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Systematic Drummer?
Kennst Du die Eels ?
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WerbungIrrlichtKennst Du die Eels ?
Nein. Sollte ich?
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Systematic DrummerNein. Sollte ich?
Eindeutig: Ja !
Kann ich im Prinzip immer hören, sehr fein, sehr angenehm, gute Laune Musik, auch wenn die Texte oftmals genau das Gegenteil sind. Höre einfach mal bei youtube „Trouble with dreams“. Ein relativ typisches Stück, wenn Dir das gefällt, solltest Du mti der Band wohl keine Schwierigekeiten haben.
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Hold on Magnolia to that great highway moon1. Pseudo silk kimono (*****)
2. Kayleigh (**** 1/2)
3. Lavender (*****)
4. Bitter suite ( *****)
5. Heart of Lothian (**** 1/2)
6. Waterhole (expresso bongo) (**** 1/2)
7. Lords of the backstage (*** 1/2)
8. Blind curve (**** 1/2)
9. Childhoods end? (**** 1/2)
10. White feather (*** 1/2)Schon ein erstaunliches Album. Immer wenn ich es höre, meine ich jede Regung, jeden Ton, jede Melodie sofort wiederzuerkennen, dabei habe ich dieses Album Jahren nicht gehört. Es gibt kaum ein Werk, das mir so sehr bis tief ins Blut gedrungen ist, wie „Misplaced childhood“. Es ist wohl auch eines der wenigen Kunstwerke, bei denen es mich kaum stört, dass es stellenweise extrem überproduziert ist. Fish entwarf dieses Album nach eigener Aussage während eines zehnstündigen LSD-Trips – so ist es. „Misplaced childhood“ ist ein Rausch an Bildern, im Grunde ein gewaltiger vierzigminütiger Song über die Sehnsucht. Nach Liebe, nach Heimat, nach Geborgenheit und Unschuld. Dies ist Fishs Album, sein Leben. Ein Album voller Wehklagen und Entrüstung, Hingabe und Theatralik – ich habe die Wahrnehmung, dass er sich bei diesem Album von Track zu Track die Kleider vom Leib singt.
Mich begeistert diese Mischung aus Pop und Progressive Rock. Die beschwörenden, herrschaftlichen Synthesizer des „Pseudo silk kimono“, in dem am Ende leichte Sirenen zu hören sind, nachdem Fish eindringlich von „Nicotine smears, long, long dried tears, invisible tears“ singt, der Song langsam ausbleicht, mit der auktorialen Erzählstimme („Safe in the sanctuary/Safe“). Oder das wunderschöne, leidenschaftsvolle Klavier in „Lavender“, das einer Refrainzeile entgegensinnt, die so himmlisch kitschig ist, dass es einem das Herz bricht. Hier taucht auch ein Wink auf das Cover auf: Der Regenbogen („Then I heard the children singin’/They were runnin‘ through the rainbows“). Dieses Album ist die Verarbeitung gescheiterter Liebe (wie in „Kayleigh“) und noch weit mehr dem Verlust der Jugend. Man sieht einen Jungen, eingezwängt in die Montur der Großen, barfuss, mit hölzernem, leeren Blick und einer Elster auf dem Arm. Und eine Rose und ein Ring zu seinen Füßen. So ist auch das Album: Beschwörend intensiv, dynamisch, in sich verschlungen, teils so trist, dass es in blanke Depression kippt, mal so aufmüpfig, dass man die gereckten Fäuste sieht, mal so hoffnungsvoll, dass man lächeln muss. Fish faucht und wimmert, flüstert und singt mit allem Ernst, unvergesslich sind die Zeilen wie „I will swear I have no nation/But I’m proud to own my heart“ („White feather“) oder einer der Schlüsselzeilen des Albums, gesungen in „Childhoods end?“, in denen das verlorene Kind in sich selbst wiedergefunden wird, im Schatten einer Elster („Hey you, you’ve survived/Now you’ve arrived/To be reborn in the shadow of the magpie“).
Es gibt ein paar Dinge, die dieses Album auszeichnen: Fishs leidenschaftlicher Gesang. Seine Texte, die anmutig und rührend persönlich sind. Der Erzähler, der immer wieder einzelne Songs begleitet. Die flirrenden Keyboards, die beschwören, harsch werden und herauswachsen, zur rechten Zeit, wie es sonst nur Streicher- und Bläserensembles vermögen. Die Percussions und aufgeweckten Eigendynamiken des Schlagzeugs. Diese Gitarre, dieses Wimmern im Wind. Und das Blut, das durch dieses schottische Herz fließt.
