Das Kinojahr 2021 (Achtung, kann Spuren von Spoilern enthalten)

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  • #11675001  | PERMALINK

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    Die beiden von fast (?) allen Kritikern so hoch gelobten Filme Nomadland und Rausch fand ich persönlich ja nicht so herausragend. Bei Rausch ist z. B. der Einstieg in den Alkoholismus („Ein psychologisches Experiment“) sehr künstlich, dass passt so gar nicht zum eher realistischen Rest des Films.

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      #11675681  | PERMALINK

      motoerwolf

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      nicht_vom_forumIch meine keine spontanen Entscheidungen der Personen, sondern Dinge/Handlungen, die nicht dazu passen, dass die Charaktere über ein Jahr in dieser Situation überlebt haben. Mir geht’s um solche Dinge wie den dramaturgisch erforderlichen Wasserfall, an den man geht, um sich mal gepflegt und ungestört anzuschreien, der aber von den Charakteren geflissentlich ignoriert wird, wenn es um so absehbar laute Dinge wie eine Geburt oder die Pflege eines Säuglings geht (oder auch nur um den Brettspielabend). Es gab noch massenhaft anderes (z. B. DEN NAGEL *facepalm* oder die allabendliche Festbeleuchtung), aber dafür müsste ich mir den Film nochmal ansehen, er ist ja jetzt auch schon eine Weile her.

      Das wäre dann wahrscheinlich wirklich Zeitverschwendung. Schließlich müssen wir nicht bei jedem Film auf einen Nenner kommen.

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      And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame
      #11675683  | PERMALINK

      motoerwolf

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      grievousangelIst ja auch was schönes. Bei dir haben schon mehr Filme aus vergangenem Jahr die perfekte 10 geknackt, als ich Werken aus dem gesamten aktuellen Jahrtausend vermutlich zugestehen würde, wenn ich in Punkten und nicht in Sternen bewerten würde. Da ist eine 10/10 für mich doch noch was anderes als fünf Sternchen, die ich natürlich auch nur selten vergebe. :) Bin schon gespannt, wie es weitergeht, keep up the good work!

      Erst Mal ein Dankeschön an dich!
      Wahrscheinlich haben wir völlig unterschiedliche Arten, einen Film zu bewerten. Zwei Filme mit 10/10 Punkten spielen bei mir nicht zwangsläufig in der selben Liga. Im Grunde bewerte ich Filme jeweils für sich, nicht, mit auf die große, weite Filmwelt. Wenn überhaupt, vergleiche ich innerhalb eines Genres / Sujets. Blick auf Wenn ich nicht zu bemängeln habe, warum sollte ich Punkte abziehen? Diese Einstellung führt dazu, dass selbst ein Schmarrn wie Monster Hunter volle Punkte bekommen kann. Der Film will nichts als unterhalten, und das gelingt ihm perfekt. Klar, nichts daran ist wirklich originell, aber das sind Bratkartoffeln auch nicht. Und wenn die gut gemacht sind, sind sie trotzdem ein Genuss, der auch schon mal die Höchstwertung verdient.

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      #11675685  | PERMALINK

      motoerwolf

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      plattensammlerDie beiden von fast (?) allen Kritikern so hoch gelobten Filme Nomadland und Rausch fand ich persönlich ja nicht so herausragend. Bei Rausch ist z. B. der Einstieg in den Alkoholismus („Ein psychologisches Experiment“) sehr künstlich, dass passt so gar nicht zum eher realistischen Rest des Films.

      Bei Der Rausch kann ich verstehen, dass jemand nicht komplett überzeugt ist. Bei Nomadland hingegen überhaupt nicht.

      zuletzt geändert von motoerwolf

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      #11675689  | PERMALINK

      motoerwolf

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      Der nächste Rutsch…

      Don’t Breathe 2 (Don’t Breathe 2, Rodo Sayagues, 2021)

      Diese Fortsetzung eines wirklich starken Horrorfilms ist auf der optischen Ebene noch etwas drastischer geraten als das Original und hat völlig zurecht eine FSK 18-Freigabe erhalten. Mein innerer Gorehound wurde also auf jeden Fall befriedigt. Darüber hinaus ist DB2 ein spannender und fesselnder Film geworden, der Genrefreunden eigentlich alles bietet, was sie mögen. Dennoch bin ich nicht ganz glücklich. Am ersten Teil begeisterte vor allem die Figur des blinden Norman, der zunächst als einfaches Opfer erscheint, sich aber ganz schnell als wehrhaft herausstellt und schließlich sogar vom Opfer zum Täter wandelt. Das war ein cleverer Twist und hat den Home-Invasion-Thriller massiv aufgewertet. In Teil 2 sieht das anders aus. Zwar ist Norman noch immer ein eher düsterer Typ, doch er ist sehr viel deutlicher die Heldenfigur des Films. Das nimmt dem Film die Ambivalenz des Vorgängers und damit auch dessen Wucht. Zwar gibt es auch hier wieder einen ‚bösen‘ Twist, doch diesmal ist dieser so vorhersehbar, dass zumindest ich nicht besonders überrascht war. Für sich betrachtet ist DB2 aber immer noch ein Film, der einiges richtig macht, daher gebe ich trotz der Meckerei noch 6/10 Punkten.

      Dune (Dune, Denis Villeneuve, 2021)

      Ich habe so lange auf eine gute Verfilmung dieses Romans, den ich sehr liebe, gewartet. Lynchs Version hat mich nie begeistern können, was so ziemlich die positivste Formulierung ist, die ich dazu finden kann. Jodorowskys nicht zustande gekommener Verfilmung trauere ich bis heute nach, die Serien habe ich mir nicht anschauen wollen. Als es dann hieß, dass Villeneuve sich an den Roman wagt, war ich bereits total elektrisiert, denn alles, was ich von ihm kenne, ist großartig. Gott sei Dank entspricht Dune meinen Erwartungen absolut. Natürlich war es riskant, die Handlung nicht abzuschließen, sondern den ersten Band der Reihe in zwei Filme zu teilen, bevor man sicher sein konnte, dass der Erfolg reichen würde, um den zweiten Film drehen zu dürfen. Aber es war ein Risiko, das einzugehen sinnvoll und richtig war. Der Roman ist zu komplex, um in einem Film von maximal drei Stunden adäquat abgehandelt werden zu können. Ich finde es fantastisch, wie viel Zeit sich Villeneuve lässt, alle Weichen zu stellen für den Höhepunkt im zweiten Teil.
      Optisch ist der Film eine Naturgewalt. Von den Fremen über die Fahrzeuge (die Ornithopter!) bis zum Shai-Hulud sieht die ganze Welt (eigentlich Welten) hervorragend aus. Auch der Ton ist auf höchstem Niveau.
      Spannend finde ich die unterschiedlichen Lesarten, die der Film zulässt. Ob man ihn als Film über das Wesen des Krieges, als Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, als Diskussionsgrundlage über White Saviour-Figuren in Hollywood, als Kapitalismuskritik oder als Film zu Afghanistan deutet ist fast egal. Nichts davon ist alleine richtig, nichts davon ist falsch. Das der Film trotzdem nicht immer die Tiefe des Buches erreicht, ist als Qualitätsmerkmal des Buches, nicht als Makel des Films zu betrachten. Ein weiterer Kandidat für 10/10 Punkten, getrübt wird meine Begeisterung nur durch die lange Wartezeit auf die Fortsetzung.

