jazz in den 1990ern

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  • #11784285  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

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    Meine persoenliches Zeitgefuehl beginnt im Januar 1987… damals wurden die etwas verstaendigeren Kinder im Kindegarten in den Nebenraum gerufen und Frau Sauer, die Erzieherin der anderen Gruppe teilte uns mit: „Heute beginnen wir ein neues Jahr. Wir nennen es Neunzehnhundertsiebenundachtzig.“ Kam mir damals etwas beliebig vor, aber man hat sich dran gewoehnt. Spaeter im gleichen Jahr kam ich in die Schule, bekam meine erste Blockfloete… 1989 fiel dann die Berliner Mauer, ich war skeptisch, aber was sollte man tun, und meine Eltern teilten mir mit, dass es mit der Blockfloete reicht, und ich von nun an ein richtiges Instrument lerne, Klarinette, bitte jeden Tag 20 Minuten ueben – ich war kein Kind, das sowas hinterfragt hat. 1991 kam ich auf Gymnasium, ab der siebten Klasse, September 1993, spielte ich dann in der Schulbigband, anfangs vierte Trompete mit der Klarinette, in der neunten Klasse hab ich den Lehrer ueberredet, dass es doch mehr Sinn machen wuerde, wenn die Klarinetten quasi die Altsaxophone doppeln, ab der 11. Klasse bis zum Abitur hab ich dann Tenorsaxophon gespielt. Und natuerlich setzt man sich in so einer Schulbigband mit Jazz auseinander, mit dem swingen der Achtelnoten, mit improvisierten Soli, die ich ab der zehnten Klasse auch gelegentlich spielen durfte… und ab irgendwann hatte man dann auch eigene Jazzbands neben der Schule… den Traum von dem einen Solo, das wirklich irgendwie ok ist, hab ich allerdings in all den Jahren nie erreicht…

    Ungefaehr 1994 teilten mir meine Eltern mit, dass ich Jazzfan sei. Ich weiss nicht, wie sie drauf kamen, sie waren selber keine, und kannten auch kaum welche – wobei ich einen der besten Freunde meines Vaters noch gelegentlich bei Konzerten gesehen hab ueber die Jahre. Vielleicht hat mein Vater sich gedacht, dass man mittelfristig mehr aus der ganze Sache mit der Big Band und dem Klarinettespielen ziehen kann, wenn man eine echte Beziehung zu der Musik aufbaut – er starb 1999 und ich hab ihn nie gefragt. Vielleicht waere er auch selber gerne Jazzfan gewesen, ein paar LPs von ca 1970 hatte er, aber zu Hause lief nur Klassik. Ich hab ihm spaeter ein paar Jazzkassetten fuers Krankenhaus gemacht, Mingus fand er gut und Roland Kirk, und vielleicht haette sich daraus was entwickelt. Jedenfalls gaben sie mir das Jazzbuch von Behrendt und ich hab das sehr ernsthaft studiert um mich auf ein Leben als Jazzfan vorzubereiten – letztlich hab ich ueber die Jahre nicht sehr viele so direkte Ansagen von meinem Vater bekommen. Die Jahre von 1994 bis 2001 war ich jedenfalls neben der Schule – man hat ja doch recht viel Zeit – eigentlich ueberwiegend mit Jazz beschaeftigt, es ist ein grosses Thema. 2001 begann dann das Studium und Jazz passte irgendwie nicht mehr so recht in mein Leben, ich hab dann erstmal andere Musik gehoert, angefangen den Rolling Stone zu lesen und den entsprechenden Kanon von Townes van Zandt bis zu den Libertines nachzuarbeiten… aber das war spaeter… und 2006 kam der Jazz dann zurueck, ich merkte, dass ich wieder „staerkere Musik“ brauche, versuchte mich zwei Wochen als Klassikfan um dann zu merken, dass Jazz meine eigentliche Musik ist…

