Nicholas Ray

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  • #6991331  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

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    tiscDarauf wollte ich so ein bißchen hinaus, dass ich bei Ray diesen Umgang mit Geschlechterrollen, Stereotypen und spezifischen Sujets zwar interessant finde (großartig der Familienvater und „Ernährer“ in „Bigger than Life“), aber am Beispiel von JG mit das Geschichtliche, Gesellschaftliche, Konkrete doch etwas fehlt, sodass er eher an der Oberfläche verharrt und einer rein filmimmanenten Logik (ist das verständlich, was ich damit meine?) folgt.[…]

    Ja, aber vielleicht solltest du genau diese Oberfläche betrachten: Napoleon Schiller hat es oben ja schon geschrieben – die Oberfläche ist bei Ray wichtig (aber mich bitte nicht drauf festnageln, ich habe viel zu wenig von Ray gesehen). Savage Innconets ist einer der schönsten Filme die ich kenne – die Handlung/Charaktere/plot/etc ist da fast schon egal, nie wieder ist Eis so gefilmt worden.

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    #6991333  | PERMALINK

    nick-longhetti

    Registriert seit: 08.07.2011

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    Danke, latho!

    Napoleon DynamiteIch bin da ganz bei Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“: Inhalt ist Oberfläche, Form ist Tiefe.

    Astreine Beiträge zu Ray, Bro!

    Thanks! Das Schiller-Zitat ist toll. Eben ist mir aber eingefallen, dass auch Rivette schönes zu meinem Dilemma geschrieben hat und ich musste es prompt aus einem Buch abtippen.

    Jacques RivetteIch finde es verrückt, wenn gesagt wird, bei einem Film gäbe es einerseits den Inhalt und andererseits den Stil. Das überschreitet meine Vorstellungskraft. Uns ist oft vorgeworfen worden, die Cahiers würden die mise en scène in reiner Form verteidigen. Das stimmt nicht. Wir haben im Gegenteil versucht, zu sagen, daß der Film etwas ganzes ist. Es gibt nicht den Inhalt auf der einen Seite und den Stil auf der anderen.
    Es gibt einen „Ausdruck“, und, wenn der Film gelungen ist, ist dieser Ausdruck ein Ganzes.

    tiscDarauf wollte ich so ein bißchen hinaus, dass ich bei Ray diesen Umgang mit Geschlechterrollen, Stereotypen und spezifischen Sujets zwar interessant finde (großartig der Familienvater und „Ernährer“ in „Bigger than Life“), aber am Beispiel von JG mit das Geschichtliche, Gesellschaftliche, Konkrete doch etwas fehlt, sodass er eher an der Oberfläche verharrt und einer rein filmimmanenten Logik (ist das verständlich, was ich damit meine?) folgt. In „Bigger than Life“ ist diese Auslotung sozusagen gar nicht von der Kleinstadt zu trennen. Im Grunde ist mir der Film zu hermetisch und für einen Western zu abstrakt in seinem Setting, zu sehr auf die „human condition“ aus.

    Ich glaube, dass ist das, was ich gerade an „Johnny Guitar“ schätze. Diese Losgelöstheit von der Gegenwart und dem Westerngenre (das ich liebe!), dieses Abstrakte gibt ihm viel von seiner zeitlosen Schönheit. „Knock on Any Door“, der dem nähersteht, was ich aus deinem Beitrag herauslese, wirkt durch seine Anbindung an damalige (und heutige) Probleme etwas naiv und belehrend auf mich.
    Abgesehen davon funktioniert der Film auch ganz ohne Berücksichtigung irgendwelcher Subtexte: Diese Farben, diese geschliffenen und knappen Dialoge, diese Dramatik (die „Lie to me!“-Szene kriegt mich jedes Mal; wenn ich nur daran denke wie Joan Crawford das Glas an die Wand schmettert)! Das ist das, was ich meine, wenn ich schreibe, dass man alles aufnehmen kann, aber nicht muss; der Film funktioniert erst einmal als Film, alles andere kommt danach.
    Was du zu „Bigger Than Life“ schreibst kann ich nachvollziehen, wenngleich bei mir auch hier anderes im Vordergrund steht.

    lathoJa, aber vielleicht solltest du genau diese Oberfläche betrachten: Napoleon Schiller hat es oben ja schon geschrieben – die Oberfläche ist bei Ray wichtig (aber mich bitte nicht drauf festnageln, ich habe viel zu wenig von Ray gesehen). Savage Innconets ist einer der schönsten Filme die ich kenne – die Handlung/Charaktere/plot/etc ist da fast schon egal, nie wieder ist Eis so gefilmt worden.

    That’s it!

