Konzertimpressionen und -rezensionen

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  • #11807539  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    gypsy-tail-wind …. Das allgemeine Unbehagen Wagner gegenüber läuft glaub ich auf zwei Schienen: einerseits finde ich die Musik von Wagner unangenehm suggestiv (das hat jetzt erstmal nichts mit „schön“ oder „gut“ oder dem Gegenteil davon zu tun) – ich empfinde beim Hören, und das ist beim „Parsifal“ sehr ausgeprägt, ein fortwährendes Unbehagen, einen intellektuellen Widerwillen gegen den „Mief“, der von dieser Musik ausgeht (wie lautet das Bonmot von Hanslick? ob es nicht Musik gebe, die man stinken höre? der „Parsifal“ stinkt zum Himmel!), ich widerstrebe – unmittelbar wie auch intellektuell – den Überwältigungsmechanismen, die da eingebaut sind. Die intellektuelle Schiene ist die zweite, dass ich lieber Nietzsche lese statt Wagner usw., dass mir der Künstler Wagner unsympathisch, der um ihn gemachte Kult zuwider ist – und an diesem Kult ist er ja keineswegs unschuldig ….

    Nachvollziehbar …. und doch ist bspws die Ouvertüre von Parsifal (wie so oft bei Wagner) magisch schwebende Musik und der Karfreitagszauber wohl ebenso …. die Ambivalenz bleibt …. und wie man mit dieser umgehen kann schildert u.a Jonathan Livni (Vorsitzender der israelischen-Wagnergesellschaft) …..

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
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    #11807565  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Hab bisher dazu nur Kürzeres mitgekriegt – aktuell grad z.B. hier:
    https://www.br-klassik.de/aktuell/wagner-richard-inoffizieller-boykott-israel-soll-aufgehoben-werden-100.html

    Hast du mal etwas Längeres über Livni und seine Überlegungen gelesen?

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11807575  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    gypsy-tail-wind Hab bisher dazu nur Kürzeres mitgekriegt – aktuell grad z.B. hier: https://www.br-klassik.de/aktuell/wagner-richard-inoffizieller-boykott-israel-soll-aufgehoben-werden-100.html Hast du mal etwas Längeres über Livni und seine Überlegungen gelesen?

    Hab mich zuvor beim Schreiben daran erinnert, find’s aber grad ned im Netz 🤔 ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #11807579  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Falls du nochmal drauf stösst … aber kein Stress!

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    #11807581  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    gypsy-tail-wind Falls du nochmal drauf stösst … aber kein Stress!

    Mach ich 🤜🤛 ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #11807639  | PERMALINK

    Anonym
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    gypsy-tail-wind Das allgemeine Unbehagen Wagner gegenüber läuft glaub ich auf zwei Schienen: einerseits finde ich die Musik von Wagner unangenehm suggestiv (das hat jetzt erstmal nichts mit „schön“ oder „gut“ oder dem Gegenteil davon zu tun) – ich empfinde beim Hören, und das ist beim „Parsifal“ sehr ausgeprägt, ein fortwährendes Unbehagen, einen intellektuellen Widerwillen gegen den „Mief“, der von dieser Musik ausgeht (wie lautet das Bonmot von Hanslick? ob es nicht Musik gebe, die man stinken höre? der „Parsifal“ stinkt zum Himmel!), ich widerstrebe – unmittelbar wie auch intellektuell – den Überwältigungsmechanismen, die da eingebaut sind. Die intellektuelle Schiene ist die zweite, dass ich lieber Nietzsche lese statt Wagner usw., dass mir der Künstler Wagner unsympathisch, der um ihn gemachte Kult zuwider ist – und an diesem Kult ist er ja keineswegs unschuldig. Das gehört dann auch schon zur „Stellung“, es gibt ja auch heute in Klassik-Kreisen Leute, die ihn nahezu abgöttisch verehren, keine grössere Kunst als die von Wagner kennen, ja keine vergleichbar grosse zu akzeptieren bereit sind. Ich weiss nicht, ob das eine Rolle spielt, aber ich lese (oder gucke) auch keine Fantasy-Epen, um die Welt besser zu verstehen. Das ist am Ende alles eine Frage von Interessen, Vorlieben, unterschiedlich (geschulten/vorgespurten) Wahrnehmungen … aber dieses Unbehagen geht bei mir selten weg.