    Was tat man also als angehender Jazzfan in der zweiten Haelfte der 90er Jahre… Aus dem Behrendt Buch hatte ich mir eine Liste von Saxophonisten gemachten, die interessant klangen, Coleman Hawkins, John Coltrane, Paul Desmond, Charlie Parker, Jan Garbarek, und kaufte von jedem eine CD, die mir zu einem passablen Preis in die Haende fiel… und arbeitete mich dann so ueber die Lineups weiter, wie man das im Jazz macht… ich hab auch dutzende Jazzbuecher aus der Koelner Stadtbuecherei gelesen… ab irgendwann hatte mein Vater eine Emailadresse, und ich bat ihn, mir die Miles Davis Mailing List zu abonnieren… War auf Englisch, aber dadurch, dass ich die Tag fuer Tag gruendlich studiert hab, war mein Englisch gegen Ende der neunten Klasse eigentlich schon ganz passabel (bzw irreparabel gepraegt)… Jack Kerouac hab ich damals auch rauf und runter gelesen, so wie viele 16 jaehrige vor und nach mir, und die Musik der Kerouac Romane, hat noch immer einen besonderen Stellenwert fuer mich, Tony Fruscella, Zoot Sims, Brew Moore, Allen Eager…

    Die CD Laeden waren wichtige Orte, es war noch die grosse Zeit von Zweitausendeins, und die Buchhandlung Gonski in Koeln hatte eine lange Reihe mit CD-Playern, auf der man stundenlang in alles reinhoeren konnte. (Ich glaub, das begann als Koelner Filiale von imernsts Laden, aber die Phase hab ich verpasst.) Radiosendungen waren auch extrem wichtig, Ruesenberg und Lippgaus im Wechsel am Dienstag, Karsten Muetzelfeld mit Mainstream Jazz (sowas wie das neue Conrad Herwig Album) am Mittwoch, die Konzerte der WDR Big Band mit Gaesten am Freitag, alles immer von 22:35 bis Mitternacht, hab ich selten verpasst… die Liveuebertragungen aus Moers waren auch wichtig… 1998 war ich vier Monate Austauschschueler in San Diego und hab das auch als Chance gesehen, mein Jazzhorizont zu erweitern, ich war beim Abschlusskonzert von George Lewis‘ Kurs in UCSD, und besuchte samstags den Workshop, den Daniel Jackson, legendaerer Saxophonist von Lenny McBrowne’s Four Souls, dort in einem Kulturzentrum fuer jeden anbot, der sich traute mitzumachen… (ich bin ja immer noch beeindruckt, dass ich den ueberhaupt gefunden hab… ich hab damals eine Email an die Stan Kenton Mailing List geschrieben und nach Tipps gefragt…)

    Damals dachte ich, es sei Teil meiner Aufgabe als Jazzfan, mich auch mit der aktuellen Musik auseinanderzusetzen, und so fing ich an Jazz Thing zu lesen, und die Neuerscheinungen zu verfolgen… am Ende kaufte ich aber dann doch meisten die alten Sachen – warum soll man sich die hochgepriesene neue Till Broenner CD kaufen, wenn man fuer den halben Preis ein Miles Davis Album kriegt, das tendentiell sogar noch besser ist? Als ich 2006 wieder mit Jazz anfing, hab ich neuere Entwicklungen dann zunaechst bewusst ausgeklammert… Aber als Schueler dachte ich noch, die Gegenwart gehoert logischerweise dazu… Dabei ist die Geschichte doch so viel reicher an toller Musik als die Gegenwart, das ist schon wegen den zeitlichen Verhaeltnissen logisch… Einer meiner besten Freunde damals wollte Jazzmusiker werden, bei dem lief natuerlich aktueller Jazz, vor allem ECM, an die Peter Erskine Trios mit John Taylor kann ich mich erinnern, The Melody at Night with You… Und vielem hab ich schon damals gefremdelt, Kenny Garrett, Joshua Redman, James Carter kannte ich aus dem Radio und das sprach mich nicht besonders an… die grosse Zeit der Young Lions hab ich knapp verpasst… Demnaechst wollt ich mal ein paar dieser Marsalis Alben auf meine durch 25-30 Jahre Jazz hoeren gestaehlten Ohren niederprasseln lassen… aber jetzt noch nicht ;)

    Aktuelle Alben, die ich damals gehoert hab, das sind letztlich nicht so viele, meist musste schon aus Kostengruenden ein Album pro Kuenstler reichen… bei Miles Davis, John Coltrane, Horace Silver, Charles Mingus, Charlie Parker, hatte ich schon damals mehrere CDs…

