Heinz Rudolf Kunze

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    declan-macmanus

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    Und wieder bin ich nicht einverstanden. Wenn das ein Rock-Album ist, dann finde ich Rock richtig schlimm.

    Das Newman-Plagiat ist zum Heulen (man hat nicht den Eindruck, dass Kunze irgendwas von der Beilläufigkeit, von dem Witz, von der Subtilität von Lover's Prayer begriffen hat – er stöhnt und geifert nur alles zugrunde).

    Ich habe mal mit Freunden eine Kunze-Nacht veranstaltet, in der wir in einer nicht anders als masochistisch zu bezeichnenden Kraftanstrengung das schlechteste und das erträglichste Kunze-Lied ermittelt haben. Kunzes bestes Lied: „Ich hab's versucht“ (gefolgt von „Alles gelogen“). Warum kann er nicht mehr solcher Lieder schreiben? Schon erstaunlich, wie man so eine Sternstunde haben kann.

    Die beiden schlimmsten Kunze-Lieder sind übrigens „Maikäfer flieg“ und „Pornos“.

    --

    Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]
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    #933567  | PERMALINK

    moontear

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    Originally posted by KritikersLiebling@19 Jun 2004, 13:54
    Gerade fällt mir Thomas „50 Jahre Gummi'n Roll“ Gottschalk wieder ein, der in der Sendung eine nicht gebaute Brücke von Dylan zu BAP zum Einsturz brachte. Scheiß Gedächnis.

    Hab die Show nicht gesehen (soll ich lachen oder weinen?), was hat Gottschalk da verbrochen?

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    If I'd lived my life by what others were thinkin', the heart inside me would've died.[/FONT] [/SIZE][/FONT][/COLOR]
    #933569  | PERMALINK

    kritikersliebling

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    muffkimuffki,

    ich stelle mich. Du kannst lesen, was ich in den Liedern finde. Wenn du eine andere Meinung hast, würde sie mich interessieren. So wirkst du nur als Opfer deiner abgrundtiefen Abneigung. It's your turn.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933571  | PERMALINK

    moontear

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    Originally posted by muffkimuffki@19 Jun 2004, 14:04
    Und wieder bin ich nicht einverstanden. Wenn das ein Rock-Album ist, dann finde ich Rock richtig schlimm.

    Das Newman-Plagiat ist zum Heulen (man hat nicht den Eindruck, dass Kunze irgendwas von der Beilläufigkeit, von dem Witz, von der Subtilität von Lover's Prayer begriffen hat – er stöhnt und geifert nur alles zugrunde).

    Ich habe mal mit Freunden eine Kunze-Nacht veranstaltet, in der wir in einer nicht anders als masochistisch zu bezeichnenden Kraftanstrengung das schlechteste und das erträglichste Kunze-Lied ermittelt haben. Kunzes bestes Lied: „Ich hab's versucht“ (gefolgt von „Alles gelogen“). Warum kann er nicht mehr solcher Lieder schreiben? Schon erstaunlich, wie man so eine Sternstunde haben kann.

    Die beiden schlimmsten Kunze-Lieder sind übrigens „Maikäfer flieg“ und „Pornos“.

    „Maikäfer flieg“ hat irgendwie noch ein kleines bisschen schrägen Charme.
    Die zweite Hälfte von „Alter Ego“ finde ich einschläfernd, belanglos, fürchterbar.

    --

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    #933573  | PERMALINK

    declan-macmanus

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    Originally posted by KritikersLiebling@19 Jun 2004, 13:09
    muffkimuffki,

    ich stelle mich. Du kannst lesen, was ich in den Liedern finde. Wenn du eine andere Meinung hast, würde sie mich interessieren. So wirkst du nur als Opfer deiner abgrundtiefen Abneigung. It's your turn.

    Dafür müsste ich sie nochmal im Detail durchhören – bei Zeiten werde ich das auch tun. Aber ich kann Dir prophezeien, es wird meine Abneigung nicht aufheben – ich werde sie vielleicht besser begründen können.

    --

    Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]
    #933575  | PERMALINK

    kritikersliebling

    Registriert seit: 08.07.2002

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    Originally posted by Moontear@19 Jun 2004, 14:08
    Hab die Show nicht gesehen (soll ich lachen oder weinen?), was hat Gottschalk da verbrochen?

