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Ich liebe Thomas Bernhard!
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WerbungOriginally posted by JanPP@10 May 2004, 17:04
Gabs leider nicht online, die Süddeutsche-Kritik, hier nur ein paar Auszüge:
:lol:
Da spricht mir einer aus der Seele, kann ich doch weder ein Smiths-Album noch ein Bernhard-Buch zu Ende bringen. Zum Ende wirds etwas versöhnlicher:
hast natürlich die entsprechend passenden genommen.
es war schon mehr positives drin.
cih weiß nicht, ob ich es noch zu hause habe.
aber was waren die letzten beiden worte?--
FAVOURITESvon wem ist denn die kritik?
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A Kiss in the DreamhouseVon Oliver Fuchs.
Weine nicht um mich, Kalifornien!
Die singende Nervensäge: Morrissey beschwert sich wieder über die Welt
Marcel Reich-Ranicki hat einmal im Fernsehen erzählt, dass er sich die Hände wäscht, bevor er ein ihm zur Rezension zugestelltes Buch eines Lieblingsschriftstellers aufklappt. Komischer Kauz, dachte man damals. Jetzt ist man selbst nah dran, die seltsamsten Dinge zu tun, nur weil in wenigen Tagen ein neues Album von Morrissey erscheint. Ist das Einbildung oder glänzt diese CD beim Auspacken wirklich silbriger als andere? Ehrfürchtig balanciert man die Hostie auf den Stereoanlagen-Altar, geht in die Knie, horcht, lauscht, ist ganz Ohr. Da ist sie, die Stimme des Meisters. Glockenhell, zartschmelzend. Und da: Flötentöne, Geigen, Schlagwerk. Jetzt endlich: die süß zirpende Gitarre. Aber, mit Verlaub, das klingt alles sehr gewöhnlich. Irgendwas fehlt, der Kick, die Magie, sagen wir ruhig: das Göttliche. Haben wir uns verändert ? oder er?
Kurze Unterbrechung. Nochmal von vorn. Rücklauf. Manchester, frühe achtziger Jahre, natürlich regnet es. Ein Gitarrist klingelt bei einem stadtbekannten Irren, und anders als sonst, wenn Fremde an der Haustür läuten, flüchtet der stadtbekannte Irre nicht sofort panisch unters Bett, sondern macht tatsächlich auf. Die beiden schauen sich an, wissen wohl gleich, dass sie füreinander bestimmt sind. Kurze Zeit später gründen Johnny Marr (Gitarre) und Steven Patrick Morrissey (irre) die Gruppe The Smiths, werden nicht sehr reich, dafür ziemlich berühmt und sogar ein bisschen sexy. So leicht geht das in England: Dort müssen nur zwei unverstandene Menschenfeinde zueinander finden, sich tief in die Augen schauen und sagen: ?Toll, dass es dich gibt, jetzt bin ich nicht mehr alleine, lass uns gemeinsam die Welt aus den Angeln heben!? Wenn der eine etwas von Musik versteht, und der andere dichten kann wie Oscar Wilde und Charles Baudelaire zusammen, um so toller.
Die Smiths waren ein Leuchtfeuer in tiefer Finsternis. Wer in den achtziger Jahren verwirrt und deprimiert war ? und, mal ehrlich: wer war das nicht? ?, wer Probleme mit sich hatte und die Welt nicht verstand, für den waren die Smiths Wegbegleiter, Trostspender und wahre Freunde. Die Lieder kreisten um ein trotziges lyrisches Ich, das sich zu behaupten versuchte gegen Thatcherismus, Spaßterrorismus und allgemeines Idiotentum. Morrissey, die Nervensäge, schoss dabei oft übers Ziel hinaus, verdammte gleich ganz England in Grund und Boden, zog die Welt insgesamt zur Rechenschaft, nur weil er zufällig einen miesen Tag hatte. Und genau diese Exaltiertheit machte die Sache reizvoll.
Englishman in L.A.
Smiths-Gegner störten sich an den heulsusigen Klagegesängen, der dick aufgetragenen Weinerlichkeit und den pfundweise mit hochliterarischen Zitaten gespickten Hasstiraden ? und übersahen dabei, dass all das genau so gewollt war. Radikale Weltverneinung, vermählt mit radikaler Kunstbejahung ? wer sich einmal durchs Werk der Smiths gehört hatte, war danach definitiv reif für the complete works of Thomas Bernhard (auch schön, nur leider ohne süß zirpende Gitarre). Vor allem Morrissey kultivierte ein Bernhard-affines Stubenhockertum in höchster Potenz: Sollen die anderen doch ins Freibad gehen, wir treffen uns lieber am Friedhofstor oder bleiben gleich daheim und schreiben schauerliche Lyrik für eine hasenzähnige Brieffreundin in Luxemburg.
Das Leuchtfeuer der Smiths loderte kurz. Noch ehe das traurige Jahrzehnt zu Ende war, trennten sie sich. Morrissey machte solo weiter, schüttelte Platten aus dem Ärmel, die unerheblich waren und öde. Ohne das Zirpen seines Vertrauten Marrs wirkte seine Poesie plötzlich nur noch penetrant streberhaft, wie fürs Feuilleton produziert. Doch der Bewunderung seiner sektenartig organisierten Anhängerschaft, die gern auch mal Smiths-Symposien im Kongresszentrum von Pasadena veranstaltet, tat das keinen Abbruch.
