Keith Jarrett

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  • #6720451  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    nail75Ging das ans Publikum? Für akkreditierte Fotografen gilt das eigentlich immer.

    Ja, das ging offen als Ansage raus, zu Beginn des Konzertes. Der Typ, der einen Fausthieb riskierte (er wusste wohl nichts von Mehldaus Boxkünsten) war glaub ich auch aus dem Publikum, aber ich sass etwas zu weit weg, um das genau zu erkennen.

    Nicht_vom_ForumWenn es denn wirklich nur ein Fall von „weinerliche Leberwurst“ ist… Wenn er ernsthafte psychische Probleme hat, ist es mit „zusammenreißen“ oder ähnlichem eben nicht getan. Ganz von der Problematik abgesehen, ob er sich dann noch genug entspannen kann, um auf dem Niveau zu improvisieren, das andere (und er selbst) bei einem Konzert erwarten.

    Entspannen kann Jarrett sich vermutlich nie. Von den Aufnahmen mit Haden (ich hab „Jasmine“ endlich, ziemlich toll! A propos ernsthafte Probleme: gibt es zu Haden etwas Neues?) gab es in einer Doku (über Jarrett wohl, kann mich nicht mehr erinnern) mal Ausschnitte, wie die beiden in Jarretts Heimstudio spielten – und selbst da krümmte Jarrett sich unter Schmerzen, als würde er gleich Fünflinge gebären … ich höre ihm ja wirklich gerne zu, auch sein Gestöhne stört mich in den allermeisten Fällen nicht, aber ich glaub im Konzert würd ich die Augen schliessen (oder DeJohnette zuschauen).

    Zudem ist das mit dem Improvisieren und dem Niveau und dem Publikum so eine Sache … gerade die grossen Solo-Aufnahmen Jarretts (ich denke da eher an Bremen, Lausanne als an Köln) brauchen doch das Publikum – diese Atmosphäre kann in einem Studio nicht entstehen, diese Anspannung, die auch zu Inspiration führen kann (in Köln war das eher der vestimmte Flügel, aber das merkte das Publikum ja auch nicht, s.u.). Dass daraus eine Hassliebe werden kann, gekauft. Aber die Idee, dass Jarrett lieber ohne Publikum existieren würde, käme wohl nicht mal Jarrett selbst.

    kramerGerade bei Jarrett dürfte es 90% des Publikums nicht einmal bemerken, wenn er sein Niveau nicht hält.

    Ja, das wird ja im verlinkten Artikel auch erwähnt … das Niveau des Trios ist wohl auch auf Autopilot höher als so manches, was andere „Spitzen“-Jazz hinkriegen. Ob es den aufmerksamen Hörer noch mitzureissen vermag, ist eine andere Frage, aber ich wundere mich sowieso, wo all die vielen Leute, die zu Jarrett pilgern, jeweils bei den feinen Jazzkonzerten sind, an denen sich zwei oder drei Dutzend Zuhörer einfinden … anders gesagt: zu Jarrett geht doch eh kein Jazzpublikum. Ich will den Leuten nicht ihre Fähigkeit, differenziert wahrzunehmen absprechen oder ihre Motivation, zu Jarrett zu gehen, schlechtreden … aber dass das ein anderes Publikum ist als dasjenige, das Jazzkonzerte frequentiert, scheint mir doch ziemlich gewiss.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #6720453  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,048

    Nicht_vom_ForumSehe ich ähnlich. Aber bei Jarretts Biographie würde ich ernsthafte psychische Probleme als Grund für sein Verhalten nicht ohne weiteres ausschließen.

    Wir hatten alle eine schwierige Kindheit.

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    #6720455  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,003

    ich weiß auch nicht, warum das thema ständig durchgekaut wird. andere treten erst dann auf, wenn das catering bestimmte extrawünsche erfüllt hat. jarrett ist ein rockstar, auch dafür zahlt man ja. und um das niveau-halten geht es ja eigentlich nie.

    völlig ok finde ich auch (eigentlich sogar ziemlich toll), wenn jemand wie shipp sich so offen über einen „kollegen“ äußert. da kennt er gar nichts – andere zielscheiben sind gerne mal die etabliertesten jazzkritiker. das finde ich schon riskant, auch wenn es nicht von etikette zeugt.

    wer wem das wasser reichen kann oder soll (wozu eigentlich?), finde ich eine ziemlich abseitige frage.

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    #6720457  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,864

    gypsy tail windWir hatten alle eine schwierige Kindheit.