    Er sagte, fast O-Ton, nachdem BAP den Sänger von Steppenwolf (nicht meine Musik, weiß nicht wie der heißt) bei „Born To Be Wild“ (BAP überraschend frisch, wahrscheinlich nicht so oft geprobt und deshalb nicht so glatt) begleitetet hatten, in der Anmoderation für BAP irgendwas von ganz dem Großen in der Rockmusik (Dylan), der eine Brücke nach Köln geschlagen hätte. Oder so ähnlich. Jetzt bin ich doch froh, es nicht mehr ganz genau zu wissen.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933577  | PERMALINK

    kritikersliebling

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    Originally posted by muffkimuffki@19 Jun 2004, 14:14
    Dafür müsste ich sie nochmal im Detail durchhören – bei Zeiten werde ich das auch tun. Aber ich kann Dir prophezeien, es wird meine Abneigung nicht aufheben – ich werde sie vielleicht besser begründen können.

    Du sollst sie auch nicht besser finden, wenn es nicht so ist, nur besser begründen, sehr richtig.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933579  | PERMALINK

    moontear

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    Originally posted by KritikersLiebling@19 Jun 2004, 14:14
    Er sagte, fast O-Ton, nachdem BAP den Sänger von Steppenwolf (nicht meine Musik, weiß nicht wie der heißt) bei „Born To Be Wild“ (BAP überraschend frisch, wahrscheinlich nicht so oft geprobt und deshalb nicht so glatt) begleitetet hatten, in der Anmoderation für BAP irgendwas von ganz dem Großen in der Rockmusik (Dylan), der eine Brücke nach Köln geschlagen hätte. Oder so ähnlich. Jetzt bin ich doch froh, es nicht mehr ganz genau zu wissen.

    Gottschalk redet manchmal schon konfuses Zeug. :rolleyes:
    Steppenwolf? War das John Kay?

    --

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    #933581  | PERMALINK

    kritikersliebling

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    Originally posted by Moontear@19 Jun 2004, 14:16
    Gottschalk redet manchmal schon konfuses Zeug. :rolleyes:
    Steppenwolf? War das John Kay?

    Zweimal „ja“.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933583  | PERMALINK

    kritikersliebling

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    Gibt es einen Traum, den Sie immer wieder träumen?
    Ja, ich stehe morgens auf, gehe ins Badezimmer und an den Kacheln stehen alle Klosprüche der Autobahnraststätte Wildeshausen-Ost.

    Heinz Rudolf Kunze – Brille

    Die Verschwörung der Idioten
    Aufstehn
    pissen gehn
    schaudernd in den Spiegel sehn
    Donnerstag
    Zahnbelag
    überwiegend Niederschlag
    Spät dran
    Dusche an
    kalter Strahl auf alten Mann
    Kaffe stark
    Frühlingsquark
    Biber nagt am Rückenmark

    Wenn das hier schon das Leben ist-
    was machen dann die Toten
    Wer kennt sich hier aus?
    Wer hilft mir hier raus
    aus der Verschwörung der Idioten?

    Radio
    klingt wie Klo
    Wirbelsturm in Mexiko
    UFO rammt
    Kanzleramt
    Deutschlammt einig Vaterlammt
    Titelblatt
    Lügen satt
    Bonn die Lumpensammlerstadt
    Zug entgleist
    Blutdruck beißt
    leider nach Diktat verreist

    […]

    Stoßverkehr
    kann nicht mehr
    trink erst mal den Kühlschrank leer
    nimm doch den
    schlafen gehn
    ausgeknockt die Sterne sehn
    […]

    Kommentar:
    Zunächst dachte ich an „Dillingers Luftschiff“, doch das lernte ich viel später erst kennen und ist anders als dieser Text. HRK hat es eilig, könnte es schon der beginnende Herbst des Lebens sein? Das Ende des rockenden Lebensabschnitt. Wer ihn noch immer als Liedermacher, resp. Niedermacher haben möchte wird abermals enttäuscht werden. Lebensumstände, Politik, Herrenphantasien. Alles wie immer, aber in einer neuen Darreichungsform. Das macht alles nicht wirklich gut, vertuscht aber die Schwäche.