    Hm. Irgendwie kommt man gerade bei Wagner nicht weiter – und um es gleich oder vermutlich nochmals  zu sagen: Ich bin kein Wagnerianer. Ich kann das alles nachvollziehen und brauche Wagner auch wirklich nicht für meinen Platz im musikalischen Himmelbett. Die Verehrung interessiert mich nicht; hier um die Ecke steht eine Wagner-Büste im Garten, ist doch einfach albern. Und was den musikalischen Gehalt oder wie das heißt angeht, müsste man wohl bei Schönberg vor allem nachfragen. Der „Parsifal“ hat nun einmal schöne Sachen und wenn man einen Blindfoldtest machen würde, würde kein Mensch erfahren, dass die Musik antisemitisch sei. Zumal Wagner da ziemlich viel von Mendelssohn klaut, was eine eigene und weitere Friktion ist. Kurz, ich brauche Wagner nicht, höre sein Zeug aber von Zeit zu Zeit.

    Anders geht es mir mit den anderen Worten von Dir: Den Vorwurf, oder Anwurf, dass Wagners Musik zu suggestiv sei, kannst Du an jede Musik richten, egal, welches Genre. Sie ist immer eine Überredung. Musik an sich könnte einem suspekt erscheinen. Übrigens auch Nietzsche, den ich auch lieber lese als Wagner (von Nike Wagner mal abgesehen, und auch sie nur mit Vorbehalten). Aber auch er, besonders in seinen Wagner-Geschichten, ist suggestiv.

    Ergo, was stört an Wagner? Man möchte ihn gern hören, kann es aber nicht, darf es nicht? Ich fürchte, da gibt es keinen Ausweg, außer den schlichten: völlige Ablehnung, völlige Zustimmung. Diese Lösungen finde ich uninteressant. Mache einfach weiter im „Ring“, zu dem ich es noch nie vollständig geschafft habe. Aber ich erinnere gerne daran, dass die Filmmusik in „Le Mépris“ auf Wagner beruht. Et Götterdämmerung.

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    #11807651  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Danke für deine Ausführungen – ja, es ist verflixt. Klar gibt es im „Parsifal“ unglaublich gute Musik – hatte davon auch diese Bayreuther-Aufführung in HIP im TV gesehen (Hengelbrock in der Schwitzkiste unter der Bühne? Grösstmögliches Spektakel, aber bei schlimmstmöglichen Zuständen für die Musiker … auch so ein nettes Wanger-Ding) und war schon da ziemlich beeindruckt. Ich mache auf jeden Fall weiter, aber in einem gemächlichen Tempo, das halt für mich auch passt. Den „Tristan“-Nachsatz oben schrieb ich nur, weil das ja auch so ein Werk ist, das viele Ahs und Ohs herbeibeschwört … war auch nur so ein Gedanke, dass demnächst mal der Moment sein könnte, dass es für mich eben passt, die Oper mal anzuhören.

    Gestatte die Nachfrage zu Schönberg, was hat es damit auf sich, hat er sich zu Wagner bzw. zu bestimmten Werken geäussert?