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    #6991335  | PERMALINK

    tisc

    Registriert seit: 18.05.2008

    Beiträge: 453

    Ich weiß nicht ob ich dem Schiller Zitat so aus dem Kontext gerissen zustimmen kann. Das Rivette Zitat leuchtet mir allerdings ein – wobei man hier noch einmal eine klare Begriffstrennung von Form und Stil machen müsste… Stil ist sowieso ein mehr als problembehafteter Begriff. In der kunsthistorischen Terminologie z.B. unterscheidet man ja Personal-, Lokal, Zeit-Stile etc. Im Grunde könnte man nur, wenn man wie Rivette zurecht bemängelt, bei einem bloßen Personalstil von einer Trennung von Form und Inhalt ausgehen.
    Die Ganzheit die Rivette beschreibt, also das sinnvolle, sozusagen notwendige Form-Inhalt-Verhältnis sollte natürlich das Ziel sein. Es gibt aber schiefe Verhältnisse, einen Überschuss an „Stil“, der die fehlende Substanz überlagert wenn man so will. Deswegen würde ich es auch nicht unbedingt wie Rivette „Ausdruck“ nennen wollen, da dies tendenziell vor allem die sinnliche Seite beschreibt (und nicht das Ganze?). Zu den Regisseuren, die für ihre Filme das Form-Inhalt-Verhältnis am besten reflektiert und filmisch verarbeitet haben, zählen für mich beispielsweise Bresson, Antonioni, Rossellini, Ozu und Ford. Einen gewissen Manierismus – jetzt mal als einen äußerlichen stilistischen Überschluss definiert – würde ich z.B. einem Werk wie „The Tales of Hoffmann“ oder eben den meisten gialli zuschreiben (was natürlich nicht heißt, dass man diese Filme nicht unter anderen Gesichtspunkten schätzen kann). Abschließend würde ich behaupten, dass Ray diese Tendenz nicht ganz fern ist. Ich hoffe es ist einigermaßen klar geworden, was ich meine.

    Ein Film wie „Knock on Any Door“ schwebt mir eher nicht vor. Die große Kunst scheint mir darin zu bestehen, etwas substanzielles über Wirklichkeit mittels filmischer Mittel auszusagen, ohne in solche didaktische Plattheiten (siehe der Dialog am Ende) zu verfallen, wie es dieser Film tut. Es gibt mir hier nicht um Aussagen- und Lehrfilme – dennoch würde ich die rein filmimmanente und formalästhetische Betrachtung von Filmen auch nicht vertreten. Mehr noch als andere Kunstmedien ist der Film ein Medium, das durch seine technischen Bedingungen, sein Material, seine spezifischen Mittel und Produktionsweisen auf die Wirklichkeit gerichtet ist und ein großes Potential zum Realismus birgt. Das meine ich jetzt nicht so orthodox in dem Sinne, dass ich beispielsweise nur den italienischen Neorealismus feiern würde. Aber der Film kann nicht die Autonomie erreichen wie andere Kunstmedien, da seine Ausdrucksweise immer über das sinnlich Konkrete, Gegenständliche gehen muss. Es liegt damit nahe, dass Filme immer auch etwas über diese dargestellte Welt aussagen, beziehungsweise sich zu ihr positionieren.
    Ich für meinen Teil betrachte Filme nicht so, wie latho und du „The Savage Innocents“. Zweifellos sind die Außenaufnahmen in der Eislandschaft schön (die Cinecitta Papp-Iglus allerdings schon wieder weniger), aber für seinen interessanten Mix aus ethnografischem Film („Nanook of the North“) und einem stellvertretenden Pro-Indianer-Western kam mir letztlich doch zu viele Plattheiten und verschenkte Möglichkeiten, die einige schöne Sequenzen für mich nicht ausgleichen konnten.