    Wenn du nicht wiederkommst
    Ich trinke zu laut
    und ich rauche zu tief
    und ich weiß nicht mehr wann ich
    zum letzten Mal schlief
    mein Latein ist am Ende
    mein Verstand ist zur Kur
    eine Wohnung voll Treibsand
    lauter Schaum auf der Uhr
    Die Nachbarschaft findet
    mich schon skandalös
    und ich glaub ich werd allmählich
    allmählich porös

    Wenn du nicht wiederkommst
    wenn du nicht wiederkommst
    uh-huh-huh-huh-uh-huh-huh-huh
    wenn du nicht wiederkommst
    […]

    Kommentar:
    Soviel Blut für einen Sieg und ich vermisse dich so sehr. Hier wird eine Zeile zu einem Lied. Sehnsucht, all überall, Es fängt gut an, mit dem lauten Trinken. Alkohol löst die Zunge, Rauch wird tief inhaliert, ein schönes Bild mit dem Treibsand und dem Schaum, Regisseure hätten ihren Spaß, doch dann wird es wieder Karnevalsgereime. Was interessiert mich die Nachbarschaft und „porös werden“ ist eine Floskel wie alle, ohne Aussicht auf Langlebigkeit. Aber der Song groovt, aber grooven war ja dann auch modern. Sexy!

    Alles gelogen
    Daß ich dich liebe
    mehr als mein Leben
    Tag für Tag neu
    und so wie du bist
    Daß ich dich brauche
    weil du mir Kraft gibst
    weil du mich auffängst
    und mich verstehst

    Alles gelogen
    all diese Jahre
    und jetzt ist es soweit
    jetzt kann ich nicht mehr
    […]
    All diese Jahre
    die vor uns liegen

    Kommentar:
    Eine grausame Erkenntnis, die ihren Zynismus erst im Refrain entlädt. Alles gelogen. So etwas möchte ich niemals sagen müssen, denn dann hätte ich mich wohl schwer vertan. Dem anderen es so bequem wie möglich machen ist durchaus nicht erstrebenswert, denn wie oft meint es jemand gut und liebt am Thema vorbei. In dieser Ballade ist er seinem Vorbild sehr nah, ja ebenbürtig. Endlich einmal. Im Booklet auf Seite fünf sieht man schon den Draufgänger vom kommenden Album.

    Kriegstanz
    Er sagte Kriegstanz
    Kriegstanz
    er sagte Kriegstanz
    Kriegstanz
    er sagte erst den kleinen Finger
    dann die ganze Hand
    er sagte erst die großen Städte
    dann das ganze Land
    er sagte erst die blonden Frauen
    dann die braunen Kinder
    er sagte morgen ausgestorben
    oder halbe Inder
    wenns ihm zu bunt wird
    wenns ihm zu bunt wird
    dann kennt er nichts
    eisenhart
    er sagte
    Kriegstanz
    er sagte
    Kriegstanz
    er sagte na nananana na nananana und
    er sagte na nananana na nananana und
    […]

    Kommentar:
    Hier ist er mir unverständlich. Alles gut getextet, aber wer ist er denn jetzt schon wieder? Der olle Bush und sein erster Golfkrieg? Alles so uneindeutig. Ich habe die Geschichte nicht im Kopf und HRK macht sie mir auch nicht plausibler. Will er nicht, muss er nicht, kann er nicht. Dieses Lied hätte live fürs Bierholen gereicht. Entbehrlich.

    Brille
    Der kleine Junge auf dem Topf hat
    sonderbare Träume:
    Die Augen weit wie'n Scheunentor für stille Zwischenräume.
    Die Dinge interessier'n ihn nicht, nur
    ihre langen Schatten,
    und was sie seinem Märchenkopf an
    Einsamkeit gestatten.
    Ein enges deutsches Zimmer unter
    Adenauers Himmel –
    Ruth Leuwerick als Titelbild,
    Er spricht mit ihr, er küßt sie wild,
    und spielt mit seinem Pimmel.
    Hier geht nichts mehr. Der Sack ist zu,
    Die Claims sind längst vergeben,
    Der Vater kam zu spät vom Krieg und
    wärmt sein nacktes Leben.
    Die Mutter schüttet Gräber zu, näht
    jede Nacht ein Sprungtuch,
    nennt nie das Kind beim Namen und
    Männerwünsche UNFUCH
    Dad träumt von Peter Frankenfeld und
    manchmal von Mephisto:
    „Mach's besser Junge, sei kein Schaf.
    Ich bin kein Boss
    und auch kein Graf – nicht mal von Monte Christo.“