    Bill Evans – Push (hatten wir damals live gehoert, ein Freund hat mir Kassetten von Push Live in Europe und Escape gemacht, das lief alles viel, ist nicht so gut gealtert)
    Steve Coleman – A Tale of Three Cities (bei Evans fand ich Rapper super, hier war mir das zuviel Gerede und zu wenig Musik)
    Jan Garbarek – Visible Worlds (lief rauf und runter, haben wir teilweise auch nachgespielt)
    Pharoah Sanders – Message from Home (die auch)
    Michael Brecker – Tales from the Hudson (die war wichtig)
    Bob Belden plays Sting
    Hal Willner’s Weird Nightmare
    Holly Cole – It happened one night (redet kein Mensch mehr von, ich her die noch manchmal, vor allem die Tom Waits Covers)
    Cassandra Wilson – New Moon Daughter (ich fands teilweise gut, fand aber immer schon, dass Jazzgesang mehr was fuer aeltere Herren ist)
    Bernard Purdie – Soul to Jazz
    John Abercrombie – Open Land (ein Geschenk, schlug nie ein)
    Dave Holland – Not for Nothin (same)
    Kenny Wheeler – Angel Song (die schlug ein)
    Ernie Watts – Unity (mit Geri Allen, Jack deJohnette… die bekam ich irgendwo umsonst und hab sie nie viel gehoert)
    Brad Mehldau – Songs. Art of the Trio Vol 3 (die war wichtig)
    David Torn – What means solid, traveller? (die Sorte Album, die einem Ruesenberg schmackhaft machte…)
    Charlie Mariano – Sketches of Bangalore (mit der WDR Big Band, etwas zu spaet, da war ich im Oktober 2000 beim Konzert in der Philharmonie gewesen)
    David Murray – Creole (Jahre spaeter hab ich begriffen, dass man auch Teofilo Chantre Alben hoeren kann, wenn einem vor allem die Gesangsstuecke gefallen)
    Uri Caine – Urlicht / Primal Light (gefiel mir super, ich fand Mahler auch so gut)
    John Zorn – Filmworks III (fand ich toll, leider reichte das Budget nicht fuer mehr Zorn)
    Don Byron plays the Music of Mickey Katz (Klezmatics fand ich auch gut)
    Great Jewish Music: Serge Gainsbourg (meine Tzadik CD, die lief extrem viel)
    Ned Rothenberg Double Band – Real and Imagined Time (hatte ich im Radio aus Moers gehoert)
    Louis Sclavis – Danses et autres scenes (komische Wahl fuers einzige Sclavis Album, inzwischen hab ich ein paar mehr)

    Konzerte waren schon auch wichtig damals, anfangs im Stadtgarten, spaeter hab ich das Loft entdeckt, was ein grosser Schritt war, die Preise waren besser und als 18jaehriger im Loft fuehlte man sich doch sehr viel weniger deplatziert als als 15jaehriger im Stadtgarten… Im Stadtgarten hab ich Don Byron mit Uri Caine gesehen, mein erstes Jazzkonzert, Vistor Bailey mit Kenny Garrett, Bill Evans (den Saxophonisten), Dewey Redman mit Rita Marcotuli, Cameron Brown und Matt Wilson, Nicolas Simion (das war der Hammer, ein Quartett mit Paul Shigihara (g), Martin Gjakonowski (b), Ramesh Shotam (perc), ein Jammer, dass es kein Album in der Besetzung gab), Peter Broetzmann, und einige mehr… im legendaeren Subway bin ich einmal gewesen, Alan Skidmore, aus dem Loft erinner ich erstaunlich wenig, Frank Gratkowski trat oft auf, Simon Nabatov, Matthias Schubert, Nils Wogram, Hayden Chisholm konnt man regelmaessig hoeren, Dave Douglas und Ellery Eskelin hab ich mehrfach gehoert, ein Highlight war Tim Berne mit Marc Ribot und Baikida Carroll… es gab ein tolles Soloset von John Taylor im Rahmen der Triennale, Nicolas Simion hab ich noch oefter gesehen, Claudio Puntin, Marc Charig war mal dort… ab irgendwanngab es dort auch eine Serie mit Mainstream Jazz, das Martin Sasse Trio fand ich immer prima, die waren so die Basisrhythmusgruppe fuer die Art Musik in Koeln… Lee Konitz konnte man oefter hoeren, der wohnte ja damals genau wie Charlie Mariano bei uns… in der Tonhalle in Duesseldorf gab es Cassandra Wilson, das war ein komisches Konzert aber nicht schlecht… Moers haben wir uns 1999-2001 jeweils einen Tag geleistet, David Murray gab es dort, Louis Sclavis, ein Robert Wyatt Tribute Projekt (Canterbury Fan war ich schon ganz zu Anfang, mein Vater hatte unter seinen sieben Schallplatten zwei von Soft Machine, er sagte, das sei eine niederlaendische Band – er hatte auch nicht immer Recht… Karl Lippegaus hat damals tolle Sendungen zu Wyatt gemacht)