      Je suis Karl (Je suis Karl, Christian Schwochow, 2021)

      Nach Und morgen die ganze Welt der nächste Film, der die neue Rechte zum Thema hat. Im Gegensatz zu UMDGW wird in Je suis Karl nicht die Perspektive von Antifaschisten gewählt, sondern die eines Mädchens, das einer rechten Gruppierung verfällt.
      Zu Beginn sehen wir einen Bombenanschlag, der eine Familie zerstört zurücklässt. Die Mutter und zwei Kinder sind tot, es überleben der Vater und Maxi, die fast erwachsene Tochter. Diese zerbricht fast vollständig an der Situation, was wirklich eindrücklich gespielt wird, der Zuschauer leidet mit, wenn Maxie nicht mehr weiß, wie sie umgehen soll mit Wut und Trauer. Diese Verfassung macht sie empfänglich für die Reden von Karl, einem führenden Mitglied einer sich smart und modern gebenden Jugendorganisation der Neuen Rechten. Obwohl Maxie aus einer klar linken Familie stammt und sich selbst immer links gefühlt hat, ist sie von Karl und seinen Leuten fasziniert. Zwar begreift sie nicht wirklich, mit wem sie sich da einlässt, aber sie leistet dennoch der Bewegung aktiv Vorschub. Schwochow bezieht in Je suis Karl ganz klar Stellung. Er zeigt, wie verführerisch die Rechten sein können, zeigt aber auch, dass sie das Böse sind. Sie manipulieren, sie diffamieren, hetzen und gehen über Leichen. Verständnis bekommen sie von Schwochow kein bisschen, nichts entschuldigt oder relativiert ihre Taten. Lediglich Maxie bleibt ein Opfer der Umstände, und trotz ihres Mitgehens mit Karl bleibt sie stets eine Figur, die man gerettet sehen möchte. Um so mehr, als sich bald herausstellt, in welche Gefahren sie sich begeben hat. Man könnte dem Film vorwerfen, so etwas wie antifaschistische Propaganda zu machen, aber ehrlich gesagt ist das nicht nur in Zeiten, in denen die halbe Welt nach rechts zu rücken scheint, ein absolut korrektes Vorgehen. 9,5/10 Punkten.

      Helden der Wahrscheinlichkeit (Retfærdighedens ryttere, Anders Thomas Jensen, 2020)

      Dieser Film ist eine mir sympathische Mischung aus Actionfilm, Komödie und Drama. Mads Mikkelsen spielt Markus, einen Elitesoldaten, dessen Frau bei einem Zugunglück stirbt. Oder war es doch ein Terrorakt, wie ihm eine Gruppe skurriler Nerds versichert? Markus, der noch stärker als seine Tochter durch den Tod seiner Frau aus der Bahn geworfen wurde, akzeptiert die Terrorthese nur zu gerne, bietet sie doch die Möglichkeit, Rache zu üben. Diese gerät für eine Komödie überraschend brutal, außerdem wird sexueller Missbrauch (auch von Kindern) zum Thema, so dass dieser Filme sicher keine nette Familienunterhaltung darstellt. Dafür ist er in jeder Hinsicht zu bitter. Gleichzeit hat Jensen aber ein Herz für seine Figuren. Er gibt sie nicht der Lächerlichkeit preis, obwohl das ein Leichtes wäre bei all den Macken, die sie haben. Wer auf wirklich schwarzen Humor steht, der darf hier gerne mal reinschauen.

      Saw: Spiral (Spiral: From the Book of Saw, Darren Lynn Bousman, 2021)

      Ein paar fiese Fallen und blutige Tode, viel mehr hat dieser Saw-Ableger nicht zu bieten. Die Story ist kaum der Rede wert (weil der geübte Zuschauer schnell weiß, was gespielt wird). Chris Rock ist vielleicht nicht die ideale Besetzung für seine Rolle, Samuel L. Jackson vermittelt dem Zuschauer das Gefühl, der Mann parodiere sich selbst. Da ich relativ wenig erwartet habe, wurde ich dennoch nicht enttäuscht. Saw: Spiral ist eben einfach nur ein banaler Horrorfilm ohne doppelten Boden oder Metaebene. Ich kann sowas gut schauen, aber nicht mit mehr als 4/10 Punkten bewerten.

      Titane (Titane, Julia Ducournau, 2021)

      Titane ist der wohl außergewöhnlichste Film des Jahres. (Body-) Horror wird hier gemischt mit einer Geschichte über Genderfluidität im Rahmen einer ‚Liebes‘-Geschichte. Man sieht drastische Morde, verübt von einer Frau (Agathe Rousselle), die Sex mit einem Auto hat und davon schwanger wird, die daraufhin aus primären und sekundären Geschlechtsorganen Öl verliert, die versucht, on Screen abzutreiben, die vor der Polizei fliehen muss und sich selbst zur Tarnung in einen jungen Mann ‚verwandelt‘. Alleine das Verstecken des immer größer werdenden Babybauches gehört mit zum unangenehmsten, was ich seit langem gesehen habe. Das alles passiert noch im ersten Teil des Films, und dann erfolgt ein radikaler Bruch. Nachdem aus Alexia Adrien geworden ist, findet sie Unterschlupf bei einem Feuerwehrhauptmann (Vincent Lindon), der auf seine Weise genauso kaputt ist wie Alexia. Während sich hier eine verstörende Beziehung entwickelt, wartet der Zuschauer immer gespannter darauf, was genau Alexia zur Welt bringen wird und ob Alexias Tarnung nicht doch auffliegt, da sie viel Zeit auf der Feuerwache verbringt.
      Erstaunlicherweise hat es sich für mich kein bisschen seltsam angefühlt, dass Titane im Prinzip aus zwei unterschiedlichen Filmen besteht, mit unterschiedlichen Themen und eigentlich auch unterschiedlichen Protagonisten. Alexia und Adrien sind zwar dieselbe Person, aber auch grundverschieden in ihrem Wesen. Als Adrien ist sie gezwungen, zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen, während sie als Adrien Kontakte nur aufnahm, um zu töten. So wie Alexia ihre geschlechtlichen Grenzen überwindet, legt sie auch emotionale Blockaden als Adrien mit der Zeit ab. Ein Stück weit heilt ihre Seele, während ihr Körper immer stärker geschunden wird. Gleichzeitig heilt auch die Seele des Feuerwehrmannes, auch wenn die Heilung, die ihm zuteil wird, höchst fragwürdiger Natur ist und auf Täuschungen beruht.
      Der Film hat so viele Themen, denen er sich annimmt, dass ich nach dem einmaligen Schauen noch völlig überfordert bin, das alles zu sortieren. Es geht um Geschlechteridentität und Identität ganz allgemein, es geht um Sexismus, um Liebe, Sehnsucht, Verlust, Familie, um Wahrheit, um Schein und Sein, um Schmerz. Extrem viel Schmerz sogar. Und wie die beiden Hauptdarsteller diesen vermitteln ist so roh, so echt, unmittelbar, dass der Film härter wirkt als es zum Beispiel seine FSK-Einstufung vermuten lässt. Die Leistung von Rousselle und Lindon kann nicht hoch genug bewertet werden, und auf weitere Filme von Ducournau bin ich schon jetzt gespannt. Raw habe ich noch nicht gesehen, liegt aber schon bereit, ihren Kurzfilm Junior (2011) kann ich aber schon empfehlen. Eine gewisse thematische Verwandtschaft zu Titane ist darin gegeben. Und er deutet auch bereits an, dass Ducournaus Filme eher speziell sind. Titane bekommt von mir die Höchstwertung, 10/10 Punkten. Hier aber nicht wie bei Monster Hunter, weil er Spaß macht und einen perfekten Genrebeitrag bietet. Titane weist weit über das Genre hinaus, vermischt Horror und Arthouse und ist ein starker Kommentar zur Zeit.