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11807677  | PERMALINK

    gruenschnabel

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    gypsy-tail-windIch mache mit dem Ring weiter, wie er halt in Zürich aufgeführt wird, also voraussichtlich im Halbjahresrhythmus bis im Herbst 2023. Ich höre seit Beginn der Pandemie zuhause fast keine Oper und es passt mir eh sehr gut, die erste Begegnung live zu haben – und danach zuhause nachzuhören. Eilt mir alles überhaupt nicht, Oper braucht ja sowieso viel Zeit.
    Das allgemeine Unbehagen Wagner gegenüber läuft glaub ich auf zwei Schienen: einerseits finde ich die Musik von Wagner unangenehm suggestiv (das hat jetzt erstmal nichts mit „schön“ oder „gut“ oder dem Gegenteil davon zu tun) – ich empfinde beim Hören, und das ist beim „Parsifal“ sehr ausgeprägt, ein fortwährendes Unbehagen, einen intellektuellen Widerwillen gegen den „Mief“, der von dieser Musik ausgeht (wie lautet das Bonmot von Hanslick? ob es nicht Musik gebe, die man stinken höre? der „Parsifal“ stinkt zum Himmel!), ich widerstrebe – unmittelbar wie auch intellektuell – den Überwältigungsmechanismen, die da eingebaut sind. Die intellektuelle Schiene ist die zweite, dass ich lieber Nietzsche lese statt Wagner usw., dass mir der Künstler Wagner unsympathisch, der um ihn gemachte Kult zuwider ist – und an diesem Kult ist er ja keineswegs unschuldig. Das gehört dann auch schon zur „Stellung“, es gibt ja auch heute in Klassik-Kreisen Leute, die ihn nahezu abgöttisch verehren, keine grössere Kunst als die von Wagner kennen, ja keine vergleichbar grosse zu akzeptieren bereit sind.
    Ich weiss nicht, ob das eine Rolle spielt, aber ich lese (oder gucke) auch keine Fantasy-Epen, um die Welt besser zu verstehen. Das ist am Ende alles eine Frage von Interessen, Vorlieben, unterschiedlich (geschulten/vorgespurten) Wahrnehmungen … aber dieses Unbehagen geht bei mir selten weg.

    Ich danke dir. Das ist die Haltung, die ich dazu von dir kenne. Meine Fragezeichen gingen wohl in die Richtung, dass ich dein Zögern nicht nachvollziehen konnte, da du gerade ein „Hin und weg“-Erlebnis hattest. Was für mich nach einer Art von Überwältigung klang, die du dir durchaus zugestanden zu haben schienst.
    Das mit der „Stellung“ Wagners ist aus meiner Sicht kein so großes Mysterium. Natürlich gibt es die Fanboys – das ist aber sicherlich keine rezeptionsmäßig homogene Gruppe (einer der „Wagner über alles“-Fanboys hockt sogar in meiner angeheirateten Familie) und auch keine, der man das Feld überlassen müsste. Ich will selbst. Wagner bietet aus meiner Sicht nicht nur Suggestion und Überwältigung an (gegen die ich prinzipiell eh nichts einzuwenden habe), sondern auch Zugänge geistiger Wachheit und Intellektualität. Und zwar reichlich. Und klar, die dämlich-muffigen und – leider – bis zum Himmel stinkenden Seiten (antisemitische Codes) auch. Wie soulpope schrieb: Man bekommt Wagner grundsätzlich nur mit Ambivalenz-Prägung.
    Was ich aber überhaupt nicht einsehe: Mir meine Begegnungen mit Wagnermusik von der Beschränkheit Anderer überschatten zu lassen. Es ist mir schlicht egal, dass ein paar Straßen weiter der Fanboy hockt, an selige Zeiten im Bayreuther Festspielhaus denkt und dabei die „Früher war alles besser“-Melodie pfeift.

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    #11807687  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Nö, so (also jemandem das Terrain überlassen) sollte das auch nicht rüberkommen, dass die Fanboys ein bunter und teils alles andere als unsympathischer Haufen sind, ist mir auch klar bzw. erlebe ich so. Und tatsächlich fand ich „Rheingold“ ja auch sehr viel weniger ambivalent als eben den „Parsifal“. Mit doofen Fantasy/Kinderhorrorplots, die natürlich voller (pseudo-)religiöser Überhöhung stecken hab ich an sich – ausser Ennui ;-) – auch keine Probleme. Im „Parsifal“ ist es für mich einfach zuviel … aber die Tendenz, die mir misfällt, höre ich auch anderswo – dort halt nicht auch noch in einen Plot eingebettet, der mich triggert. Ich versuche hier ja bloss mein Erleben/Hören zu beschreiben, und da halte ich bis auf Weiteres auch daran fest, dass es unterschiedliche Arten von suggestiver Musik gibt, darunter halt auch solche, die mich irgendwie ungut dünken (und es war ja auch beim „Parsifal“ so, dass ich bei der – bisher einzigen – Begegnung in der Oper einen Wandel durchmachte: Abgestossensein, ja fast Ekel nach Akt 1, Verwunderung und Irritation nach Akt 2, Fahnen gestreckt und halt trotzdem begeistert am Schluss).