    So, laengster Post in Ewigkeiten – von sich selbst sprechen ist ja recht einfach… Demnaechst folgt hoffentlich noch was zu den 90ern Alben, die ich heutzutage gut find… Kikuchi, Weston, vieles vom besten hab ich damals verpasst, oder nicht verfolgt, an Tethered Moon im Radio kann ich mich schon erinnern…

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    #11784291  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

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    redbeansandrice
    Ungefaehr 1994 teilten mir meine Eltern mit, dass ich Jazzfan sei.

    ganz groß, vielen dank, du solltest öfter lange texte schreiben ;-)

    muss mir die einzelnen hinweise später nochmal genauer ansehen…

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    #11784309  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 3,984

    Das mit der Klassik kenne ich, mein Vater kannte sich da besser aus, konnte Beethoven u.a. spielen. Daher kommt auch meine Begeisterung für Teddy Wilson und ein paar andere Sachen. Beste Radiosendung hatte ich um 1990/94, wo Bertha Hope, Shirley Horn und u.a. Sachen von Ry Cooder liefen, vielleicht auch noch Charles Gayle und einiges mehr. Als Du im Kindergarten warst, hatte ich schon Bobby McFerrin, Oscar Peterson und vielleicht Jimmy Smith oder Miles gehört, vielleicht sogar ein Jahr früher. Spätestens 1988/89 hatte ich Eric Dolphy gehört, genau weiß ich das nicht mehr. Interessant ist ja auch, wie sehr ein Image manchmal zieht (Gene Krupa als Beispiel, manche Musiker kannten ihn aus Filmen). Bei mir war das wohl Glenn Miller, oder der Schauspieler, der ihn spielte.

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    #11784341  | PERMALINK

    atom
    Moderator

    Registriert seit: 10.09.2003

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    Vielen Dank für diesen tollen Thread mit sehr bereichernden und persönlichen Beiträgen. Ich habe aktuell leider wenig Zeit, um auf einzelne Beiträge einzugehen oder einen eigenen Beitrag beizusteuern. Das werde ich aber nachholen, ein erstes Mindmap ist schon skizziert.

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    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #11784369  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,005

    atomein erstes Mindmap ist schon skizziert.

    bin sehr gespannt!

    --

    #11784393  | PERMALINK

    hat-and-beard
    dial 45-41-000

    Registriert seit: 19.03.2004

    Beiträge: 20,425

    vorgarten

    redbeansandrice
    Ungefaehr 1994 teilten mir meine Eltern mit, dass ich Jazzfan sei.

    ganz groß, vielen dank, du solltest öfter lange texte schreiben

    Ja, toll! Und sehr interessant, wie der ganze Thread.
    Kann hier nichts beitragen (tue ich ja aus Zeitgründen sonst auch nicht), meine Jazzbiografie beginnt im Herbst ’99, und zwar erstmal ausschließlich mit Klassikern (nicht, dass sich daran viel geändert hätte).