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Hold on Magnolia to that great highway moon@irrlicht: Danke für die leidenschaftlichen Zeilen zum Album. Es war für mich als Teenie auch ein wichtiges. Allerdings bin ich da ausschließlich auf die Musik fokussiert gewesen, an textlich-inhaltlichen Bezügen habe ich da überhaupt nicht gekratzt. Zudem gab es zu „Kayleigh“ auch so ein kitschiges Video, dass das nicht gerade zur näheren Beschäftigung einlud.
Als ich mir vor 1-2 Jahren dann aus Nostalgie mal die CD kaufte, hörte ich das Ganze noch ein einziges Mal – und die Sache war für mich erledigt. Die Musik hat für mich so rein gar nichts Hintergründiges. Alles liegt ganz simpel, glatt und offen da – und ist eben dazu dann auch noch ganz schön aufgedonnert, sowohl von der Produktion als auch vom pathetischen Gestus (inkl. der von dir angesprochenen Kitsch-Stellen) der Musik her. Das mag ich nicht mehr. Von daher verzichte ich erneut darauf, mich in die Abgründe der seelischen Befindlichkeiten Fishs zu begeben.
Dass das Album aus meiner Sicht das „The dark side of the moon“ von Marillion ist – also eine super funktionierende und total abgerundete Zuspitzung dessen, was Marillion so von ihrem (doch recht überschaubaren) Potenzial her mitbrachten – geht allerdings auch an mir als Ex-Hörer nicht vorbei.--
grünschnabel@Irrlicht: Danke für die leidenschaftlichen Zeilen zum Album.
Sehr gerne.
grünschnabelAls ich mir vor 1-2 Jahren dann aus Nostalgie mal die CD kaufte, hörte ich das Ganze noch ein einziges Mal – und die Sache war für mich erledigt. Die Musik hat für mich so rein gar nichts Hintergründiges.
So etwas passiert, kann ich auch nachvollziehen. Ich würde es aber fast weiterfassen – wenn man kein Interesse hat, sich in die „Abründe der seelischen Befindlichkeiten Fishs“ einzufinden, ist „Misplaced childhood“ definitiv nicht das passende Album. Denn wo Du die „textlich-inhaltlichen Bezüge“ ansprichst: Ich finde, man muss die Texte nicht mal lesen, man hört es auch an der Musik sofort, spürt es in jedem seiner Worte. Gleichsam lohnt sich das Eintauchen aber schon, da ich das hier erforschte Innenleben sehr interessant finde, alles andere als oberflächlich obendrein. Aus eben diesem Grund würde es mir auch nur einfallen das Album hinsichtlich des Produktionsschnickschnacks mit erwähntem Pink Floyd Album zu vergleichen (aber eigentlich generell nicht). Die Theatralik, die Aufarbeitung der eigenen Welt, der Bombast über ein Doppelalbum hinweg, pässe doch eher noch zu „The Wall“.
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Hold on Magnolia to that great highway moon
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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@irrlicht: Danke für die schöne Beschreibung. „Misplaced Childhood“ ist für mich ein magisches Album. Ich konnt bzw. kann fast den gesamten Text auswendig, obwohl ich die Worte vielleicht nicht immer verstehe. Jedenfalls ist es eines der wenigen Alben, die bei mir in Fleisch und Blut übergegangen sind, auch musikalisch. Was habe ich damals diese Romantik und das Aufwühlende genossen.
Ich weiß noch, wie ich damals im Mai 1995 die Platte zum ersten Mal hörte. Es war ein warmer, aber sehr regnerischer Monat, mit viel Nebel. Die Musik lieferte den perfekten Soundtrack für meine damalige Stimmung.
Ich habe das Album ewig nicht mehr gehört und es für einige Jahre (eigentlich zu unrecht) verbannt, aus dem Grund heraus, das ich ja jetzt viel „erwachsener“ bin…so ein Blödsinn ;-). Aber das mit dem „Erwachsen werden“ passt ja ganz gut zum Thema des Albums.
