Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Replays: Neuauflagen, Deluxe- und erweiterte Editionen › Bob Dylan – Bootleg Series Vol 10: Another Self Portrait (1969-1971)
-
AutorBeiträge
-
pinchFür Drafi Deutscher sogar ein großer Hit.
Mag sein, aber ich habe damals wesentlich häufiger die Dylan-Version im Radio gehört,meine ich mich zu erinnern.
--
FAVOURITESHighlights von Rolling-Stone.deMichael Stipe im Interview: „Alles was ich sehe, ist wundervoll. Moment. Tote Vögel würde ich nicht fotografieren“
Die perfekten Baby-Namen für Menschen, die Musik lieben
Die 100 besten Schlagzeuger aller Zeiten: Charlie Watts, The Rolling Stones
Benny Andersson im Interview: Alle Infos zu „Piano“, der ABBA-Hologramm-Tour und „Mamma Mia 2“
Die 100 größten Musiker aller Zeiten: Nirvana – Essay von Vernon Reid
Studie: Dies sind die beliebtesten Schallplatten
Werbung
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Sehr interessante Bootleg-Folge. Zusammen mit ASP ergeben „Self Portrait“, „New Morning“ und „Dylan“ jetzt für mich sehr viel Sinn – das Quartett dokumentiert eine Phase, in der Dylan sich als „Musiker“ (ich verstehe das Wort als ausdrücklichen Gegensatz zu Begriffen wie „Legende“, „Sprachrohr“ etc) seiner selbst vergewisserte, einen Standort suchte, einerseits seinen Wurzelgrund durchforstete (toll, wie er hier und dort singt, als wolle er sich um einen Job bei den Stanley Brothers bewerben) und andererseits arrangementtechnisch experimentierte (oder experimentieren ließ), um auszuloten, was für ihn trägt und was nicht. Das ist alles unheimlich spannend, weil oft so tastend, ins Ungewisse hinausgreifend, von Selbstzweifeln durchklungen – ganz im Gegensatz zu den Mittsechziger-Platten, die klingen, als habe da einer traumwandlerisch sicher einfach nichts falsch machen können. Ein Musiker, der seine Handwerkskompetenzen schult, seine Ausdrucksmittel überprüft, seine Skills als Song & Dance Man durchcheckt, sich nicht als den Großen, Einzelnen, Inkommensurablen, Unantastbaren zelebriert, sondern eher bescheiden einordnet in die vielschichtige Americana-Tradition, in das Tun und Treiben seiner Vorgänger und auch Zeitgenossen (man denke an Simons Boxer): ziemlich faszinierend, eine Art klingender Werkstattbericht.
Ob damals das offizielle Self Portrait wirklich als Abschreckungsdokument gedacht war? Ich habe da meine Zweifel. Dylans eigene nachträgliche Erklärungsbehauptungen in den Chronicles kommen mir nicht ganz glaubhaft vor. Mag sein, dass damals tatsächlich eine gewisse „Fresst das“-Rotzigkeit eine Rolle gespielt habt – aber womöglich auch ein gehöriges Maß Verunsicherung über die eigenen Ziele, Perspektiven, Möglichkeiten. Self Portrait fand ich schon immer toll, allerdings in seiner schrägen Kombination von Wurschtigem, Herrlichem, Ulkigem, Berührendem und Misslungenem auch recht rätselhaft. Jetzt, wenn ich es im Geiste mit dem ASP zusammen höre, glaube ich es besser verstehen zu können.
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Ach ja, und noch ein Minderheitenvotum:
So charmant ich das Harfen- und Streicherarrangement bei Sign on the Window finde – es nimmt dem Song ein bisschen den Fokus. Im NM-Original kommen das wirklich stupend musikantische, markante und eigenwillige Klavierspiel und der grandiose Gesang, der dauernd zwischen Zuckerbäckersanftheit und aufgerauhtem Sehnen, Schönklang und grippaler Heiserkeit changiert, unverstellter zur Geltung. Jenseits von historischen Bedeutsamkeitserwägungen ist Sign on the Window von NM für mich ganz privat eine meiner zehn allerliebsten Dylan-Aufnahmen. In diesem Sinne genieße ich die mit Overdubs versehene Fassung als herrliche Ergänzung, aber nicht als Überbietung oder gar Auslöschung der erstveröffentlichten Version.
--
Gewohnt schöne Beiträge von Dir, bullschuetz! Jetzt freue ich mich noch mehr auf die Box.
--
Meine Box war heute leider immer noch nicht da, aber ich lese hier kontinuierlich mit. Auch ich gehöre zu denjenigen, die „Self Portrait“ bisher weder besitzen noch kennen. Es ist bestimmt spannend, das Pferd mal von der anderen Seite aufzuzäumen.
--
How does it feel to be one of the beautiful people?
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Oh, in der Tat, das ergibt natürlich eine ganz andere Hör-Annäherung. Ich bitte dann bei Gelegenheit um Bericht!