    Du mußt besser sein, Brille,
    besser als der Rest.
    Du kriegst keinen Vorsprung,
    sie nageln Dich am Boden fest.
    Sie zertrampeln Deine Gläser,
    sobald Du sie läßt –
    Du mußt besser sein, Brille,
    besser, viel besser als der Rest.

    Ein krüppeldickes Kellerkind mit furchtbar guten Noten.
    Die andern spielen Fußball und belächeln den Idioten.
    Sie schreiben gerne ab bei ihm, er riecht nach Kraut und Rüben,
    er ist nicht ganz von dieser Welt, er ist ja auch von DRÜBEN.
    Im Radio John Lennon, auch so'n schräger
    Brillenspinner,
    der zeigt, daß Noten Töne sind, ein
    Notausgang für'n kluges Kind
    und Träumer sind Gewinner.

    Du mußt besser sein Brille,
    besser als der Rest.
    Du kriegst keinen Vorsprung,
    sie nageln Dich am Boden fest.
    Wie Freiwild gehetzt
    und gemocht wie die Pest –
    Du mußt besser sein Brille,
    besser, viel besser als der Rest.

    Jemand hält den Vorhang fest,
    jemand löscht dauernd das Licht,
    der Dirigent liest Liebesbriefe,
    Porzellan zerbricht
    Schwalben schneiden durch die Luft,
    das Publikum trägt Helme,
    „Voller Bauch gibt schlechten Rat“,
    grunzen fette Schelme …
    Der Lehrer fragt beim Abitur: Wo woll'n Sie hin auf Erden?
    Zum Dichter, sagt er donnernd. Na,
    das kann ja heiter werden.
    Die andern gehn zur Bundespost, er kämpft mit der Gitarre.
    Wenn er sie auf der Straße trifft: Ein
    Hauch von Leichenstarre.
    Ein Mädchen küßt ihn manchmal auf
    die viel zu große Klappe.
    Er schwärmt ihr seine Lieder vor,
    sie ist ganz hin, sie ist ganz Ohr,
    ansonsten nicht von Pappe.

    Du bist besser dran Brille,
    besser als der Rest.
    A-Dur und vier Viertel,
    und Rock 'n' Roll als Härtetest.
    Die andern schon scheintot,
    Du springst aufs Podest –
    Du bist besser dran, Brille,
    besser, viel besser als der Rest.

    Kommentar:
    Die Musik, es ist die Musik, die klingt anfangs wie Nostalgie, um dann in die Neuzeit überschwenkt und Fahrt aufnimmt. Das ist schon ein magischer Moment, zwei Filme laufen nebeneinander. Links und schwarz-weiß der Text mit HRK in klein und rechts in Farbe und modern, der erwachsene Musiker. Situationen wiederholen sich gleichzeitig öfters in den sieben Minuten. Hier kickt HRK auf jeden Fall meine Phantasie. Großartig, und teilweise eben auch wie bei mir. Auf jeden Fall ist der letzte Refrain endlich mal ein positiver Ausblick und Mut machend für alle, die sich klein fühlen.

    Was wirklich zählt
    Wenn der Mond seine Falten
    zwischen schwarzen Flügeln verbirgt
    wenn der taumelnde Gaukler
    sein Recht auf deinen Beifall verwirkt
    wenn die Brandung des Blutes
    sich müde am Herzufer bricht
    führt kein Weg mehr nach Rom
    und jede Kurve beschreibt dein Gesicht
    Wenn das Faustrecht der Träume
    alle Sorgen mit Tarnfarbe streicht
    wenn der Schluß zweier Hände
    die offene Rechnung begleicht
    wenn die Sehnsucht so groß wird
    daß es vorne und hinten nicht reicht
    überschwemmt mich dein Lächeln
    und der Stern auf meinen Schultern wird leicht
    Was wirklich zählt
    ist nur das was zu ändern ist
    ist das Urteil das der Richter vergißt
    zu verkünden
    was wirklich zählt
    (alles andere wird sich finden)
    was wirklich zählt am Abend der Welt
    ist alles das was du für mich bist