      Hinterland (Hinterland, Stefan Ruzowitzky, 2021)

      Ruzowitzky hat mit Hinterland etwas ganz eigenes geschaffen, indem er seine Geschichte aus extreme Weise mit der visuellen Ebene verknüpft. Erzählt wird hier vom Wiener Kommissar Perg, einem Veteran des Ersten Weltkriegs, der nach der Gefangenschaft endlich in seine Heimat zurückkehrt, nur um dort sofort in eine Reihe extrem grausiger Morde verwickelt zu werden. Die Opfer waren alle mit Perg in Sibirien, und auch wenn er schnell bei den Ermittlungen helfen muss, fällt doch auch auf ihn ein Verdacht. Das ist soweit eine relativ normale Geschichte über einen Serienkiller, was sie jedoch von anderen abhebt, ist die formale Umsetzung. Dass das Innenleben der Figuren sich in den Bildern spiegelt, ist nun auch nicht neu, so etwas wird gerne mit Farbe und Licht realisiert. Auch Hinterland ist entsprechend der Story in düsteren Farben gehalten, aber darüber hinaus ist auch der zu sehende Raum völlig deformiert, krumm und schief, verrückt eben, und damit ein Spiegel der Seele all dieser Menschen im Wien der frühen Zwanziger Jahre. Sie haben ja alle in der einen oder anderen Form den Krieg erlebt, als Soldaten, aber auch zuhause, wo man den Zusammenbruch des Reiches, den damit verbundenen Sturz in die Bedeutungslosigkeit und ein neues, wenig Stabilität bietendes politisches System verkraften musste. Ruzowitzky nutzt mithin Stilmittel des expressionistischen Films gut hundert Jahre nach dessen Entstehung und Blüte, um seine Geschichte, die in eben dieser Zeit spielt, visuell zu unterstützen. Das ist in meinen Augen hervorragend gelungen und leider viel zu wenig beachtet worden. Darüber hinaus ist dieser Film, wie so einige andere dieses Jahrgangs, die (im weitesten Sinne) zum Horrorgenre gerechnet werden können, stark mit dem Thema Sexismus beschäftigt. Alles in allem ein gelungenes filmisches Wagnis, das ich mit 8,5/10 Punkten bewerten möchte.

      The Father (The Father, Florian Zeller, 2020)

      Besser als Till Schweigers Demenzfilm Honig im Kopf ist The Father allemal, zumal Hopkins ein schauspielerisches Kaliber hat, dass Schweigers Ensemble nicht mal zusammen sein Eigen nennen kann. Trotz vieler großartiger Ideen (Kulissen- und Schauspielerwechsel), die versuchen, die Welt aus der Sicht des dementen Vaters zu zeigen, scheitert der Film letztlich an Darstellung der Krankheit. Das haben andere besser geschafft. Still Alice (Richard Glatzer / Wash Westmoreland, 2014) fiele mir da zum Beispiel ein. Immerhin, unter 7,5/10 Punkten will ich das nicht bewerten (rein filmisch vielleicht sogar eher etwas besser, aber diesen Film bewerte ich eben auch als Altenpfleger, nicht nur als Filmfreund).

      Cry Macho (Cry Macho, Clint Eastwood, 2021)

      Hier war ich letztlich enttäuscht. Eastwood erzählt eine ähnliche Geschichte wie in Gran Torino, erreicht aber nie dessen Niveau. Zwar gibt es immer wieder anrührende Szenen zu sehen, aber auch einiges, was fast schon unfreiwillig komisch ist. Denn natürlich ist Clint Eastwood im echten Leben eine solche Ikone, dass er wohl auch noch das Herz und den Körper manch deutlich jüngerer Frau erschüttern könnte, doch im Film wirkt das schon etwas seltsam, wenn dem alten Rodeoreiter Frauen verfallen, die höchstens halb so alt sind wie er. Wenigstens ironisiert der Film diese Szenen ein bisschen, trotzdem wirkt das, wie so vieles in diesem Film, aus der Zeit gefallen und als käme das ganze circa dreißig Jahre zu spät. Da mir aber Set und Setting gefallen gibt es von mir 6/10 Punkten.

      Halloween Kills (Halloween Kills, David Gordon Green, 2021)

      Schon der Vorgänger hat mir außerordentlich gut gefallen, sowohl als eigenständiges Produkt als auch in seiner Funktion innerhalb des Franchises, das durch Rob Zombies Halloween II in meinen Augen fast zu Grabe getragen wurde. Green hat mit seinen Filmen die Reihe wieder in die Spur gebracht, ja sogar mit die besten Filme darin gedreht. Halloween Kills ist ein purer Slasher, wunderbar brutal und fast völlig frei von Bemühungen, irgendwelche Metaebenen oder gewichtigen Botschaften unter zu bringen. Nicht das ich so etwas prinzipiell schlecht fände, aber mir ist ein gelungener Horrorfilm, der nur das sein möchte, sehr viel lieber als einer, der wie z.B. Uwe Bolls Seed vorgibt, ein Plädoyer zu sein gegen die Todesstrafe. Zwar zeigt auch Halloween Kills Szenen, die als Anklage gegen Selbstjustiz und Wutbürgertum verstanden werden können, aber diese dienen in meinen Augen eher dazu, die Story voranzutreiben. Eine echte Auseinandersetzung mit diesen Themen findet nicht statt und ist wohl auch nicht gewollt. So bleibt einfach eine feine Schlachtplatte von einem Film, der viele kleine cleverer Details enthält, die einzelne Handlungsfäden, die teilweise schon im ersten Green-Halloween begonnen haben, miteinander verknüpfen. Das ist hübsch konstruiert und gefällt mir gut. Ich freue mich schon auf Teil drei, Halloween Ends (als ob ;-)). 8,5/10 Punkten.