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    #11807705  | PERMALINK

    gruenschnabel

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    gypsy-tail-wind Ich versuche hier ja bloss mein Erleben/Hören zu beschreiben, und da halte ich bis auf Weiteres auch daran fest, dass es unterschiedliche Arten von suggestiver Musik gibt (…)

    Sehe ich auch so. Wenn man Musik generell einen suggestiven Wesenszug zuschreiben möchte, hat das für mich zwei weitere Konsequenzen: Dieser suggestive Wesenszug offenbart sich einerseits mit jeder Einspielung und Aufführung individuell unterschiedlich. Andererseits würde ich ihn dann grundsätzlich allen Künsten zuschreiben, nicht nur der Musik.

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    #11807839  | PERMALINK

    Anonym
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    gruenschnabelSehe ich auch so. Wenn man Musik generell einen suggestiven Wesenszug zuschreiben möchte, hat das für mich zwei weitere Konsequenzen: Dieser suggestive Wesenszug offenbart sich einerseits mit jeder Einspielung und Aufführung individuell unterschiedlich. Andererseits würde ich ihn dann grundsätzlich allen Künsten zuschreiben, nicht nur der Musik.

    Sehe ich, höre ich nicht so. Es ist auch nicht höflich, über nicht einmal vorhandene Banden zu spielen: Ich habe nicht von suggestivem Wesenszug gesprochen. Das ist eine Weise zu sprechen, die geradewegs aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammt und so ungefähr noch bis in die 70er-Jahre des folgenden reichte. Nicht meine Sache. Mag sein, dass dieser Wesenssprech bei Wagner sehr deutlich ist, warum führst Du ihn, @gruenschnabel, also fort? Dieselbe Rede: „offenbart sich“. Nix offenbart sich, und nichts „scheint auf in der Lichtung der Wahrheit“ (das ist ein Anspieltipp für Heidegger, den man nicht braucht, aber so sprichst Du eben). Das ist für mich Gerede.

    Zu den Konsequenzen. Ad 1: Geht in Ordnung. Ad 2: Da würde ich schon Unterschiede machen. In der Sprache, vulgo Poesie usw., sind die Möglichkeiten, sich der Suggestion zu widersetzen, viel größer als in der Musik. Weil sie Reflexion herausfordert und nicht suspendiert. Das wäre für mich eine Diskussionssache bei Wagner: Diese unsäglichen Texte, auf die er viel Wert legte und das ganze Brimborium.

    Ich glaube nicht, dass wir uns da irgendwie verständigen können; enttäuschend finde ich, wenn jemand wie Du @gruenschnabel nicht die Zeit findest, mehr zu sagen, von dem , was Du weißt.

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    #11808253  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Der Stolz auf die Texte ist ja gerade beim „Ring“ extrem. Die wurden hier in Zürich vorgelesen mit grossem Erfolg, auch mal mit Liszt am Klavier. Seltsame Szenarien, die ich mir nicht genauer vorstellen mag.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11808361  | PERMALINK

    gruenschnabel

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    clasjaz

    gruenschnabelSehe ich auch so. Wenn man Musik generell einen suggestiven Wesenszug zuschreiben möchte, hat das für mich zwei weitere Konsequenzen: Dieser suggestive Wesenszug offenbart sich einerseits mit jeder Einspielung und Aufführung individuell unterschiedlich. Andererseits würde ich ihn dann grundsätzlich allen Künsten zuschreiben, nicht nur der Musik.