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    #6991337  | PERMALINK

    nick-longhetti

    Registriert seit: 08.07.2011

    Beiträge: 655

    Die von dir genannten Regisseure zählen auch allesamt zu meinen ewigen Lieblingen und gerade bei diesen (und für mich definitiv auch Ray, Hawks, Franco…) finde ich die Rivette- und Schillerzitate sehr passend.
    Alle haben einen ganz individuellen, unverkennbaren Stil, eine Handschrift (ihr Ausdruck), die man immer erkennt und bei allen gehört für mich dazu die Fähigkeit dem Zuschauer Dinge zu vermitteln, ohne sie wirklich (ganz im didaktischen Sinne) auszuformulieren. Durch die Mise en Scène und nicht durch platten und funktionalen Dialog (und gerade der ist ja bei Ray unheimlich mehrdeutig, spitz und nie ausschweifend). Douglas Sirks Schatten- und Lichtsetzung bspw. sagt allein immer schon mehr über die handelnden Personen aus, als es die meisten Regisseure mit einem perfekten Dialogbuch könnten.
    Klassischen Inhalt, themenbezogene Arbeit, gibt es hier eigentlich nicht, die Substanz liegt in der Form versteckt und das völlig unaufdringlich; gerade Howard Hawks gehört, meiner Erfahrung nach, auch zu den Lieblingen von Menschen, die überhaupt kein gesteigertes Interesse an Film haben, seine Filme funktionieren perfekt, ohne dass man überhaupt Zwischentöne und Ambivalenzen wahrnehmen kann/will/muss. Sie definieren sich nicht über „bedeutende“ Themen.
    Und bei den von dir ins Rennen geworfenen Gialli findet sich in meinen Augen auch viel mehr als bloße Oberflächenreize, Mario Bava, Lucio Fulci oder Massimo Dallamano sind immer noch geradezu grotesk untschätzt; „Cosa avete fatto a Solange?“ ist so ein Film, bei dem sich Untiefen auftun, jedoch nicht an der Oberfläche.
    Die Plattheiten, die du in „The Savage Innocents“ ausmachst, existieren ja bloß an der Oberfläche, um dann Platz zu machen für „geschmuggelte“ und deutlich interessantere Gedanken.

    Leider habe ich nach diesem Absatz immer noch den Eindruck, meine Gedanken nur unzureichend wiedergegeben zu haben; aber ich glaube, wir sehen das Ganze ohnehin nicht so verschieden.

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    #6991339  | PERMALINK

    tisc

    Registriert seit: 18.05.2008

    Beiträge: 453

    Ja, ich glaube im Grunde treffen wir uns schon in unseren Ansichten. Deine Vorliebe für das italienische Genre-Kino teile ich letztlich ebenso („Wild Dogs“, „A Lizard in a Woman’s Skin“, „La polizia chiede aiuto“ etc.), würde es aber nicht unbedingt auf eine „Stufe“ stellen wollen mit den von mir genannten. Was hälst du eigentlich von Elio Petri? Für mich der größte italienische Genrefilmer, wenn man das überhaupt so sagen kann. Sein Werk zeichnet sich ja eher dadurch aus, dass er sich Genre-Muster und Popkultur bedient, dies mit den Ambitionen des Neorealismus verbindet, und hieraus große Satiren und Gesellschaftskritiken schafft.
    Ich mach bald mal ein Nicholas Ray Rating. Gestern „King of Kings“ gesehen und sehr gemocht.

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    #6991341  | PERMALINK

    nick-longhetti

    Registriert seit: 08.07.2011

    Beiträge: 655

    tisc…würde es aber nicht unbedingt auf eine „Stufe“ stellen wollen mit den von mir genannten.

    Fulci oder Bava würde ich durchaus auf einer „Stufe“ mit Ray, Ozu und Co. sehen.

    tiscWas hälst du eigentlich von Elio Petri?

    Die mir bekannten Filme sind toll und von dir gut beschrieben, für den größten der italienischen Genrefilmer halte ich ihn allerdings nicht. Einen so persönlichen und anrührenden Film wie „Il miele del diavolo“ hat er nie gedreht.

    tiscGestern „King of Kings“ gesehen und sehr gemocht.

    Super! Der ist bei mir mit den Jahren immens gewachsen.

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    #6991343  | PERMALINK

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    1948: They Live by Night * * * *
    1951: Flying Leathernecks * * ½
    1951: On Dangerous Ground * * * * ½
    1952: The Lusty Men * * * * *
    1954: Johnny Guitar * * * * ½
    1955: Rebel Without a Cause * * * * *
    1956: Bigger Than Life * * * *
    1958: Wind Across the Everglades * * * * *

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    #10933973  | PERMALINK

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    UPDATE:

    1948: They Live by Night * * * * ½
    1949: Knock on Any Door * * * ½
    1949: A Woman’s Secret * * *
    1950: In a Lonely Place * * * * ½
    1950: Born to Be Bad * * *
    1951: Flying Leathernecks * * ½
    1951: On Dangerous Ground * * * * ½
    1952: Macao (w/ Josef von Sternberg) * * * ½
    1952: The Lusty Men * * * * *
    1954: Johnny Guitar * * * * ½
    1955: Run for Cover * * * ½
    1955: Rebel Without a Cause * * * * *
    1956: Hot Blood * * * *
    1956: Bigger Than Life * * * *
    1957: The True Story of Jesse James * * * ½
    1957: Bitter Victory * * * *
    1958: Wind Across the Everglades * * * * *
    1958: Party Girl * * * *
    1960: The Savage Innocents * * * ½
    1961: King of Kings * * * ½
    1963: 55 Days at Peking * * *
    1976: We Can’t Go Home Again * * * *
    1980: Lightning over Water (w/ Wim Wenders) * * * ½

    Cinema is Nicholas Ray!

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