    Ich dachte eher an das schwierige Erwachsenenalter:
    http://www.prohealth.com/library/showarticle.cfm?libid=7442

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    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #6720459  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,048

    Nicht_vom_ForumIch dachte eher an das schwierige Erwachsenenalter:
    http://www.prohealth.com/library/showarticle.cfm?libid=7442

    Wie gesagt: Jarrett hatte schon in den Siebzigern seine Probleme mit dem Publikum, dass darüber überhaupt noch in dem Ausmass berichtet und sich dermassen echauffiert wird, wundert ja längst.

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    #6720461  | PERMALINK

    alexischicke

    Registriert seit: 09.06.2010

    Beiträge: 1,776

    Ich habe noch nie ein ruhigeres Münchner Publikum erlebt als letzte Woche beim Konzert. Vor dem Konzert wurde das Publikum aufgefordert keine Photos zu machen und sonstige Nebengeräusche zu vermeiden, dass fand ich jetzt etwas übertrieben.

    Bei allen anderen Jazzkonzerten hat man das Publikum ausdrücklich aufgefordert mitzumachen. Ein gutes Jazzkonzert lebt vom Publikum und dem Künstler.

    Eine totale Stille lässt sich aber nie erreichen bei 3000 Leuten, fall das Jarrett immer noch zu laut ist dann soll er in einem Kloster spielen. Mal absehen ob die ihm auch diese hohen Gagen bezahlen können.

    --

    #6720463  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,003

    hier eine ganz witzige „besprechung“ der neuen jarrett trio cd von matt shipp.
    und hier ethan iversons schöner kommentar darauf.

    interessant ist shipps fußnote zu joe sample, die iverson aufgreift. als jemand, den jarrett ungerechterweise die show stiehlt. muss ich auch mal weiterverfolgen.

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    #6720465  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Danke für die Hinweise! Shipp arbeitet sich da ja reichlich ab an seinem Kollegen, ich finde das interessant, er bemüht sich so sehr, sein Problem mit Jarrett darzustellen und nennt sich dann überflüssigerweise einen „asshole musician“, was Iverson behutsam in die versöhnliche Bahn lenkt. Mir geht’s wie Iverson: ich schätze die „atonal rhapsodies“ und klar hat Jarrett eine eigene Sprache. Obwohl mir die von Bley näher ist. Aber er hat sie zweifellos. Joe Sample kenne ich nicht, aber Shipp und Iverson werden ihn nicht umsonst genannt haben. Muss ich auch suchen.

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    #6720467  | PERMALINK

    vorgarten

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    Beiträge: 12,003

    clasjazMir geht’s wie Iverson: ich schätze die „atonal rhapsodies“ und klar hat Jarrett eine eigene Sprache.

    ja, klar & geht mir genau so. aber bei so phänomenen wie jarrett tritt ja oft so eine denkfaulheit ein, „ach ja, wieder was von jarrett“ und dann zünden nur noch die live-ausraster als thema. dass da jemand aus ziemlicher fallhöhe das messer wetzt, finde ich schon toll, man fängt sofort wieder an über jarretts balladen-stil, seine „atonalen rhapsodien“, seine bebop-versuche nachzudenken.
    ganz großartig, wie iverson die angebliche „liebe weißer mittelklasse-kritiker“ zu jarrett dekonstruiert. und eher blöd, dass shipp wieder die rassismus-keule rausholt (sample kennt man nur nicht, weil der schwarz ist). ob jarrett schwarz oder weiß ist, weiß ich ja immer noch nicht…

    nachtrag zur debatte von larry blumenfeld plus hinweis auf die bald erscheinende solo-cd von shipp:

    As I noted in a Wall Street Journal piece on Shipp, when away from the piano, he’s as combative as any boxer, forever taunting supposed foes. Such commentary is somewhat of an act, akin to the classic pre-boxing-bout press conference. But it also serves a serious point. As I wrote in that profile, “however inelegantly, it reflects the fighting spirit of a pianist who has stubbornly advanced his own artistic agenda against what he sees as the stacked odds of convention.” All of that might get tiresome if Shipp’s music weren’t so consistently good and reflective of that stance. (I’ve just begun listening to his “Piano Sutras,” due for release in September, a solo recording that reaffirms within its opening minute that here is a pianist who has defined, and refined, his own language.)