      Quo Vadis, Aida? (Quo Vadis, Aida?, Jasmila Žbanić, 2020)

      Aida arbeitet 1995 in Srebrenica als Übersetzerin für die UN. Als Mladićs Truppen die Region besetzen, muss Aidas Familie mit tausenden anderen Menschen in einem UN-Lager Schutz suchen. Aida übersetzt immer wieder Verhandlungen zwischen den niederländischen Blauhelmen und Mladić, ahnt daher immer mehr, was den Eingeschlossenen droht. Ihre Angst um ihre Familie wird immer größer, immer verzweifelter versucht sie diese zu retten, wohl wissend, dass sie ihre privilegierte Stellung zu ihrem persönlichen Vorteil zu nutzen versucht. Aber wer will das einer Mutter vorwerfen?
      Der Film ist emotional eine Wucht. Auf die Darstellung von Gewalt wird fast völlig verzichtet. In dieser Hinsicht bleibt es bei Andeutungen. Trotzdem ist der Film hart. Man weiß ja um das Ende der Geschichte, sieht die wachsende Verzweiflung nicht nur der Protagonistin, sondern auch der Blauhelme und beobachtet mit diesen Ereignisse, die stark an den Holocaust erinnern. Selektionen finden statt, Deportationen unter dem Vorwand der Umsiedlung, quasi „Der Mladić baut den Bosniern eine Stadt“. Die Massentötungen selbst werden nicht explizit gezeigt, aber wenn sich hinter den Menschen die Türen eine Kinos schließen, ist eigentlich schon alles gesagt. Ein Film zum Verzweifeln am Menschen. Empfehlung meinerseits. 10/10 Punkten.

      zuletzt geändert von motoerwolf

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      #11675757  | PERMALINK

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      Eine Anmerkung zu Dune und der Weichenstellerei: ich finde ja, dass da einiges viel zu kurz kommt und zwar alles außerhalb des Atreides-Clans – und selbst da hat der Film ein ganz großes Manko: Doc Yueh wird überhaupt nicht entwickelt, dabei spielt er eine Schlüsselrolle. Der oberböse Harkonen-Baron kommt kaum vor, der Imperator auch so gut wie gar nicht, die Gilde kommt zu kurz, selbst die Schwesternschaft… sodass die Motivationen der einzelnen Parteien doch sehr im Dunkeln bleiben. Ich weiß gar nicht, ob ich das hätte nachvollziehen können, wenn ich nicht Lynch’s Verfilmung und das Buch gekannt hätte.

      Optisch ist der Film State of the Art, ich hätte noch gern ein wenig mehr Raumschiffe gesehen, aber das ist eine reine Privatsache. Die Innenräume sind recht karg gehalten. Die Ornikopter sind super.

      Für eine heutige Verfilmung werden mir zu viele Klischees bedient. Da hätte Villeneuve etwas mehr machen können.

      Ich freue mich trotzdem auf den nächsten Teil.

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      #11675893  | PERMALINK

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      motoerwolf

      grievousangelIst ja auch was schönes. Bei dir haben schon mehr Filme aus vergangenem Jahr die perfekte 10 geknackt, als ich Werken aus dem gesamten aktuellen Jahrtausend vermutlich zugestehen würde, wenn ich in Punkten und nicht in Sternen bewerten würde. Da ist eine 10/10 für mich doch noch was anderes als fünf Sternchen, die ich natürlich auch nur selten vergebe. :) Bin schon gespannt, wie es weitergeht, keep up the good work!

      Erst Mal ein Dankeschön an dich! Wahrscheinlich haben wir völlig unterschiedliche Arten, einen Film zu bewerten. Zwei Filme mit 10/10 Punkten spielen bei mir nicht zwangsläufig in der selben Liga. Im Grunde bewerte ich Filme jeweils für sich, nicht, mit auf die große, weite Filmwelt. Wenn überhaupt, vergleiche ich innerhalb eines Genres / Sujets. Blick auf Wenn ich nicht zu bemängeln habe, warum sollte ich Punkte abziehen? Diese Einstellung führt dazu, dass selbst ein Schmarrn wie Monster Hunter volle Punkte bekommen kann. Der Film will nichts als unterhalten, und das gelingt ihm perfekt. Klar, nichts daran ist wirklich originell, aber das sind Bratkartoffeln auch nicht. Und wenn die gut gemacht sind, sind sie trotzdem ein Genuss, der auch schon mal die Höchstwertung verdient.

      Da bin ich ganz bei dir, mich können Filme auch auf ganz verschiedenen Ebenen und über unterschiedliche Wege begeistern.  :bye: Und ich finde sowieso gut, dass die Leute da eigene Herangehensweisen haben. :)

      Habe jetzt mal nachgesehen, um keinen Blödsinn zu erzählen. Aus diesem Jahrtausend halten aktuell 43 Filme bei fünf Sternen (ein paar Wackelkandidaten aus den Noughties darunter), von denen würde ich vier Stück eine perfekte 10/10 einräumen. Sorry, will deinen schönen Thread nicht off topic zuspammen, das hat mich jetzt aber interessiert.

      „Quo Vadis, Aida?“ muss ich auch noch sehen, da kam mir der letzte Lockdown ein bisschen in die Quere. :)

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      #11677351  | PERMALINK

      motoerwolf

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      Die nächsten Filme, diesmal ein paar weniger:

      Antlers (Antlers, Scott Cooper, 2021)

      Scott Cooper wusste mich mit seinen Filmen Auge um Auge (2013) und Feinde – Hostiles (2017) zu begeistern, daher war mir sofort klar, dass ich Antlers sehen muss, als ich den Trailer das erste mal zu Gesicht bekam. Antlers ist ein Horrorfilm, in dem es auf der Horrorebene um eine Art Monster geht, das auf einer indianischen Sage beruhen soll. Dieses Monster kommt in die Welt, um Rache zu nehmen für alles, was die Menschen dem Planeten antun. Auf der irdischen Ebene behandelt der Film Themen wie Umweltzerstörung, Kapitalismus und dessen Verlierer, Drogensucht, Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern. Kritiker haben dem Film vorgeworfen, das alles nicht ausreichend tief zu behandeln. Das mag stimmen. Ich jedoch habe den Film als wirklich packend und stimmungsvoll empfunden, mit einem Grauen, das sich langsam aufbaut und seinen Ursprung sowohl in den Menschen als auch im Monster hat. Die Farbgestaltung unterstützt die trostlose Geschichte hervorragend und erinnerte mich an Auge um Auge, der ähnlich triste Bilder bot. Das wirklich große Manko des Films ist dann schließlich das Ende, denn wie so oft ist ein Monster am besten, solange man nicht viel davon sieht. Richtig schlecht ist das Monster nicht, aber die unbekannte Bedrohung, die den Film bis dahin prägt, ist dem sichtbaren Ungetüm weit überlegen. Für mich ergeben sich daraus 7,5/10 Punkten.

      James Bond 007: Keine Zeit zu sterben (No Time to Die, Cary Joji Fukunaga, 2021)

      Bond kommt endlich in der Moderne an. Also die Figur Bond. Seit Im Geheimdienst Ihrer Majestät durfte Bond noch nie so viel Gefühl haben und zeigen. Zum ersten Mal haben seine Taten echte Konsequenzen, die über das Längerwerden seiner Feindesliste hinausgehen. Auch sein Umfeld hat sich geändert, die Frauen werden stärker, die neue 007, Nomi, ist mehr klassischer Bond als er selbst. Ich verstehe, dass diese Entwicklung nicht jedem Fan der Reihe gefällt, mir aber hat die Entwicklung der Figur in der Ära Craig größtenteils gut gefallen, besser auf jeden Fall als alles davor. Ich hätte nie gedacht, dass mir ein Bondfilm mal ans Herz greifen würde, aber das Ende dieses Films hat das geschafft. Da der klassische Bond damit tot ist, war es nur konsequent, ihn auch im Film sterben zu lassen und ihm keinen friedlichen Ruhestand irgendwo an einem exotischen Fleckchen Erde zu gönnen. Alles richtig gemacht! Nur die Ankündigung, dass Bond zurückkehren werde, die nach dem Abspann zu sehen ist, war eigentlich unnötig. Man hätte es hier gut sein lassen sollen. Egal, 8/10 Punkten gebe ich gern.

