PERMALINK

    tirron

    Registriert seit: 02.04.2004

    Beiträge: 94

    tja, leider kein nick cave and the bad seeds mitschnitt bei den mitternachtskonzerten. lt. einem musikverantwortlichen von radio1 soll wohl mick harvey sehr penibel und eben darum unzufrieden mit der qualität des konzertes gewesen sein. darum keine veröffentlichung. aber vielleicht wird es ja bis zu den winternachtskonzerten „verbessert“ worden sein. im sinne von herrn harvey. und die hoffnung stirbt zuletzt……. :-)

    --

    #6634741  | PERMALINK

    foe

    Registriert seit: 16.11.2007

    Beiträge: 4,794

    Schade, ich hatte auch auf einen Mittschnitt von Radio1 gehofft. Das es nach der „The Abattoir Blues Tour CD/DVD schon wieder eine offizielle Live-Veröffentlichung gibt, glaube ich eher nicht. Mick Harvey machte an dem Abend tatsächlich, für alle an seiner Gestik und Mimik erkennbar, einen sehr unzufriedenen Eindruck. Ich hatte mich schon während des Konzerts gefragt, was da oben auf der Bühne mit ihm los war. Ich kann es auch jetzt nicht ganz nachvollziehen. Der Sound war sehr gut, die Band spielte reibungslos, Herr Cave war hervorragend aufgelegt.
    Die Highlights des Abends: Night Of The Lotus Eaters, Tupelo, We Call Upon The Author, Papa Won´t Leave You Henry & Hard On For Love.

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