    Sehe ich, höre ich nicht so. Es ist auch nicht höflich, über nicht einmal vorhandene Banden zu spielen: Ich habe nicht von suggestivem Wesenszug gesprochen. Das ist eine Weise zu sprechen, die geradewegs aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammt und so ungefähr noch bis in die 70er-Jahre des folgenden reichte. Nicht meine Sache. Mag sein, dass dieser Wesenssprech bei Wagner sehr deutlich ist, warum führst Du ihn, @gruenschnabel, also fort? Dieselbe Rede: „offenbart sich“. Nix offenbart sich, und nichts „scheint auf in der Lichtung der Wahrheit“ (das ist ein Anspieltipp für Heidegger, den man nicht braucht, aber so sprichst Du eben). Das ist für mich Gerede.
    Zu den Konsequenzen. Ad 1: Geht in Ordnung. Ad 2: Da würde ich schon Unterschiede machen. In der Sprache, vulgo Poesie usw., sind die Möglichkeiten, sich der Suggestion zu widersetzen, viel größer als in der Musik. Weil sie Reflexion herausfordert und nicht suspendiert. Das wäre für mich eine Diskussionssache bei Wagner: Diese unsäglichen Texte, auf die er viel Wert legte und das ganze Brimborium.
    Ich glaube nicht, dass wir uns da irgendwie verständigen können; enttäuschend finde ich, wenn jemand wie Du @gruenschnabel nicht die Zeit findest, mehr zu sagen, von dem , was Du weißt.

    Ein Déjà-vu. War ja bereits ein paar (wenige) Male so, dass du deine Unzufriedenheit über mein Geschreibsel zum Ausdruck bringst und ich Probleme damit habe, dich dabei zu verstehen. Ich halte aber gerne ausdrücklich fest, dass meine Überlegung zum Aspekt der Suggestion sich offenbar nicht auf dein Posting beziehen lässt. Wenn du darin eine Unhöflichkeit gesehen hast, dass ich diesen Aspekt unter inhaltlich falschen Voraussetzungen aufgenommen habe, entschuldige ich mich gern.
    Mit Blick auf meine veraltete Ausdrucksweise kann ich leider nur hilflos deine Frage entgegennehmen. Ich schreibe, wie mir der grünschnabel gewachsen ist. Aber sicher nicht von Wagner geprägt – dafür habe ich, wie andere hier auch, einen zu großen Bogen um seine Schriften gemacht. Und ich gehe mal davon aus, dass eine Ausnahme davon, „Das Judenthum in der Musik“, nicht dasjenige sein kann, was in meiner Sprache widerhallt.
    Immerhin kann ich dir bei Punkt 2 womöglich folgen: Das ist ja ein Ding der Künste, dass sie einerseits ein gemeinsames Feld bilden, auf welchem sich auch Verfahren und Prinzipien der verschiedenen Gattungen überschneiden, und andererseits hat jede Gattung natürlich eigene Schwerpunkte und Tendenzen. Und wenn jemand sagt (ich habe verstanden, dass du das nicht getan hast), die Musik sei im Gegensatz zur Literatur eine dionysische Überwältigungskunst, dann böte sich Beispiel um Beispiel an, um eine solche Trennung der Künste zu widerlegen. Aber immerhin die Tendenzen sind unterscheidbar.
    Das Letzte verstehe ich wiederum gar nicht. Ich versuche mich daran zu halten, Menschen zu fragen, wenn ich etwas wissen möchte. Gypsy hatte mir hier heute dankenswerterweise eine Antwort auf meine etwas naiven Fragen zukommen lassen (habe ich allerdings erst nachträglich gemerkt, wie naiv sie waren). Ich weiß schlicht nicht, womit ich deiner Enttäuschung hätte vorbeugen können, gehe aber schwerst davon aus, dass sie nicht allzu tief sitzt.