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Ich habe mich seinerzeit auch nicht hinter die Texte geklemmt. Es ist aber beim Hören in Dauerrotation soviel davon hängengeblieben, dass die Botschaft angekommen ist. Bei „Clutching At Straws“ war es dann ähnlich.
„Misplaced Childhood“ vermittelt vor allem Leidenschaft. Wenn man sich darauf nicht mehr einlassen will, weil man mit zunehmendem Alter auch abgeklärter geworden ist, könnte man das Album heute möglicherweise als oberflächlich empfinden.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Alberto…“Misplaced Childhood“ vermittelt vor allem Leidenschaft. Wenn man sich darauf nicht mehr einlassen will, weil man mit zunehmendem Alter auch abgeklärter geworden ist, könnte man das Album heute möglicherweise als oberflächlich empfinden.
Da hatten wir gestern ja zeitgleich einen ähnlichen Gedanken bzgl. der Wirkung der Platte früher und heute, darauf Slainte Mhath (aber das ist das nächste Kapitel).
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Sollte ich jemals eine Top-100-Album-Liste machen, wäre dieses Album weiterhin Anwärter auf Platz 1. Auch nach all den Jahren.
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"Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!Mr. Badlands@Irrlicht: Danke für die schöne Beschreibung. „Misplaced Childhood“ ist für mich ein magisches Album. Ich konnt bzw. kann fast den gesamten Text auswendig, obwohl ich die Worte vielleicht nicht immer verstehe. Jedenfalls ist es eines der wenigen Alben, die bei mir in Fleisch und Blut übergegangen sind, auch musikalisch. Was habe ich damals diese Romantik und das Aufwühlende genossen.
Ich weiß noch, wie ich damals im Mai 1995 die Platte zum ersten Mal hörte. Es war ein warmer, aber sehr regnerischer Monat, mit viel Nebel. Die Musik lieferte den perfekten Soundtrack für meine damalige Stimmung.
Du weißt noch genau, wie die Stimmung und das Wetter zu dieser Zeit war, faszinierend.
Freut mich, dass es Dir mit diesem Album genauso geht, trotz zeitlanger Ambition das alles im Rahmen vermeintlicher Emanzipationsmaßnahmen zu den Akten zu legen. Magisch, das trifft es sehr gut. Ach ja, Danke fürs Lesen.
TheMagneticFieldSollte ich jemals eine Top-100-Album-Liste machen, wäre dieses Album weiterhin Anwärter auf Platz 1. Auch nach all den Jahren.
Wow, das hatte ich jetzt allerdings nicht erwartet (auch wenn mir Deine Wertschätzung über die Jahre hinweg nicht entgangen ist)
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Hold on Magnolia to that great highway moonEins der Alben, das ich auch heute noch mit größtem Genuss und Gänsehaut hören kann. Außerdem hat es mich zweimal im Leben intensiv über eine längere Zeit begleitet (völlig unterschiedliche Situationen) und nichts verbindet sich bei mir intensiver mit Erinnerungen als Musik (nicht mal Gerüche ).
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"Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!--
Hold on Magnolia to that great highway moon@irrlicht: Wieder ein sehr schöner Text und diesmal sogar zu meinem absoluten Lieblingsalbum. Vielen Dank dafür!
Ich kann mich in vielem, was Du schreibst, voll wiederfinden. Der „Rausch an Bildern“, welcher durch die Texte entsteht, die vielen verschiedenen Stimmungen, die beim Hören abgedeckt werden und doch alle zusammen ein großes Ganzes bilden. Das ist tatsächlich ein Gesamtkunstwerk.Wenn ich überlege, dass ich im Grunde durch einen dieser billigen Sampler, die in den 90ern mal bei McDonalds verhökert wurden (da war „Kayleigh“ drauf und ich wollte mehr), an die Band und dieses Album gekommen bin, muss ich schon grinsen. Größer kann ein Kontrast eigentlich nicht sein.
Hach, ich bekomme richtig Lust, das Album heute mal wieder zu hören…
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If I'd lived my life by what others were thinkin', the heart inside me would've died.[/FONT] [/SIZE][/FONT][/COLOR]MoontearHach, ich bekomme richtig Lust, das Album heute mal wieder zu hören…
Ja, mach das doch mal und berichte dann. Schön, dass meine Gedanken dazu beitragen konnten, freut mich.
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Hold on Magnolia to that great highway moon -
Schlagwörter: 1985, Marillion, Misplaced Childhood
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