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
bullschuetzaber womöglich auch ein gehöriges Maß Verunsicherung über die eigenen Ziele, Perspektiven, Möglichkeiten.
Guter Punkt, über den ich auch schon sehr oft nachdenken musste. Dylan in der persönlichen und kreativen Sackgasse, der seinen Writer’s Block womöglich hinter Häme und Überspitzung versteckt. Sicher nicht sehr weit entfernt von einer eventuellen Wahrheit. Und gab es da zeitgleich nicht auch noch diese Auftragsarbeit für so ein Theaterstück, bei dem Dylan seiner Kunst keinen Ausdruck verleihen konnte, weil er u.a. mit den dort vorgegebenen aktuellen und radikalen Kunst- und Weltanschauungen o.ä. nicht klar kam/kommen wollte? Und wenn man sich dann vor Augen führt, dass er mit „Blood On The Tracks“ einige Jahre danach dann fast straight zurück zu seinen Anfängen ging, macht dieses Hadern, Ausprobieren und Scheitern bei „Self Portrait“ eventuell sogar noch mehr Sinn. Im Nachhinein, versteht sich. Damals war das sicherlich eine Farce, die, ohne das Wissen um die Tatsache, dass da später noch großartige Sachen kommen sollten, sicherlich ganz schön grau aussah und klang. Für die Fans vermutlich mehr, als für den Künstler.
Mein Anspruch an „Another Self Portrait“ (neben dem Spass und der Faszination an der Musik natürlich) war/ist eben auch jener, diesen künstlerischen Prozess der Jahre 1969/70 nun besser verstehen und nachhören zu können, was sich hernach wie eine wundersame Sherlock-Angelegenheit (aber nicht nur) ausmacht. Keine Beauty-Korrektur.
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
So geht’s mir auch.
--
Wenn ich die Tracks auf ASP höre, so sind sie doch recht herkömmlich solide in ihrem musikalischen Gewand: Mal karg instrumentiert, mal mit Gospelchor oder Band, aber insgesamt doch weniger „verstörend“ als die damals veröffentlichten.
So erscheint mir heute nach dem ersten, etwas intensiveren Hören New Morning als die Kehrseite von Self Portrait. Dort geschönt alles, hier über den Strich gebürstet.
Time Passes Slowly und Dogs Run Free z.B. waren in der jetzt zu hörenden Versionen solide Versionen, nicht aneckend und auch nicht wirklich gut, auf New Morning aber waren sie für das durchschnittliche Dylan-Publikum damals sehr wohl ungewönlich und auf ihre Weise womöglich genauso verstörend wie All The Tired Horses. Nur war es jetzt das vermeintlich komplexere und allgemein akzeptiertere jazzige Gewand, was die Songs umgab, die Süßlichkeit blieb außen vor.--
FAVOURITES
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
otisTime Passes Slowly und Dogs Run Free z.B. waren in der jetzt zu hörenden Versionen solide Versionen, nicht aneckend und auch nicht wirklich gut, auf New Morning aber waren sie für das durchschnittliche Dylan-Publikum damals sehr wohl ungewönlich und auf ihre Weise womöglich genauso verstörend wie All The Tired Horses.
Wenn ich so drüber nachdenke, muss ich Dir zustimmen: Sowohl Time passes slowly als auch If Dogs run free gehört nicht zu den besten Aufnahmen auf ASP, sie sind in ihrem NM-Gewand viel markanter, intensiver, verblüffender. Auch Went to see the Gypsy ist in der NM-Version am besten. Und für das Bläser-Arrangement bei „New Morning“ gilt in meinen Ohren das Gleiche wie für die Harfen/Streicher-Ergänzung bei Sign on the window: interessant, charmant, nicht ohne Witz, aber nicht wirklich zwingend. Und so komme ich zum Ergebnis: Bei der Track-Auswahl für New Morning hat Dylan zur Abwechslung mal alles aber sowas von richtig gemacht. Die Platte liebe ich sehr – der absolute Joker auf dieser Scheibe ist für mich Dylans extrem dolles Klavierspiel: so eigenwillig und unorthodox, The Man in me, Day of the Locusts, Sign, Gypsy, Time passes, Father of night … einen derart unverwechselbaren Klavierbegleitungsstil muss ein „richtiger“ Pianist erstmal hinkriegen.
Was die Wirkung von NM bei Erscheinen betrifft, kann ich mit authentischer Erfahrung mangels Alter nicht dienen. Soweit ich gelesen habe, wurde es aber damals überhaupt nicht als verstörend gewertet, sondern als Rückkehr zur Form gewürdigt und löste in Rezensionen so eine Art „Gottseidank, Dylan ist wieder Dylan“-Stoßseufzer aus. Hast Du da irgendwelche näheren Erinnerungen, ob das „durchschnittliche Dylan-Publikum“ in Deinem Umfeld NM ungewöhnlich oder gar verstörend fand?