      Venom: Let There Be Carnage (Venom: Let There Be Carnage, Andy Serkis, 2021)

      An sich ein ganz netter Buddymovie, der Freunden des ersten Teils eigentlich gefallen müsste. Ich bin jedoch schon im Vorfeld schwer enttäuscht gewesen, dass ein Film mit Venom und Carnage eine FSK 12-Bewertung erhalten konnte. Mehr Härte hätte dem Film gut getan und wäre den beiden Aliens angemessen gewesen. Na ja, Spaß hat er trotzdem gemacht. Und die Verknüpfung mit dem MCU am Ende (die im aktuellen Spider-Man wieder aufgegriffen wird), lässt mich auf eine hoffentlich baldige Begegnung von Venom und Spidey hoffen (mehr dazu im Text zu No Way Home). Das reicht für 6/10 Punkten.

      The Doors: Live At The Bowl ’68 Special Edition (The Doors: Live At The Bowl ’68 Special Edition, Ray Manzarek, 2021)

      Großartig! Schön fand ich die Erkenntnis einer mich begleitenden Arbeitskollegin, dass die Doors ja doch viel mehr als nur Jims Begleitband waren. Bevor das eigentliche Konzert beginnt, zeigt die Special Edition eine aktuelle Session mit Densmore, Krieger und Jerry Scheff, die wirklich schön anzusehen ist, weil die Herren offensichtlich viel Spaß haben. Sogar Manzarek ist hier irgendwie dabei, weil jemand ein Tour-T-Shirt von ihm trägt. Densmore und Krieger dürfen noch ein wenig über alte Zeiten plaudern, und dann geht der eigentliche Höhepunkt los, das fantastische Konzert in hervorragend restauriertem Bild und Ton. 10/10 Punkten, was wäre ich gerne wirklich live dabei gewesen.

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      nicht_vom_forum

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      plattensammlerEine Anmerkung zu Dune und der Weichenstellerei: ich finde ja, dass da einiges viel zu kurz kommt und zwar alles außerhalb des Atreides-Clans – und selbst da hat der Film ein ganz großes Manko: Doc Yueh wird überhaupt nicht entwickelt, dabei spielt er eine Schlüsselrolle. Der oberböse Harkonen-Baron kommt kaum vor, der Imperator auch so gut wie gar nicht, die Gilde kommt zu kurz, selbst die Schwesternschaft… sodass die Motivationen der einzelnen Parteien doch sehr im Dunkeln bleiben. Ich weiß gar nicht, ob ich das hätte nachvollziehen können, wenn ich nicht Lynch’s Verfilmung und das Buch gekannt hätte.

      Ich fand, als jemand, der die Romane nicht kennt, den Film nicht lückenhaft. Mehr Hintergrund hätte den Film wahrscheinlich inhaltlich überladen (oder es wäre rein optischer Fanservice a la Star Wars geworden). Die BBC-Serie geht ja mehr ins Detail.

      @motoerwolf: Kennst Du die Doku „Jodorowsky’s Dune“? Ich glaube, es ist ganz gut, dass das Projekt nichts wurde. Mit den Mitteln der späten 70er hätte der Film unmöglich die Visionen der Beteiligen umsetzen können. Als Kopfkino ist es aber wohl der Film des Jahrhunderts.

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      Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
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      motoerwolf

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      nicht_vom_forum

      plattensammlerEine Anmerkung zu Dune und der Weichenstellerei: ich finde ja, dass da einiges viel zu kurz kommt und zwar alles außerhalb des Atreides-Clans – und selbst da hat der Film ein ganz großes Manko: Doc Yueh wird überhaupt nicht entwickelt, dabei spielt er eine Schlüsselrolle. Der oberböse Harkonen-Baron kommt kaum vor, der Imperator auch so gut wie gar nicht, die Gilde kommt zu kurz, selbst die Schwesternschaft… sodass die Motivationen der einzelnen Parteien doch sehr im Dunkeln bleiben. Ich weiß gar nicht, ob ich das hätte nachvollziehen können, wenn ich nicht Lynch’s Verfilmung und das Buch gekannt hätte.

      Ich fand, als jemand, der die Romane nicht kennt, den Film nicht lückenhaft. Mehr Hintergrund hätte den Film wahrscheinlich inhaltlich überladen (oder es wäre rein optischer Fanservice a la Star Wars geworden). Die BBC-Serie geht ja mehr ins Detail. @motoerwolf: Kennst Du die Doku „Jodorowsky’s Dune“? Ich glaube, es ist ganz gut, dass das Projekt nichts wurde. Mit den Mitteln der späten 70er hätte der Film unmöglich die Visionen der Beteiligen umsetzen können. Als Kopfkino ist es aber wohl der Film des Jahrhunderts.

       

      Ich stelle gerade fest, dass meine Antwort an @plattensammler wohl vom System geschluckt wurde. Egal, letztlich war sie ähnlich der von @nicht_vom_forum. Es ist nun mal ein Film, und auch wenn sich Villeneuve insgesamt wohl über fünf Stunden Zeit nehmen wird, muss eine Romanvorlage dieser Qualität und Dichte zwangsläufig etwas komprimiert werden. Für sich stehend ist der Film bis hierher sehr rund geworden, insofern ist für mich alles gut, wie es ist. Auch wenn ich nichts dagegen hätte, mir eine noch deutlich stärker werktreue Bearbeitung des Stoffes in Form einer Serie mit der vier- oder fünffachen Laufzeit anzusehen, wenn diese die Qualität des Filmes hätte.

       

      @nicht_vom_forum: Ja, ich kenne die Doku. Und ich kann mir ein grandioses Scheitern durchaus vorstellen. Aber ich gebe zu Bedenken, dass auch Star Wars und Alien Filme der späten Siebziger sind. Und die zeigen meiner Meinung nach, wie viel auch damals möglich gewesen wäre. Trotzdem ist dein Satz mit dem Kopfkino womöglich richtig.

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      motoerwolf

      Registriert seit: 25.10.2006

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      Last Night in Soho (Last Night in Soho, Edgar Wright, 2021)