    Wenn der taube Torero
    den wilden Stier von hinten nicht hört
    (seine Klinge ist rostig
    und auch sonst macht er alles verkehrt)
    wirfst du zehntausend Rosen
    in die Arena und verschüttest das Tier
    steigst hinab und sagst leise:
    Komm mein Held was sollen wir hier
    […]

    Kommentar:
    Das Intro ist grausam. Tschaka-Tschaka-Gitarre, eine klagende Bluesharp, die keine Stimmung entfacht. Der Text klingt vordergründig interessant, aber diese „wenn – dann“-Stellen, dazu noch aufgezählt, um sie in einer Zeile mit einer Antwort aufzulösen ist ganz große Hirnschmelze. „Wenn das Faustrecht der Träume alle Sorgen mit Tarnfarbe streicht“. Zu viele Variablen machen es nicht gleichzeitig flexibler. Doch dann, ich wollte schon nicht mehr dran glauben, kommen vier Zeilen, die alles wieder aufwiegen: „wenn die Sehnsucht so groß wird, dass es vorne und hinten nicht reicht überschwemmt mich dein Lächeln und der Stern auf meinen Schultern wird leicht“ Hat man jemals etwas schöneres gehört. Ich habe einen Papierkorb voll mit zerknülltem Papier. Etwas später malt er noch ein weiteres Bild, das zeigt, was wirklich zählt. So ist es, ein Song voller Poesie.

    Doktor Doktor
    Doktor
    meine Psychosen
    sind wilde Rosen
    der Riß wird breiter
    Doktor
    ich trage Narben
    in allen Farben
    so gehts nicht weiter
    Der Hamster jagt durchs Riesenrad
    sein dünnes Fell fängt Feuer
    Picasso malt sein EKG
    und guter Rat ist teuer
    […]
    Doktor ich mach keinen Sinn
    mach daß ich ein andrer bin
    Doktor wenn du alles weißt
    sag mir wie der Zauber heißt
    die Stadt hier ist zu klein für uns
    sie muß sich jetzt entscheiden
    Doktor Doktor
    Doktor Doktor
    einer von uns beiden
    mach daß ich ein andrer bin
    Doktor wenn du alles weißt
    […]

    Kommentar:
    Rock’n Roll, nich’? An dieser Stelle hat der Rock’n Roll allerdings ein Problem. Es fehlt so was wie Gefühl und Nachvollziehbarkeit. HRK rockt für sich allein, baut sich aber eine schöne Melodie in seinen Refrain. Der Text ist belanglos, es gab den wohl nicht in einfacher. Er berührt mich nicht. Die Musik ist ganz passabel.

    Der Abend vor dem Morgen danach
    Komm in meine Arme,
    wag dein ganzes Glück.
    Fall mir in die Hände,
    schau nicht mehr zurück.
    Wirst ein Raub der Flammen,
    wenn's dich traurig macht.
    Brenn an beiden Enden,
    leuchte durch die Nacht.
    Erinner' mich dran in tausend Jahren,
    was ich dir heute versprach:
    Dies wird der Abend,
    dies wird der Abend
    vor dem Morgen danach.
    Laß uns nicht mehr warten,
    leise keucht die Uhr.
    Keiner, der allein ist,
    findet unsre Spur.
    […]

    Kommentar:
    Erst denke ich an „Highlander“ oder „Wir waren noch Kinder“, aber dann wird es klar. Dieses Lied ist die Light-Version von Subway To Sally und deren Konsorten. Ein Barde unter den Mittelalterlichen. Vielleicht ist da auch HRKs Wortschatz zu finden. Ein Liebeslied der anderen Art, geheimnisvoll, wild, in Wäldern versteckt. Hier wird nicht gekeucht, dass spart er sich aus, aber darauf läuft es wie immer hinaus.