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    #11809205  | PERMALINK

    Anonym
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    gruenschnabel Ein Déjà-vu. War ja bereits ein paar (wenige) Male so, dass du deine Unzufriedenheit über mein Geschreibsel zum Ausdruck bringst und ich Probleme damit habe, dich dabei zu verstehen. Ich halte aber gerne ausdrücklich fest, dass meine Überlegung zum Aspekt der Suggestion sich offenbar nicht auf dein Posting beziehen lässt. Wenn du darin eine Unhöflichkeit gesehen hast, dass ich diesen Aspekt unter inhaltlich falschen Voraussetzungen aufgenommen habe, entschuldige ich mich gern. Mit Blick auf meine veraltete Ausdrucksweise kann ich leider nur hilflos deine Frage entgegennehmen. Ich schreibe, wie mir der grünschnabel gewachsen ist. Aber sicher nicht von Wagner geprägt – dafür habe ich, wie andere hier auch, einen zu großen Bogen um seine Schriften gemacht. Und ich gehe mal davon aus, dass eine Ausnahme davon, „Das Judenthum in der Musik“, nicht dasjenige sein kann, was in meiner Sprache widerhallt. Immerhin kann ich dir bei Punkt 2 womöglich folgen: Das ist ja ein Ding der Künste, dass sie einerseits ein gemeinsames Feld bilden, auf welchem sich auch Verfahren und Prinzipien der verschiedenen Gattungen überschneiden, und andererseits hat jede Gattung natürlich eigene Schwerpunkte und Tendenzen. Und wenn jemand sagt (ich habe verstanden, dass du das nicht getan hast), die Musik sei im Gegensatz zur Literatur eine dionysische Überwältigungskunst, dann böte sich Beispiel um Beispiel an, um eine solche Trennung der Künste zu widerlegen. Aber immerhin die Tendenzen sind unterscheidbar. Das Letzte verstehe ich wiederum gar nicht. Ich versuche mich daran zu halten, Menschen zu fragen, wenn ich etwas wissen möchte. Gypsy hatte mir hier heute dankenswerterweise eine Antwort auf meine etwas naiven Fragen zukommen lassen (habe ich allerdings erst nachträglich gemerkt, wie naiv sie waren). Ich weiß schlicht nicht, womit ich deiner Enttäuschung hätte vorbeugen können, gehe aber schwerst davon aus, dass sie nicht allzu tief sitzt.

    Ja, gut, ich bitte Dich um Entschuldigung, wenn ich zuweilen zu direkt spreche. Das hat gewiss keine persönlichen Gründe, wie auch. Aber in der Sache, oder in den Sachen, verkürzt das direkte Sprechen unnötigen Aufenthalt, das ist inzwischen meine Meinung.

    „Wagner“ ist hier ja nur eine Art Dachschindel, ein Dachdeckerwort für die Verführung, die in der Musik liegt, oder, ich bin vorsichtig, liegen kann. Das war Flurins Ausgangspunkt, darauf hatte ich geantwortet. Und ich sage ja nicht, dass ich Recht habe. Aber wenn wir auf dieses Terrain gehen, möchte ich eben doch meinen, dass die Musik die verführerischste der Künste ist (abgesehen vom Tanz und, wenn man das hinzunehmen möchte: vom Film). Du sprichst von Überschneidungen, von Feldern: Worin begründen die sich? Am Ende werden es womöglich Auskunftsmöglichkeiten (ich sage bewusst nicht: Ausdrucksmöglichkeiten) sein im Bathos (ja, Bathos, nicht Pathos) der Erfahrung von jedem von uns. Die sind verschieden, das gehört zum Weltgeplänkel. Aber beide Möglichkeiten sind aneinander geknüpft und das zeigt sich in der Sprache eben auch. Ich habe nicht gesagt: Dass Du wie Wagner sprichst, weil Du Wagner gelesen habest. Dass war ja das Elend und ist es immer, die einfache Übernahme von Sprechweisen, deren Ursprung keiner kennt. Ist heute auch nicht anders. Am „Wesenszug“ stört mich also die, da ist sie wieder, Suggestion, es gebe ein Wesen, eine Wahrheit, einen Kern. Von irgendwas. Und dieses Denken schließt ein, dass einer den Zugang zum Wesen usw. habe. Und diese Suggestion ist es, für deren Ansinnung (ich nehme jetzt dieses schönere Wort von Kant), Wagner ziemlichen Missbrauch betrieben hat. Er ist der Verführerischste unter den Verführern. Wenn wir bei unseren Leisten bleiben: Wer war damals da, warum ist die Geschichte nicht anders gelaufen, die immerselbe Frage? Brahms? Nein, er war zu nah. Mahler sehe ich als die Antwort, dann noch Bruckner, aber deutlicher war Mahler. Aber wenn wir so weitermachen, kommen wir auf Fragen wie Individual-, Kollektivstil usw. Darum geht es mir nicht. Ich brauche Wagner nicht, lieber sind mir nicht suggestive Wörter. :bye:

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    #11809935  | PERMALINK

    gruenschnabel

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    Danke, aber eine Entschuldigung wegen direkten Sprechens ist von mir aus wirklich nicht nötig.
    Was ich jetzt nicht einfach finde, ist die Bezugnahme auf das, was bislang über Suggestion, Überredung, Überwältigung und Verführung von und durch Musik geschrieben wurde. Wie du sagtest: Flurin war ja auch daran beteiligt. Insofern mahne ich mich zur Vorsicht. Zudem sind diese vier Begriffe keine Synonyme.
    Wenn es also bei dir nun vor allem um den Aspekt der Verführung geht: Für mich ist die Sache mit dem Superlativ nicht so einfach. Zum einen kommen bei dir gleich zwei weitere Gattungen ins Spiel (Film, Tanz). Zu Recht, wie ich finde. Und ich überlege, ob Sprache und damit Literatur/Poesie nicht auch enorm verführend wirken kann – auf eine andere Art als begriffslose Musik. Sprache als Medium hat ein äußerst hohes und vielschichtiges Suggestions- und Manipulationspotenzial. Und nicht nur das: Sprache kann gedankliche Vorstellungsräume schaffen, in denen sich Lesende (oder auch Hörende) bis zur Selbstvergessenheit verlieren können. Gypsy hatte den Bereich Fantasy genannt, den ich hier als beispielhaft empfinde. Wenn ich einen Fantasyroman einer Bach-Fuge unter dem Aspekt der Verführungsgewalt gegenüberstelle, kommt mir die Notwendigkeit vor Augen, mich von Superlativen fernzuhalten, die auf eine Kunstgattung abzielen.
    Ja, ich sprach von Überschneidungen, allerdings nicht von „Feldern“, sondern nur von einem Feld. Wenn ich von ‚Kunst‘ spreche, meine ich genau dieses eine Feld, innerhalb dessen einzelne Künste weitgehend unterscheidbar sind, aber – wenn man einen subsumierenden Begriff wie ‚Kunst‘ verwendet – Berührungspunkte/Verbindungen/Beziehungen miteinander haben müssen. Diese Beziehungen sind für mein Verständnis auch daran erkennbar, dass es ästhetische Kategorien gibt, die für viele, womöglich sogar alle Kunstgattungen relevant sind (aber dann ausdrücklich nicht für jedes einzelne Kunstwerk). Da wären z.B. Raum (ich schrieb zuvor ja schon von „Vorstellungsräumen“) und Zeit. Die strikte Lessing’sche Trennung von Raum- und Zeitkünsten funktioniert ja gar nicht. Ich kann ein Gemälde nur unter Einbezug der zeitlichen Dimension sinnvoll rezipieren. Zudem lässt sich von ihm womöglich mit zeitlichen Begriffen sprechen, etwa wenn man sich zum ‚Rhythmus‘ von Farben oder Formen äußert. Zurück zum Anfangsgedanken: Die ästhetische Feld-Kategorie ‚Rhythmik‘ überschneidet sich mit mehreren Künsten.