      Eloise (Thomasin McKenzie, aus Jojo Rabbit) ist eine junge Frau, die für gefühlt das halbe Forum ein instant crush wäre. Sie ist hübsch, sie liebt die Kultur der Swinging Sixties und liebt Mode noch mehr als @cleetus. Daher zieht sie vom Land nach London, um dort am London College of Fashion zu studieren. Wegen ihrer Kommilitoninnen hält sie es in ihrem Wohnheim nicht lange aus und bezieht ein Zimmer bei einer älteren Dame, deren Hausregeln auch gleich an die von Eloise so geliebte gute alte Zeit erinnern. Herrenbesuch ist zum Beispiel nur bis 20 Uhr erlaubt. Eloise stört das wenig. Und scheinbar ist das Zimmer wie für sie gemacht: wenn sie einschläft, wird sie im London der Sechziger wieder wach und erlebt dort das Nachtleben. Dabei ist sie eng an Sandy (Anya Taylor-Joy) gebunden, einer ungefähr gleichaltrigen Frau, die von einer großen Gesangskariere träumt. Eloise ist ständig in deren Nähe und zeitweise auch mit ihr körperlich vereint. Während Eloise eher schüchtern und zurückhaltend ist, ist Sandy eine extrovertierte, fast draufgängerische Person. Die Verbindung der beiden so unterschiedlichen Frauen wird dabei durch exzellente Kameraarbeit und Schnitt hervorragend dargestellt, was die wirklich fantastische Darbietung beider Schauspielerinnen zusätzlich unterstützt.
      Es dauert aber nicht lange, und die schillernde Fassade von Londons Nachtleben zerbricht. Eloise wird Zeugin all dessen, was hinter den Kulissen passiert. Und das hat mit Glamour nichts mehr zu tun. Statt dessen begegnen ihr ausgebeutete, gedemütigte, geschlagene Frauen, die ihren Schmerz nur mit Drogen ertragen können, sie sieht die Männer, die wie viehische, triebgesteuerte, geifernde und geile Monster wirken, die Frauen regelrecht konsumieren. Und auch in ihrer (also unserer Zeit) erlebt Eloise solche Männer. Sehr deutlich zeigt Wright, dass weder füher alles besser und die Männer noch Gentlemen waren, noch heute sich substantiell etwas im Vergleich zu füher gebessert habe und entzaubert damit gleich zwei beliebte Thesen. Last Night in Soho reiht sich damit ein in eine Liste von aktuellen Filmen, die das Verhältnis der Geschlechter zueinander zum Thema haben. Ganz besonders nahe liegt der Vergleich zu Promising Young Woman, aber auch Titane, Hinterland und selbst der aktuelle Bond beschäftigen sich zumindest am Rande mit diesem Thema. The Last Duell wohl auch, aber den habe ich leider nicht gesehen.
      Hervorheben möchte ich neben der Aussage die visuelle Ebene des Films. Wrights London der Sechziger ist zunächst einmal betörend schön anzusehen in seinen Neonfarben, wie schon ein Blick in den Trailer zeigt. Später dann, wenn Eloise und dem Zuschauer der Blick backstage gewährt wird, trifft einen das Gezeigte wie ein Schlag in die Magengrube. Hier wird die Welt düster, die Farben verlieren ihren Glanz, und Rot steht nicht länger für Erotik, sondern für Gefahr. Und Blut. Plakativ, aber wunderbar funktionierend ist eine Szene, in der Tänzerinnen als Marionetten die Bühne füllen, wie überhaupt die Tanzszenen extrem gut choreografiert sind. Der einzige Schwachpunkt des Films ist einer, bei dem Wright dann leider sogar etwas zu plakativ wird, wenn er die Toten der Vergangenheit nicht ruhen lässt, sondern sie als Geister wiederkehren. Das dient nicht der Geschichte selbst, das dient in erster Linie dem Transport einer Botschaft und wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Trotzdem, ein fantastischer Film (für mich bisher Wrights bester, und ich mag sie alle), ein Rausch der Farben, ein Manifest des #metoo und eine schauspielerische Spitzenleistung beider Hauptdarstellerinnen, deren Karieren ich sicher weiter verfolgen werde. Auch hier, man möge es mir verzeihen, vergebe ich die 10/10 Punkten.

      Eternals (Eternals, Chloé Zhao, 2021)

      Für mich der schlechteste Film aus dem MCU seit längerer Zeit. Ich glaube, hier wollte man einfach zu viel. Zu viele neue Figuren in einem zu viel Zeit umspannenden Plot. Zu viel Schwere, zu viel Drama. Und vor allem trotz der Länge des Films zu viel Andeutung, nicht Auserzähltes.
      Vielleicht würde das Ganze außerhalb des MCU besser funktionieren. Dann müsste der Ton des Films nicht immer wieder durch Marvelhumor gestört werden, der in meinen Augen keinen anderen Zweck hat, als eben die Verbindung zum MCU zu schaffen.
      Optisch ist das alles natürlich prachtvoll, aber inhaltlich zu unausgegoren. Zeitweise habe ich mich sogar ein wenig gelangweilt. Durch einen halben Bonuspunkt für Batman-Gags komme ich auf 4,5/10.

      Ghostbusters: Legacy (Ghostbusters: Afterlife, Jason Reitman, 2021)

      Der neueste Ghostbusters-Film ist Spaß in reinster Form und kein Vergleich zu dem leider misslungenen Reboot von 2016. Es wurde kritisiert, dass der Film fast purer Fanservice ist, aber ganz ehrlich, wenn dieser so gelungen ist wie hier, habe ich damit kein Problem. Zumal ich der Meinung bin, dass mit den neu eingeführten Figuren genügend Eigenständigkeit gegeben ist, um den Film auch ohne Vorkenntnisse gut schauen zu können. Was man über die alten Filme wissen muss wird erklärt, und selbst das wirkt nicht aufgesetzt oder störend, sondern fügt sich prima in den Film ein. Wer einen kurzweiligen, charmanten Film sehen und ordentlich lachen will und dazu ein wenig Nostalgie verspüren mag, ist hier genau richtig. Für diese Bedürfnisse passt der Ghostbusters: Legacy so gut, dass ich die Höchstwertung zücken muss: 10/10 Punkten.

      The Many Saints of Newark (The Many Saints of Newark, Alan Taylor, 2021)

      Schwierig zu beurteilen für mich, da ich die Serie (Sopranos) noch nicht gesehen habe. Sie liegt zwar hier auf DVD zum Gucken bereit, aber da der Film jetzt ins Kino kam und ein Prequel darstellt, wollte ich diesen zuerst sehen. Das war wahrscheinlich nicht die klügste Entscheidung. Losgelöst von der Serie betrachtet ist TMSON ein episodenhaft wirkender Mafiafilm mit einigen wirklich starken Szenen und einem Soundtrack, der mir zwar einerseits gut gefällt, weil er große Hits der Zeit versammelt, andererseits gerade dadurch alles außer originell ist. Eine Wertung mag ich nicht geben, bevor ich nicht die Serie gesehen habe.

      Respect (Respect, Liesl Tommy, 2021)