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    God told me to do it.
    #11784443  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

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    danke euch! hier noch der zweite post: woran ich heute denke, wenn man mich nach Jazz aus den 90ern fragt…

    bin fast ein bisschen ueberrascht, wie sehr die Wahrnehmung doch in weiten Teilen nach Labels geht, Compilations hatten damals ja auch noch eine ganz andere Bedeutung, weil man wirklich nicht mal eben reinhoeren konnte… Label Bleu und Gitanes aus Frankreich, Between the Lines, Winter & Winter und ECM aus Deutschland, Hatology, die Fresh Sound Eigenproduktionen…

    zunaechst vielleicht Label Bleu… etwas spaeter in den 00er Jahren gab es dort Steve Coleman, David Krakauer (dessen Tzadik Album Klezmer Madness aus den 90ern ich oben vergessen hab, das ist super)… in den 90ern war Romano/Sclavis/Texier gross auf Label Bleu daneben Alben von Sclavis (Ceux Qui Veillent La Nuit!) und vor allem Texier, der einen Lauf hatte (An Indian’s Week, Mad Nomads, Remparts d’Argile…)

    Gitanes: die Serie von Randy Weston ist das erste, woran ich bei Jazz aus den 90ern denk, die von Bheki Mseleku das zweite, die Lou Levy und Christian Escoude Alben sind zwei starke Serien, Helen Merrill mit und ohne Kikuchi, die Hank Jones / Charlie Haden Duette, Stan Getz People Time, die Teddy Edwards Alben … Generell findet sich in den production credits von Jean-Philippe Allard viel vom besten Jazz der 90er, Akosh S Unit springt mir dort zB gerade ins Auge, fand ich damals super, vorhin vergessen muss ich mal wieder hoeren

    Between the Lines: gehoert vielleicht fast mehr in die 00er Jahre als in die 90er, aber Affair with Strauss von Franz Koglmann und das Enrico Rava / Ran Blake Album mag ich sehr, und die sind aus den spaeten 90ern… damals 1999 in Moers hat mir ein Labelvertreter eine Compilation in die Hand gedrueckt, die hab ich sehr geliebt…

    Winter & Winter: Masabumi Kikuchi ist inzwischen ja einer meiner absoluten Lieblingsmusiker, von ihm gibt es einiges aus den 90ern, das fantastisch ist, hatten wir es ja schon oefter von… nicht nur auf Winter & Winter, wo einige der Tethered Moon Alben sind, aber auch… schon damals hoerte ich Charms of the Night Sky von Dave Douglas, das leg ich noch gelegentlich auf, und Urlicht von Uri Caine.

    ECM: schwieriges Thema fuer mich, da hat sich ueber die Jahre auch durch das Forum hier viel verschoben… Litania von Tomasz Stanko war immer gesetzt, Angel Song von Kenny Wheeler auch, Oneness von Jack DeJohnette eine neuere Entdeckung, Nothing Ever Was Anyway haengt irgendwo dazwischen… mittelfristig hoff ich ja, mich mal gescheiter mit dem Jarrett Standards Trio auseindersetzen zu koennen… aber klar, At the Blue Note ist riesig…

    Hatology: diese CDs waren ja kaum zu uebersehen… das Ellery Eskelin Trio mit Andrea Parkins und Jim Black war fuer mich eine der grossen Livebands der 90er… ich hab immerhin acht seiner 90er Alben, vielleicht mehr als von irgendwem sonst, aber das Highlight bleibt The Sun Died mit Ribot und Wollesen auf Soul Note… was ich zB auch echt mag ist Snijbloemen von Theo Joergensmann… oder die Clusone 3 Alben (Michael Moore / Ernst Reijseger / Han Bennink) oder das Horace Silver Tribute von Ran Blake, das Anthony Ortega Trio mit Mike Wofford… The Dark Tree von Tapscott natuerlich auch

    was gab es noch in Europa… die letzte Serie von Barney Wilen Alben, damals natuerlich noch nicht verfolgt, das kam spaeter durch .org… die spaeteren Alben von Guenter Klatt, erst in den letzten Jahren entdeckt… auch in den Uebergang von den 80ern in die 90ern gehoeren ein paar tolle Fresh Sound Eigenproduktionen mit West Coast Veteranen wie Frank Strazzeri, Paul Moer, Curtis Amy, die ich alle sehr mag…

    und aus Amerika… kenn ich nicht so viel, Banned in New York von Greg Osby ist natuerlich klasse, die beiden Cassandra Wilson Alben, die jeder kennt, kann ich nicht mehr so gut hoeren, genau wie das Brad Mehldau Trio, wobei ich da eventuell nochmal nachhaken will… die beiden David Murray Alben, von denen wir es gestern hatten, Fred Anderson… Soul Eyes von Mal Waldron hab ich mir damals nicht leisten koennen, neulich erst gekauft, und auch die 90er Andrew Hill ALben hab ich erst viel spaeter nachgekauft…