    Tausendschön
    Du bist zur Tür gegangen
    du hast an nichts gedacht
    es hat geklingelt
    du hast aufgemacht
    der Mann mit der Pistole
    sieht aus wie du und ich
    erst will er dein Geld
    und dann will er auch dich
    Er treibt dich durch die Wohnung
    er schlägt dich grün und blau
    er zwingt dich zu tanzen
    er nimmt dich zur Frau
    er gießt dir heißes Wasser
    ins gefesselte Gesicht
    du schreist nein ich träume
    das gibt es doch nicht

    Tausendschön
    Schaum vor dem Mund
    Tausendschön
    geprügelter Hund
    Tausendschön
    kommst von weit her
    Tausendschön
    Tropfen im Meer

    Du öffnest die Augen
    von Zittern geweckt
    wer hat diesen Säugling
    in deinen Kissen versteckt
    schneeweiß schweißgebadet
    er steht unter Strom
    dies ist nicht deine Wohnung
    dies ist ein brennender Dom
    […]

    Tausendschön
    Brücken gesprengt
    Tausendschön
    Schiffe versenkt
    Tausendschön
    Lichtspruch in's All
    Tausendschön
    Adern wie ein Wasserfall
    Tausendschön
    Tausendschön

    Kommentar:
    Was zuerst auffällt ist diese Rhythmus-Gitarre, die mal eben das Riff von „Verdamp lang her“ zitiert. Demnach geht es um eine ältere Geschichte. Vielleicht. Ein Horrorfilm, Bilder, die beleben, die verängstigen, die schockieren. Dann ein Refrain, der im Gegensatz zur Strophe voller Melodie ist, aber auch nicht mehr kitzelt. Man überhört es einfach irgendwann, dabei gehört es dazu. Viel gewollt, etwas erreicht.

    Stirnenfuß
    Fiebernde Propheten machten Geld aus kleinen Kindern
    Münzen aus den Zähnen und Scheine aus der Haut.
    Hungrige Soldaten saugten Tränen aus Gewehren,
    kämpften mit den Schatten und der Wind war laut.
    Mannequins in Federn trugen würgend enge Gürtel
    beteten am Telefon und nippten Lotustee
    „Wozu gab man euch neun Leben? Seid ihr nicht unsterblich?“
    schrie ich und berührte sie – da waren sie aus Schnee
    […]
    Ich ging weiter,
    ohne Ziel und ohne Gruß,
    mit meinem Stirnenfuß.
    […]
    Ich sah dich nackt mit Freunden und mit Fremden.
    Du lachtest und du schworst, es sei für mich.
    Ich weinte schief und ließ mich von dir küssen.
    Ich glaubte dir aufs Wort und haßte dich.
    Ich ging weiter,
    ohne Ziel und ohne Gruß,
    mit meinem Stirnenfuß
    Ich ging weiter,
    und mit jedem Schritt verschwand
    ein Land.

    Kommentar:
    Kryptus galore? Ich glaube nicht. Irgendwas wird es bedeuten und soll es nur die Macht der Worte ausdrücken. Eine andere Apokalypse könnte es sein, so richtig schlau wird man nicht daraus. Schwenken wir also um zum Vortrag. Die Strophen kraftvoll und saftig wie die Sprache gesungen, der Refrain wieder melodienheischend. Dann die Überraschung, HRK schreit mit überschlagender Stimme „Ich glaubte dir aufs Wort und hasste dich!“ Das kommt mit so viel Inbrunst, als ob er seinen ganzen Zorn vorher im Text, jetzt hier gesanglich entlädt. Eine magische Stelle, die ich noch nie so deutlich gehört habe und die mich bewegt.

    Der alte Herr
    Ein Dorf in Südfrankfreich
    ein Wachturm in Polen
    jede Nacht wach ich auf
    und wir gehen sie holen
    Was billig und recht ist
    entscheidet der Sieg
    ihr kichernden Kinder
    erklärt mir den Krieg?
    Der alte Herr trinkt auf den Gang der Dinge
    auf jeden den der faule Frieden fällt
    der alte Herr sitzt nie am offnen Fenster
    hört Volksmusik und haßt den Rest der Welt
    Das Weiße im Auge
    des Feindes zu sehn
    heißt nichts als geduldig
    vorm Spiegel zu stehn
    Was gut und was schlecht ist
    ihr wißt es genau
    ihr seid mir zu eilig
    zu heilig zu schlau
    Der alte Herr bekommt noch viele Briefe
    aus Paraguay postlagernd nachgesandt
    aus Argentinien Chile und Brasilien
    und neuerdings aus seinem eigenen Land
    Kein Sand und kein Schneesturm
    kein Himmel kein Meer
    verwischt meine Spuren
    sie führen hierher