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    #6720469  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,048

    Joe Sample … ein paar frühe Aufnahmen mit den Crusaders, v.a. als sie noch die Jazz Crusaders waren, finde ich sehr toll, ich habe auch die Box mit den MPS-Alben, da ist vieles drauf, was grossen Spass macht, aber in die alleroberste Liga kommt er damit nicht. Was in den letzten Jahren oder Jahrzehnten gemacht hat, habe ich nicht verfolgt, Projekte mit Sängerinnen gab es, ich glaube er spielt nach wie vor eher elektrisch als akustisch, ja? Das ist wohl (auch bei mir irgendwie, muss ich eingestehen) ein Grund, warum ein Musiker nicht im richtigen Masse geschätzt wird – weil der persönliche Touch des Pianisten auf dem elektrischen Instrumentarium zur Nebensache wird, sich andere Aspekte in den Vordergrund drängen, die mehr mit dem Klang und mit Ideen zu tun haben als mit dem, was man vom Pianisten, der sich mit der Klaviatur abmüht, wirklich hört … alte Konventionen, gewiss. Ich möchte Jarretts elektrische Musik mit Miles gewiss nicht missen, habe überhaupt meine Dünkel gegenüber elektrischen Klavieren längst abgebaut und mag den Sound von alten Fender Rhodes oder Wulrlitzer E-Pianos unglaublich gerne … aber der persönliche pianistische Touch, die Kultur des Anschlages etwa, geht da halt tatsächlich unter.

    Die beiden Posts von Shipp und Iverson las ich vor einigen Tagen schon, Iversons Antwort hat mich ebenfalls sehr erfreut, gerade auch im Hinblick auf die angeblichen devoten weissen Kritiker. Wenn Iverson schreibt, lese ich sehr gerne, wenn er spielt, ist er mir bisher ziemlich gleichgültig. Ich habe ein schönes Album mit Dewey Redman (eine Jarrett-Connection, gewiss!), aber den ganzen Hype um The Bad Plus begriff ich nie, die paar Sachen, die ich von ihnen hörte (Live-Aufnahmen am Radio) fand ich extrem langweilig.

    Bei Shipp habe ich längst etwas den Anschluss verpasst, fast alles, was ich an Offiziellem habe, ist inzwischen über zehn Jahre alt … es gibt gewiss sehr feine Aufnahmen von ihm, aber es gibt auch Momente, da scheint er irgendwie auf Auto-Pilot sein Ding zu machen und langweilt mich dann rasch. Er berührt mich die meiste Zeit nicht wirklich mit seiner Musik (das ist bei Jarrett aber nicht anders, bloss erfreue ich mich bei Jarrett doch sehr oft an dem, was ich höre, auch wenn es nicht der Schraubenzieher im Herz ist, den er hervorholt).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #6720471  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,003

    joe sample

    bin mal ein bisschen dem sample-nebengleis gefolgt und habe von seiner ersten recherche profitiert: sample solo & akustisch und sample trio & akustisch.
    ersteres finde ich sehr hübsch und auch eigenständig, hat aber mit jarrett wirklich kaum was zu tun. und soviel abgesichterte langeweile wie im (durchaus nicht üblen) trio-stück habe ich bei jarrett noch nie gehört bzw. folgt einem ganz anderen ansatz. und wo jetzt die eigene sprache sein soll, wird mir auch nicht klar. dass sample außerhalb von smooth jazz und jazz crusaders mehr gewürdigt werden sollte, glaube ich dagegen sofort.

    --

    #6720473  | PERMALINK

    atom
    Moderator

    Registriert seit: 10.09.2003

    Beiträge: 21,364

    KEITH JARRETT – Creation (ECM 2450)

    Zum 70. Geburtstag hat Jarrett ein Solo-Album veröffentlicht, das im Gegensatz zu seinen letzten Mitschnitten nicht an einem Abend entstanden ist, sondern neun Stücke von sechs Abenden seiner 2014er Tour enthält. Die Improvisationen wirken dabei stellenweise sehr skizzenhaft bzw. fragmentarisch, sind dabei aber extrem faszinierend und herausfordernd. Vielleicht kann man „Creation“ als eine Art Essenz der letzten Jahr(zehnt)e verstehen, für mich ist es jedenfalls sein bestes Solo-Album seit „La Scala“.

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #6720475  | PERMALINK

    nail75

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    Beiträge: 44,728

    Wow, besser als Testament? Das war brillant. (Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es besser als La Scala ist)

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #6720477  | PERMALINK

    atom
    Moderator

    Registriert seit: 10.09.2003

    Beiträge: 21,364

    nail75Wow, besser als Testament? Das war brillant. (Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es besser als La Scala ist)

    Ich halte „Testament“ für ein ziemlich gutes aber nicht brillantes Album und sehe „Creation“ nach weiteren Durchgängen weiterhin knapp vor dem Paris/London-Set.
    Das letzte brillante Solo-Aufnahme ist vielleicht die Bregenz-LP in der Concerts-Box.

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #9893609  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,936

    Am besten hierhin:

    Bei Keith Jarrett hält das Publikum still (habe sehr gelacht)

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
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