Großes Bohei entstand auf hunderten von Verehrer-Websites, als bekannt wurde, dass der Meister im Begriff ist, nach Los Angeles überzusiedeln. Wird er die Sonne verkraften? Tut ihm Kalifornien gut? Kommt er zurecht mit cars and girls und beaches? Wird er auf Rollerskates durch Shoppingmalls düsen? Nach der Lektüre seines neuen, wieder mit Bonmots, Aperçus und Sentenzen voll gestopften Albums ?You Are The Quarry? darf man aufatmen: Keine Sorge, aus diesem Mann wird nie ein Kalifornier. Der bleibt Englishman in L.A., bis auf die Knochen britisch.
Auf dem CD-Cover posiert er im nadelgestreiften, auberginefarbenen Gangster-Anzug, mit Maschinengewehr im Anschlag. Er sieht aus wie eine Schießbudenfigur. Und reichlich überladen, kitschtrunken, gelegentlich sogar operettenhaft schmierseifig ist auch die Musik. Aus Synthesizern in Batteriestärke flötet, geigt und trompetet es heraus. Die glockenhelle Stimme hat hörbar Schwierigkeiten, gegen diesen Unfug anzukommen. Hinreißend jedoch und sehr rührend, wie der Sänger hier nicht bloß wie gewohnt klagt und weint und jammert und rumheult. Nein, es gibt Stellen, da singt er einfach. Kein Witz!
Wie ein Koloratursopran schraubt sich diese Stimme in immer höhere Höhen, Morrissey fliegt über Beverly Hills hinüber zum Strand von Malibu und schaut sich diesen ganzen Mist mal von oben an. Amerika? Pah, eine Farce! Im Grunde genauso grotesk wie England.
Der Feingeist ist verstört, empört, unversöhnt. Das alteuropäische Künstlersubjekt dekliniert selbstherrlich noch einmal alle Spielarten von Menschenhass, Weltekel und Lebensüberdruss durch. Es geht gegen ?policewomen, policemen, silly women, taxmen?, gegen Casting-Deppen und leitende Angestellte. Wirklich überzeugend ist das nicht, weil Morrisseys Hörerschaft zum Großteil selbst aus leidenden Angestellten besteht. Man verdient inzwischen ganz gut, hat aber immer noch Probleme mit sich und dem Verstehen der Welt.
Der intimste und intensivste Moment, das ist, wenn Morrissey dem Heiland gegenübertritt und auf Augenhöhe, sozusagen von Erlöser zu Erlöser, mit ihm Zwiesprache hält: ?I have forgiven you, Jesus.? Große Oper, kleines Format. Wunderbar.
Zirp, zirp.
Quelle: SZ
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danke!
ich verstehe weder den bezug zu bernhard, noch zu baudelaire.
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A Kiss in the DreamhouseOriginally posted by paule@10 May 2004, 18:01
Von Oliver Fuchs.
Dann ist ja alles klar. :ph34r:
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oder so.
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A Kiss in the DreamhouseOriginally posted by Napoleon Dynamite@10 May 2004, 18:06
ich verstehe weder den bezug zu bernhard, noch zu baudelaire.
Ich auch nicht.
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Flow like a harpoon daily and nightlyOriginally posted by Napoleon Dynamite@10 May 2004, 18:06
ich verstehe weder den bezug zu bernhard, noch zu baudelaire.Es geht um Schwermütigkeit, oder?
Aber das trifft nicht auf Baudelaire zu. Der ist nicht schwermütig. Düster ganz bestimmt, aber als schwer(mütig) empfinde ich ihn nicht.
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Flow like a harpoon daily and nightlydas wäre dann aber der allergrößte nenner. bernd das brot ist auch schwermütig. nein, plausibel aber mir zu grob. sehe keine parallelen zwischen bernhard und morrissey. und baudelaire ist eine andere düsternis, die bsw. das krankhafte und verderbende lustvoll betrachtet. und das alles ist auch in eine ganz andere ästhetik der selbstdarstellung gehüllt.
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A Kiss in the Dreamhousevielleicht ist nur das misanthropisch, leicht sarkastische gemeint.
aber trifft das auf alle drei zu?--
FAVOURITESweiß nicht. morrissey sucht heil in der liebe und ihrer vergeblichkeit. bernhard sieht eher die düsternis als möglichkeit zur selbsterkenntnis, aber letztendlich auch ausweglosigkeit und einsamkeit.
aber humor ist hier sicherlich ein bezug.
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A Kiss in the DreamhouseOriginally posted by Napoleon Dynamite@11 May 2004, 11:40
das wäre dann aber der allergrößte nenner. bernd das brot ist auch schwermütig. nein, plausibel aber mir zu grob. sehe keine parallelen zwischen bernhard und morrissey. und baudelaire ist eine andere düsternis, die bsw. das krankhafte und verderbende lustvoll betrachtet.Und dort eine (reizvolle) Schönheit entdeckt, genau.
Sowas sehe und höre ich bei Morrissey (oder den Smiths) nicht.@ Otis: Weiß nicht. Baudelaire empfinde ich aber nicht als sarkastisch.
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Flow like a harpoon daily and nightlyRe. SZ
Feuilletonismus nur. Hohler, geschwätziger, selbstgefälliger, pompöser, popferner, sinnarmer, prätentiöser Feuilletonismus. Nicht wert, analysiert zu werden.
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