      Der Film hat eigentlich nur einen einzigen großen Pluspunkt, und das ist sein Thema. Aretha Franklin zu würdigen ist prinzipiell ja eine fantastische Idee. Die konkrete Umsetzung ist allerdings eher schwach. Erstes großes Manko: der Film will zu viel. Los geht es 1952, wenn Aretha zehn Jahre alt ist, enden tut der Film mit der Aufnahme von Amazing Grace 1972. Dadurch werden zahllose schwierige Stationen, Episoden und Verhältnisse in ihrem Leben beleuchtet, aber keines letztlich zufriedenstellend. Ein Missbrauch beispielsweise, beginnend mit dem zehnten Lebensjahr und zu einer Schwangerschaft mit zwölf Jahren führend wird zwar angedeutet, aber bis auf die Mutterschaft scheint das folgenlos zu bleiben. Ihr Engagement gegen die Rassentrennung wird eher erzählt als gezeigt, wie überhaupt Rassismus im Film eher nicht erlebbar gemacht wird. Einmal wird Angela Davis erwähnt, aber wer diese nicht kennt, hat von der Szene nichts. Der Tod von MLK ist eher Arethas persönliches Problem, die gesellschaftliche Bedeutung kaum vermittelt. Ein anderes Mal wird gesagt, dass sie mal wieder verklagt werde (es könnte um gebrochene Verträge gehen), ohne dass vorher je von Klagen die Rede war. Die depressive Seite ihrer bipolaren Störung wird so in einer einzigen Szene angedeutet, bis dahin konnte man sie für eine reine Alkoholikerin halten. Eine Trinkerin, die nach ihrer eigenen Aussage von ihren Dämonen gequält wird. Diese Dämonen sind im Film alle extrinsisch, es sind ihr Vater, der Rassismus, der Tod ihrer Mutter und der von MLK, ihre Partner usw. Dass es bei einer bipolaren Störung einen wesentlichen genetischen Faktor gibt, wird nicht einmal angedeutet. Das hätte nämlich den extrem konventionellen Erzählstil des Films gestört, in dem letztlich die Häufung der schwierigen Umstände Miss Franklin quasi per Naturgesetz in den temporären Abgrund führt. Der Abgrund ist aber kein Problem, denn in (für mich ekelhafter) kitschigster Manier wird der Alkohol, werden die Dämonen besiegt durch eine Erscheinung der toten Mutter, die die erwachsene Aretha besucht und die ihr durch Berührung Wärme und Geborgenheit vermittelt und ihr so die Kraft gibt, auszubrechen aus der Abwärtsspirale. Nach dieser Erscheinung wendet sich Miss Franklin wieder verstärkt der Kirche zu, diese, bzw der Baptismus, erlösen sie dann endgültig. Das ist so amerikanisch-evangelikal, da mag ich nicht mehr folgen. Ebenfalls störend finde ich, dass der Hauptperson im Grunde alles verziehen wird, was sie an schlimmen Dingen tut. Sie verletzt ihre Schwestern und Partner auf das übelste, aber da sind ja ihre Dämonen schuld. Einem Ted White wird eine solche Entschuldigung nicht zugestanden. Der ist ein Mann und damit böse.
      Technisch ist der Film gut gelungen, aber auch hier sehr bieder. Forest Whitaker als Franklins Vater ragt schauspielerisch noch am weitesten hervor. Doch erst ganz am Ende, im Abspann, berührt Respect den Zuschauer wirklich. Da nämlich wird eine späte Performance von Miss Franklin selbst gezeigt, in die Fotos von wichtigen Ereignissen wie der Verleihung der Presidential Medal of Freedom oder ihrem Auftritt zur Amtseinführung von Präsident Obama geschnitten werden. Ich gebe 4,5/10 Punkten.

      Resident Evil: Welcome to Raccoon City (Resident Evil: Welcome to Raccoon City, Johannes Roberts, 2021)

      Mit einem Wort: Rotz. Langweiliger, schlecht inszenierter Rotz. Mit Rotz-Dialogen, Rotz-FX, Rotz-Storytelling. Hab ich erwähnt, dass der Film Rotz ist? 1/10 Punkten.
      PS: Ich habe die Spiele nie gespielt, betrachte den Film daher nicht durch eine Fanbrille. U.U. kommt man als Spieler eher auf seine Kosten, da wohl im Gegensatz zu den Jovovich-Filmen die Handlung der Spiele stärker aufgegriffen wird.
      PPS: Natürlich ist die Bewertung hart, und natürlich gibt es haufenweise Filme, die objektiv gesehen schlechter sind. Aber eine Produktion mit dem Budget und dem Hintergrund von Resident Evil kann nicht den Anspruch haben, ähnlich bewertet zu werden wie eine aus dem Amateurbereich oder solchen, die dann bei SchleFaZ verwurstet werden (und da denke ich nicht an die absichtsvoll gedrehten Gurken wie Sharknado, sondern eher an so etwas wie Ferdinando Baldis Time Breaker).

      Gunpowder Milkshake (Gunpowder Milkshake, Navot Papushado, 2021)

      Gunpowder Milkshake ist so etwas wie wie eine feministische Version von John Wick. Parallelen gibt es einige. Hier ist es eine Auftragskillerin, die sich mit einer mächtigen Organisation anlegen muss. Ihr geht es aber nicht um Rache, sie will ein unschuldiges Mädchen, das ins Kreuzfeuer von Kriminellen geraten ist, beschützen. So ist ihr Motiv zwar etwas edler, ihre Methoden aber sind nicht weniger drastisch als die von Herrn Wick. Eine weitere Parallele ist das Vorhandensein einer über die Story hinausreichenden Welt, in die die Geschichte eingebettet ist. Gibt es bei Wick das Continental, sehen wir hier eine Diner, das eigentlich so etwas wie eine neutrale Zone sein sollte. Es gibt eine Bibliothek, die weit mehr als das ist, einen Arzt, der speziell für Kunden aus der Unterwelt arbeitet. Wie beim ersten John Wick merkt der Zuschauer, dass ein mögliches neues Franchise schon angelegt ist. Da mir GP extrem viel Spaß gemacht hat, bin ich darum kein bisschen böse. Der Film erfindet das Genre nicht neu, bietet aber so viele schöne Actionmomente (z.B. einen Kampf auf Leben und Tod gegen drei Killer, den die Heldin mit gelähmten Armen bestreiten muss), tolle Figuren, viel Witz und eine schöne Optik, da freue ich mich schon jetzt auf einen zweiten Teil. Für mich sind das sichere 9/10 Punkten, lediglich ein paar kleine Schwächen verhindern die Höchstwertung.

      Plan A – Was würdest du tun? (Plan A, Doron Paz / Yoav Paz, 2021)

      Geschildert wird der Versuch einer Gruppe jüdischer Holocaustüberlebender, sich durch Massenmord mittels Vergiftung des Trinkwassers mehrerer Großstädte an den Deutschen zu rächen. Das basiert auf einer wahren Begebenheit, und ich weiß den Versuch zu schätzen, Juden nicht länger immer nur als wehrlose Opfer bzw. die sprichwörtlichen Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank darzustellen. In dieser Hinsicht ist Plan A nicht der erste Film, die Tendenz gibt es spätestens seit Defiance von Edward Zwick (2008), aber trotzdem ist die Bandbreite des jüdischen Widerstandes noch immer weitgehend unbekannt. Ein Buch wie Arno Lustigers Zum Kampf auf Leben und Tod ist eben kein Bestseller geworden wie so viele Bücher über die diversen Täter. Leider ist Plan A, obwohl größtenteils hervorragend gespielt, sein missionarischer Eifer anzumerken. Der Film will zum Denken anregen, stellt die Frage, ob Rache berechtigt ist und wenn ja, in welchem Ausmaß. Und dabei versagt der Film unnötigerweise. Wie eine Klammer stehen am Anfang und am Ende Kommentare aus dem Off, die sich in direkter Rede an den Zuschauer wenden und das moralische Dilemma besprechen, dessen Zeuge man im Film wird. Wer dieses aber im Film nicht erfasst, dem hilft wohl auch der Kommentar nicht mehr. Dieser ist daher überflüssig und plump, und ein Stück weit ruiniert er den Film (zusammen mit einer Sexszene, in der die zwei Hauptfiguren freudlosen Sex zum Abbau von extremen Stress praktizieren, was so vorhersehbar und klischeehaft war, dass ich mich wirklich geärgert habe). Trotzdem, allein weil der Film zeigt, dass der Antisemitismus auch nach der „Stunde Null“ noch weit verbreitet und keineswegs auf SS-Mitglieder beschränkt war, möchte ich 7,5/10 Punkten geben. Im Unterricht lässt sich der Film sicher gut einsetzen.