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    #11784463  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,059

    Sehr schön @redbeans! Danke für diese Einblicke.

    Vieles verlief bei uns ähnlich (die Ernsthaftigkeit, das Jazz-Buch, die Liste mit den Saxophonisten, das eine Album pro Künstler, das erstmal reichen musste, die Blockflöte, die Klarinette, dann die scheuen Versuche von Saxophon-Soli in der Big Band der Schule … das mit den Klassen krieg ich aber nicht hin – hier wird jeweils von vorn neu gezählt, also Kindergarten 1-2, Primarschule 1-6, Gymnasium 1-6 1/2 – heute bis 6).

    Anderes lief anders: meine Eltern unterstützten zwar, was ich tat, aber abgesehen von dem, womit sie sich befassten und was ich logischerweise mitkriegte, liessen sie mich einfach machen (wie ich auf das Jazz-Buch kam, weiss ich nicht mehr, vermutlich über eine Bibliothek, was ich noch weiss: wie ich meinen Vater, als er in den Neunzigern beruflich nach London musste, darum bat, mir den Penguin Guide to Jazz on CD mitzubringen – 3rd Edition, laut Amazon vom März 1999, ich hab sie also mgwl. erst 2000 erhalten). Immerhin hatte ich auch mit 16 nie Schwierigkeiten, mein Ding zu tun, weil da nichts (oder sehr wenig) dabei war, worüber sie sich Sorgen machen mussten (am Samstagabend mit 15 zu den Backstreet Boys in die böse Stadt, das war dann meine Schwester, die das wollte, und mir lange vorhielt, dass ich diesbezüglich für sie keine Bahn gebrochen hatte :unsure: )

    Das Holly Cole-Album steht übrigens bei mir oben auch drin, war tatsächlich das eine, das ich in den Neunzigern schon kannte und regelmässig hörte (ich hatte noch ein oder zwei weitere auf Kassette überspielt).

    Bei Ran Blake hatte ich noch überlegt (bei beiden Listen, der damaligen wie der aus dem Rückblick), ob ich das Silver-Album aufnehmen sollte – aber ich liess es dann, weil ich es wohl 10 Jahre nicht mehr gehört und andere Blake-Vorlieben entwickelt habe (weniger 90er-lastig).

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11784473  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,865

    redbeansandriceFrank Gratkowski trat oft auf, Simon Nabatov, Matthias Schubert, Nils Wogram, Hayden Chisholm konnt man regelmaessig hoeren

     
    Das ist ziemlich genau das Programm der letzten zwei Wochen. Bis auf Gratkowski, der kommt am 23. ;-)

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11784479  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,059

    nicht_vom_forum

    redbeansandriceFrank Gratkowski trat oft auf, Simon Nabatov, Matthias Schubert, Nils Wogram, Hayden Chisholm konnt man regelmaessig hoeren

    Das ist ziemlich genau das Programm der letzten zwei Wochen. Bis auf Gratkowski, der kommt am 23.