    Was du mit dem Wagner-Sprech meintest, habe ich jetzt besser verstanden. Aber das überblicke ich selbst gar nicht. Bislang stehe ich nach wie vor zu den Begriffen „Wesen“ und „Wesenszug“. Ich sehe es als prinzipiell wünschenswert an, dass Menschen sich über das austauschen, was ihrer Ansicht nach „wesentlich“ ist. Das berührt natürlich die Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit – und auch, wie wir diese Begriffe verstehen/definieren. Ich bleibe in meinen Gedanken bei Kunst: Damit wir etwas als Kunst bezeichnen können, bedarf es meiner Überzeugung nach der Rezeption und der intersubjektiven (=kulturellen) Verhandlung darüber, inwiefern wir dem „Kunsterzeugnis“ einen ästhetischen Wert zusprechen mögen. Da die Kunstgeschichte die Erfahrung belegen kann, dass es Wertzuschreibungen gibt, die sich erhalten, die zwar nicht gänzlich konsistent sind, sich in der intersubjektiven Auseinandersetzung aber immer wieder „bewähren“, bin ich an dieser Stelle recht unbefangen mit dem Wahrheitsbegriff. Es hat sich „bewahrheitet“, dass Kafkas „Prozess“ als eine düstere und weitblickende Parabel auf das Problem des durchbürokratisierten Totalitarismus des 20. Jahrhunderts gelesen werden kann. Es ist eine kulturell gebildete Wahrheit, also keine, die in dem Roman „steckte“. Ich würde eher sagen: Sie war in ihm „angelegt“. Den Begriff des „Wesens“ verstehe ich ähnlich. Er ist das (grundsätzlich immer hinterfragbare) Ergebnis von Verhandlung und Verständigung, kein fester, unveränderlicher Kern. Wenn ich über mein eigenes „Wesen“ nachdenke, dann befinde ich mich in einem Prozess der Selbstverständigung und konstruiere als dessen Ergebnis etwas, das ich als Identitätsmerkmal etabliere. Ähnlich verhält es sich meiner Ansicht nach mit dem, was ich als „suggestiven Wesenszug“ einer Kunstrichtung oder auch eines einzelnen Kunstwerks diskutieren würde. Und ja, es schließt in gewissem Sinne ein, dass ich mir zuspreche, einen Zugang dazu zu finden. Nur ist dieser Zugang immer auch ein eigens geschaffener, konstruierter Zugang, weil es unserem Menschsein, meine ich, entspricht, dass einer Wahrheit immer die Bedingung ihrer Konstruktion anhaftet. Nicht zuletzt in der Kunst.
    Danke für deine abschließenden Gedanken zum Verführer Wagner und seiner geschichtlichen Dimension. Ich kann mir darüber kein fundiertes Urteil erlauben, noch nicht einmal einen spekulativen Gedanken. Das überfordert mich. Ich denke aber weiterhin, dass der Aspekt der Verführung aus rezeptionsästhetischer Sicht einerseits äußerst bedeutsam und relevant ist, andererseits aber auch zur differenzierten und genauen Betrachtung herausfordert. Um nämlich deinen Gedanken des „Kern“-Problems aufzunehmen: Auch die Verführungsgewalt ist für mich kein konsistentes Wesensmerkmal für Wagnermusik, also etwas, was in dieser Musik „steckt“ und sich mit Aufführung einer Oper quasi über die Rezipierenden ergießt. (Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, das sei deine Vorstellung davon.) Und inwiefern sie (nach meinem Verständnis) darin „angelegt“ ist, inwiefern womöglich auch den Geist und die Reflektion herausfordernde Kompositonsmerkmale anzuführen sind, bedürfte einer sachlich fundierten, nachvollziehbaren Auseinandersetzung. Ich würde, um sehr plakativ zu schließen, eine Wagner-Oper den Nazis nicht kampflos überlassen wollen. Und hoffentlich alle Regisseure, Dirigentinnen usw. werden genau das eben auch nicht tun.

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