    Kommentar:
    Bevor ich mich erneut in die Nesseln setze, erst mal im Booklet nachgesehen. Nein, steht nichts weiter drin. Also wieder eine dieser Geschichten, die HRK irgendwo nachgelesen hat und nun verklausuliert als Inhaltsangabe wieder gibt. Na, das schafft Platz für Vermutungen. Wenn es hilft. Mir ist das zu anstrengend nach den gehörten Songs. Diese Zugabe hätte wirklich nicht sein brauchen.

    Ein sehr eigenwilliges Album. Es hat magische Momente, die unter Oberfläche versteckt sind. Es hat aber auch wieder Aussetzer, die einen guten Gesamteindruck verwässern. Kunzes Sprache istwieder durchsetzt von Fleichlicher Lust, lebenden Bildern und Ausflüge in die deutsche Geschichte. 3einhalb Sterne über alles, wobei „Alles gelogen“, „Brille“ und „Was wirklich zählt“ mehr als die Hälfte schon einfahren.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933585  | PERMALINK

    moontear

    Registriert seit: 20.12.2002

    Beiträge: 14,237

    „Brille“ ist eins der Alben, mit denen ich nie wirklich warm geworden bin. Ein paar gute Stücke (neben dem Titelsong noch Der alte Herr und Stirnenfuß), daneben viel Handwerkszeug und Füller. Das mit den magischen Momenten stimmt schon irgendwie, leider werden sie von zuviel Rumtatakrachern zugekleistert.

    --

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    #933587  | PERMALINK

    kritikersliebling

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 18,340

    Interessant, wir sagen dasselbe und nennen andere Songs.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933589  | PERMALINK

    moontear

    Registriert seit: 20.12.2002

    Beiträge: 14,237

    Originally posted by KritikersLiebling@19 Jun 2004, 16:57
    Interessant, wir sagen dasselbe und nennen andere Songs.

    Ja. Spricht aber eigentlich für ein abwechslungsreiches Album, oder?

    --

    If I'd lived my life by what others were thinkin', the heart inside me would've died.[/FONT] [/SIZE][/FONT][/COLOR]
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    kritikersliebling

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    Originally posted by Moontear@19 Jun 2004, 17:00
    Ja. Spricht aber eigentlich für ein abwechslungsreiches Album, oder?

    Ich habe es lebendig genannt, was aber aufs selbe heraus kommt. Auf jeden Fall stelle ich fest, dass es richtig Spaß macht, ihm zuzuhören. Egal ob er einem zeigen will, was er für tolle Wörter kennt, das zeige ich ihm auch oder wirklich mal den Finger auf die Wunde legt. Seine Bilder sind gut.

    Und das Brille-Cover ist eins seiner besten.

    --

    Das fiel mir ein als ich ausstieg.
    #933593  | PERMALINK

    moontear

    Registriert seit: 20.12.2002

    Beiträge: 14,237

    Originally posted by KritikersLiebling@19 Jun 2004, 17:05
    Ich habe es lebendig genannt, was aber aufs selbe heraus kommt. Auf jeden Fall stelle ich fest, dass es richtig Spaß macht, ihm zuzuhören. Egal ob er einem zeigen will, was er für tolle Wörter kennt, das zeige ich ihm auch oder wirklich mal den Finger auf die Wunde legt. Seine Bilder sind gut.

    Und das Brille-Cover ist eins seiner besten.

    Das Album passt gut als Nachfolger von „Gute Unterhaltung“, mit „Draufgänger“ wollte er sich dann ja weiterenwickeln, was zumindest teilweise gelang.

    Stimmt, das Cover ist recht gut. Gefallen tut mir auch dasvon „Ausnahmezustand“ (inkl. Rückseite). Aber insgesamt ist die Covergestaltung nicht so wirklich Kunzes Ding. :D

    --

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