    Im Loft sind Zeitreisen möglich ;-)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11784567  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,005

    redbeansandriceDamals dachte ich, es sei Teil meiner Aufgabe als Jazzfan, mich auch mit der aktuellen Musik auseinanderzusetzen, und so fing ich an Jazz Thing zu lesen, und die Neuerscheinungen zu verfolgen… am Ende kaufte ich aber dann doch meisten die alten Sachen – warum soll man sich die hochgepriesene neue Till Broenner CD kaufen, wenn man fuer den halben Preis ein Miles Davis Album kriegt, das tendentiell sogar noch besser ist? Als ich 2006 wieder mit Jazz anfing, hab ich neuere Entwicklungen dann zunaechst bewusst ausgeklammert… Aber als Schueler dachte ich noch, die Gegenwart gehoert logischerweise dazu… Dabei ist die Geschichte doch so viel reicher an toller Musik als die Gegenwart, das ist schon wegen den zeitlichen Verhaeltnissen logisch…

    da würde ich einwenden (eher einwerfen), dass man mit der gegenwärtigen musik ja die gleiche welt teilt – im schlimmsten fall auch mit til brönner… ich hatte aber immer wieder mal (bis heute) die wahrnehmung, dass im jazz auch andere aktuelle musiken mitschwingen, die mich interessieren, wo ich dann merke, dass die musiker:innen auch sowas hören. sowas kriege ich bei historischen aufnahmen kaum rekonstruiert (kannte zoot sims sister rosetta tharpe? usw.). insofern kann ich mir vijay iyer erklären, bestimmte wellen von drummern, kriege auch ein chamäleon wie kris davis zu fassen, und weiß, was brönner offenbar alles nicht hört…

    redbeansandrice
    Steve Coleman – A Tale of Three Cities (bei Evans fand ich Rapper super, hier war mir das zuviel Gerede und zu wenig Musik)

    ja, da musste ich mich auch kurz neu justieren, lippegaus hatte auch (als fan) so seine probleme damit, kann ich mich erinnern… hast du coleman mal live gesehen?

    redbeansandrice
    Cassandra Wilson – New Moon Daughter (ich fands teilweise gut, fand aber immer schon, dass Jazzgesang mehr was fuer aeltere Herren ist)

    autsch ;-)

    redbeansandrice
    Uri Caine – Urlicht / Primal Light (gefiel mir super, ich fand Mahler auch so gut)

    redbeansandrice
    Great Jewish Music: Serge Gainsbourg (meine Tzadik CD, die lief extrem viel)

    ja, die ist wirklich großartig.

    redbeansandrice Nicolas Simion (das war der Hammer, ein Quartett mit Paul Shigihara (g), Martin Gjakonowski (b), Ramesh Shotam (perc), ein Jammer, dass es kein Album in der Besetzung gab)

    simion sagte mir bis vor ein paar jahren gar nichts, bis ich BLACK SEA nachgekauft habe, weil da graham haynes, plaxico und burrage mitspielen. und das ist ja wirklich ein tolles teil, aus 1992… hab ich in meiner liste vergessen.

    --

    #11784591  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 13,483

    zum loft, ja, das hat sich schon langsam veraendert ueber die Jahre, aber dann auch nicht wirklich… es ist wirklich eine unfassbar grossartige Institution… und, @gypsy, ich denke, das mit dem Jazzfan werden war im Prinzip nur ein Vorschlag meiner Eltern, ich haette das nicht machen muessen, hab es allerdings auch nicht gross hinterfragt… :) @vorgarten, ne, Steve Coleman hab ich nie live gesehen, Greg Osby auch nicht, MBase live war denk ich fuer mich nur das Cassandra Wilson Konzert mit Lonnie Plaxico, und das war nicht mehr wirklich MBase… vielleicht war das tatsaechlich mein einziges Vocal Jazz Konzert (ausserhalb ggf von Festival Sets, wobei mir da gerade keins einfaellt)

    was fuer Musik hat Zoot Sims so gehoert… ich hab mich tatsaechlich oefter gefragt, wie sehr Leute wie Al Cohn oder Zoot Sims teil der Beat Generation waren, ob sie einfach nur stumpf vor sich hin improvisiert haben, oder sich als Teil einer kulturellen Bewegung sahen… Jack Kerouac war wohl ueber die Reaktionen der beiden nach der gemeinsamen Aufnahmesession enttauescht… was ja gut dokumentiert ist, ist, dass quasi alle unsere liebsten Hard Bop Musiker auch R&B gespielt haben, und sich fuer Klassik interessierten… die Einheit der Musik zerbrach erst mit den Beatles… so sagt man.