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      #11678187  | PERMALINK

      cleetus

      Registriert seit: 29.06.2006

      Beiträge: 17,267

      @Ghostbusters: Fand ich ebenfalls ganz toll.
      @weibliche John Wicks: Gunpowder Milkshake habe ich tatsächlich noch nicht gesehen, dafür im letzten Jahr sicher 4-5 Filme, die genau dieses Sujet inne hatten. Netflix produziert davon, mehr schlecht als recht, gefühlt einen pro Monat.
      @Sopranos: Ein brillante Idee den Film vor der Serie zu schauen, andersrum wärst du, wie ich, vermutlich immens enttäuscht gewesen. Der Trailer dazu war ja wirklich gut gemacht (ein davongehender Tony, während dahinter irgendwas brennt, c’mon), dieses teils sehr dynamische (einerseits Leute die warten, andererseits Ray Liotta) Szenengemisch was dann dabei herauskam, hatte nichts mehr damit zu tun.

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      jjhum

      Registriert seit: 30.08.2007

      Beiträge: 2,395

      The Eternals hat mir besser gefallen als erwartet. Was mich am Marveluniversum stört, ist diese Maßlosigkeit. Der Charme von Marvel für mich machen die Verwandlungen von normalen Menschen in Superhelden/Superschurken aus. Diese Ausweitung auf Supersupertypen aus fernen Galaxien/Dimensionen etc. ist mir zu viel. Das hat mich schon immer bei Superman gestört.

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      #11693951  | PERMALINK

      motoerwolf

      Registriert seit: 25.10.2006

      Beiträge: 6,117

      Don’t Look Up (Don’t Look Up, Adam McKay, 2021)

      McKays schrille, wenig subtile Satire wurde quasi von der Wirklichkeit überrollt. Als das Script entstand, war die Geschichte als Kommentar zum Leugnen des Klimawandels gedacht und dieses Leugnen für damalige Verhältnisse reichlich überspitzt dargestellt. Doch dann kam Corona. Und vieles, was an Don’t Look Up grell und überzeichnet wirken sollte, war auf einmal exakt so im wirklichen Leben zu beobachten. Diese Nähe zur Wirklichkeit lässt ab und zu sogar einen Gag scheitern, denn was vor der Pandemie vielleicht lustig war, hat man heute schon so oft mit tödlichen Konsequenzen im real life erlebt, dass einem das Lachen vergehen will. An anderen Stellen verschenkt der Film ein wenig Potential. Denn auch wenn zum Beispiel die Präsidentin (Meryl Streep) zwar einige Wesenszüge mit Trump teilt, so ist mir ihre Darstellung nicht böse genug. Politiker vom Schlage Trumps sind eben oft nicht nur dumm, opportunistisch, selbstverliebt und voller Verachtung für andere, sondern eben echte Soziopathen voller Hass und Bosheit. Auch wenn mir dieser Aspekt zu kurz kommt, macht Streep einen prima Job. Man hasst ihre Figur vom ersten Moment an. Ihren Sohn (Jonah Hill) ebenfalls, allerdings mag ich Hill nicht besonders, daher braucht er nicht viel zu tun, um bei negative Gefühle auszulösen. Die stärkste Leistung im Film zeigt für mich Jennifer Lawrence, die den Kometen entdeckt, an der Ignoranz der Menschheit fast völlig verzweifelt und später einfach aufgibt, dicht gefolgt von Leonardo DiCaprio, der einen nüchternen Wissenschaftler spielt, der sich vom Ruhm eine Zeit lang verführen lässt. Trotz kleinerer Mängel für mich ein gelungener Film, ein Kommentar zur Lage und ein Kandidat für einen künftigen Klassikerstatus, der immer dann zitiert wird, wenn unsere absurde Gegenwart rückblickend betrachtet wird. 8/10 Punkten.

      West Side Story (West Side Story, Steven Spielberg, 2021)

      Toll ist hier noch untertrieben. Wir sehen einen fantastischen Cast. Rachel Zegler ist eine Maria, die Herzen zum schmelzen bringt, Ariana DeBose als Anita ist großartig in Freude und Schmerz, David Alvarez als Bernardo und Mike Faist als Riff verleihen den Figuren eine Tiefe, die sie von der Funktion in der Story her gar nicht bräuchten. Rita Moreno, die frühere Anita, jetzt als Valentina (die Frau des Doc, die diesen ersetzt) wiederzusehen ist wunderbar. Lediglich Ansel Elgort als Tony konnte mich stimmlich nicht zu einhundert Prozent überzeugen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Dafür ist nämlich der Gesang so harmonisch in die Handlung integriert, das Spiel der Darsteller auch beim Singen so überzeugend und in der Rolle wie ich es selten gesehen habe in einem Musical. Daher gibt es so viele wundervolle Sequenzen, dass ich gar nicht in der Lage bin, ein paar besonders herausragende zu nennen, ohne mir unfair vorzukommen. Vielleicht darf ich als primi inter pares die Szenen zu America, Tonight, Tonight Quintet, Gee, Officer Krupke, I feel pretty und Cool nennen.
      Die im Vergleich zum Original regelrecht entfesselte Kamera verleiht Spielbergs Version eine Dynamik, die dem Original fehlt (was freilich bisher mangels Vergleichsmöglichkeit nicht auffiel). Allein die Sequenz zum Song America unterstreicht meinen Punkt ausreichend, steht aber nicht alleine da. Ebenso großartig sind Farb- und Lichtgestaltung, die jederzeit die Geschichte unterstützen. Dass der Ton bei einem Musical gut sein sollte, versteht sich von selbst, aber wie gut er ist, treibt einem Tränen der Freude in die Augen. Das gilt für die Mischung, das gilt für die Soundeffekte (der tödliche Schuss am Ende!) und natürlich auch für den Gesang und das gesprochene Wort. Die Mischung aus Spanisch und Deutsch (in meinem Fall, denn die OV läuft hier nicht) ist so gut gelungen, dass die nicht vorhandenen Untertitel nicht fehlen, obwohl keineswegs spanische Sätze einfach auf Deutsch wiederholt werden. Richtig schlimm sind allerdings die Untertitel zu den Songs, die nicht nur nicht wörtlich übersetzt sind, sondern den Sinn der Texte teilweise entstellen. Besonders schlimm ist das bei America, dem Song wird im Untertitel jede Ironie, jeder kritische Aspekt genommen. Das schmerzt umso mehr, als das Spielberg im Vergleich zur 1961er Version ja deutlich politischer und sozialkritischer ist.
      Ich könnte jetzt noch lange weiter schwärmen, doch statt dessen gebe ich einfach 10/10 Punkten.

      In den nächsten Tagen folgen noch Spider-Man, Matrix und Matrix Resurrections sowie House of Gucci, dann ist hier auch schon wieder Feierabend.

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      #11693993  | PERMALINK

      jimmydean

      Registriert seit: 13.11.2003

      Beiträge: 3,492

      plattensammler wenn ich nicht Lynch’s Verfilmung und das Buch gekannt hätte.

      ja, eine der komischsten folgewirkungen diese aus meiner sicht totalflops ist, das plötzlich die lynch-verfilmung an wert gewinnt.. die entscheidung, die yueh-story nicht genauer nachzuzeichnen, hat wohl auch mit dem spannungsmoment zu tun… sonst hätte man diese story wohl in rückblenden machen müssen, um den verräter nicht vorab zu verraten…

      --

      i don't care about the girls, i don't wanna see the world, i don't care if i'm all alone, as long as i can listen to the Ramones (the dubrovniks)
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