    Man teilt mit der gegenwaertigen Musik die gleiche Welt… da wuerd ich einwenden wollen, dass man sich auch mit der alten Musik die gleiche Welt teilt, dass Geschichte in Wellen passiert, dass manchmal die 70er naeher sind und manchmal die 80er… ich hab im Sommer 2000 zwischen Schule und Zivi ein Praktikum in einer Berliner Kulturinstitution gemacht um fuer mich selbst ein paar Sachen zu klaeren… und danach fuer mich beschlossen, dass ich mit Kultur professionell nichts zu tun haben will, dass die Intellektuellen andere Leute sind, dass die Musik, die ich hoere meine Privatsache ist, ein Hobby, dass meine Aufgabe nicht darin liegt, die Gegenwart zu leben, sondern, dass ich einfach nur immer die beste Musik hoeren will… und natuerlich hat das so nicht geklappt, und natuerlich ist es nicht so einfach… und tatsaechlich koennte man sagen, dass die Anmeldung hier im Forum vor 13 Jahren so ein bisschen einen Bruch mit dieser Idee war, ich auessere mich ja schon semi-oeffentlich zu Musik… und tatsaechlich hab ich, auch durch deine Tipps, inzwischen Sachen aus der Gegenwart finden koennen, die fuer mich funktionieren… schoen ist ja auch, dass die Musiker der Gegenwart gelegentlich Konzerte geben… und natuerlich ist mir Ben van Gelder auf irgendeine Art auch 100 mal naeher als Zoot Sims… aber auch in der Vergangenheit gibt es noch unfassbar viel zu entdecken

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    #11784599  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,005

    redbeansandrice
    Man teilt mit der gegenwaertigen Musik die gleiche Welt… da wuerd ich einwenden wollen, dass man sich auch mit der alten Musik die gleiche Welt teilt, dass Geschichte in Wellen passiert, dass manchmal die 70er naeher sind und manchmal die 80er…

    na klar, ich habe in den 90ern schon eine erste liebesaffäre mit der mwandisi-band gehabt, die hatte zemlich genau das im angebot, was mir damals im aktuellen jazz fehlte…

    und oben stand noch, dass ich URLICHT auch immer noch nicht aussortiert habe, ist verloren gegangen (die bemerkung, nicht das urlicht).

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    #11785105  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 5,865

    redbeansandricezum loft, ja, das hat sich schon langsam veraendert ueber die Jahre, aber dann auch nicht wirklich… es ist wirklich eine unfassbar grossartige Institution…

    @.redbeansandrice
    Mich freut im Moment ganz besonders, dass das Loft allem Anschein nach den Generationswechsel ganz ausgezeichnet hinbekommt. Hans Martin gibt das das Loft gerade Stück für Stück an seinen Sohn ab und letzterer scheint die Balance zwischen Tradition und Weiterentwicklung wirklich gut hinzubekommen.

    --

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11785513  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

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    Gestern hatte ich mir noch ein Interview mit dem Bassisten Earl May angeschaut, super sympathischer Typ, aber auch selbstkritisch. Er sprach z.B. dass das Gefühl für time sich verändert, wenn man älter wird, wie er zur Musik gekommen ist, dass er nervös war bei den Aufnahmen mit Coltrane usw. Wie wichtig es war den Drummer in der Nähe zu haben bei Aufnahmen. Der Unterricht bei Mingus war sehr wichtig, Mingus stolz auf seinen Schüler. Als Linkshänder hatte er es auch gar nicht einfach. Bei Interviews kann ich immer mal wieder Parallelen entdecken, weil hier ja auch einige ehemalige oder nicht so aktive Musiker schreiben.

    Auch beim Interview mit Eddie Marshall, wo erzählt wurde, dass der Vater im Stil von Teddy Wilson gespielt hatte (das kommt mir bekannt vor, denn Wilson war vielleicht ein bißchen sowas wie Vorbild für meinen Vater, zumindestens wurde sein Name öfters genannt. Ich weiß jetzt etwas mehr darüber.) Falls ich in naher Zukunft etwas mehr Zeit habe – was wohl nicht sein wird – hätte ich auf jeden Fall Interesse Schlagzeugunterricht zu nehmen. Vielleicht lässt es sich ja doch irgendwie einplanen, ich höre mich mal um wegen guten Lehrern.

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