Im Grunde fände ich das ja durchaus einleuchtend: Jazz-Gescatte, ein Winterwalzer, das vorweihnachtliche Raunen auf „Three Angels“, dazu ein ausgewachsenes Gebet am Ende, wie’s Franz von Assisi nicht besser rausknattern hätte können … wenn man’s näher bedenkt, findet sich da wahrlich allerhand an Abenteuerlichem (und im übrigen durchaus auch an Passagen, die man womöglich süßlich hätte nennen können).
Und so drängt sich mir die historische Frage auf: Warum eigentlich wurde NM seinerzeit als Gegenentwurf und Korrektur von Self Portrait empfunden und nicht als weitere Provokation/Irritation?--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Grade nachgelesen bei Heylin: Ursprünglich sei geplant gewesen, auch New Morning als Gemisch aus Eigenem und Fremdem anzulegen – Ballad of Ira Hayes und Mr Bojangles (die später dann auf „Dylan“ auftauchten) waren dafür vorgesehen und flogen kurzfristig runter, unter anderem zu Gunsten des nachträglich entstandenen Day of the Locusts. Gesetzt den Fall, dieser Austausch hätte nicht stattgefunden – hätte irgendjemand NM als Rückkehr des alten Dylan wahrnehmen können?
Die Überschrift von Ralph Gleasons NM-Review im Rolling Stone aber lautete damals: „We’ve got Dylan back again“. Seltsam!
Nebenbei – Ron Cornelius über Dylans Piano-Performance bei den NM-Sessions: „His piano playing’s really weird; you fall over laughing the first time you see it, because his hands start at opposite ends of the keyboard and then sorta collide in the middle – but the way he plays just knocks me out.“
--
bullschuetz
Was die Wirkung von NM bei Erscheinen betrifft, kann ich mit authentischer Erfahrung mangels Alter nicht dienen. Soweit ich gelesen habe, wurde es aber damals überhaupt nicht als verstörend gewertet, sondern als Rückkehr zur Form gewürdigt und löste in Rezensionen so eine Art „Gottseidank, Dylan ist wieder Dylan“-Stoßseufzer aus. Hast Du da irgendwelche näheren Erinnerungen, ob das „durchschnittliche Dylan-Publikum“ in Deinem Umfeld NM ungewöhnlich oder gar verstörend fand?Im Grunde fände ich das ja durchaus einleuchtend: Jazz-Gescatte, ein Winterwalzer, das vorweihnachtliche Raunen auf „Three Angels“, dazu ein ausgewachsenes Gebet am Ende, wie’s Franz von Assisi nicht besser rausknattern hätte können … wenn man’s näher bedenkt, findet sich da wahrlich allerhand an Abenteuerlichem (und im übrigen durchaus auch an Passagen, die man womöglich süßlich hätte nennen können).
Und so drängt sich mir die historische Frage auf: Warum eigentlich wurde NM seinerzeit als Gegenentwurf und Korrektur von Self Portrait empfunden und nicht als weitere Provokation/Irritation?Ich war damals bei Erscheinen noch zu jung und unbelesen, als dass ich Konkretes beisteuern könnte. Gleasons Satz trifft irgendwie das, was ich in den anschließenden Jahren auch so wahrgenommen habe. Aber es steckte in meiner Wahrnehmung nicht viel mehr dahinter als „nun können wir ihn wieder ernst nehmen“. Wahre Liebe zu der Platte habe ich bei den wenigsten wahrgenommen, mich eingeschlossen damals. Und ich hatte mit relativ vielen Dylanfans zu tun. Die Liebe kam erst etwas später.
New Morning nahm man ernst (im Gegensatz zum Self Portrait mit den Horses und Wigwam etc.), da es mit ernst zu nehmenden musikalischen Mitteln arbeitete. If Not For You, war da schon ein „süßlicher“ Ausrutscher, zumal Olivia Newton-John sehr bald ein Welthit damit hatte. Der Rest war richtige Musik, jazzig angehaucht, gar etwas avangardistisch, das konnte, durfte nicht schlecht sein. Selbst Winterlude, ein Gassenhauer auf Anhieb, hatte etwas Distanziertes und Zurückhaltendes, erst recht im direkten Kontext mit den Dogs. (Was ich als besonders fremdartig empfand, obwohl durchaus Jazz-geschult und Freejazz gewohnt.) Und die Three Angels waren irgendwie vom anderen Stern.
So meine Wahrnehmung damals und die vieler Bekannter. Liebe also war da nicht, aber Akzeptanz. New Morning klang als Ganzes in manchen Ohren einfach etwas „schräg“.
Mir bereitet heute die Vorstellung ein ziemliches Vergnügen, wie man im Studio von einer sehr songhaften, „harmlosen“ Demoversion z.B. der Dogs zu der endgültigen gefunden haben mag, Das muss Spaß an der eigenen Kreativität und Musikalität, aber auch Spaß an einer Destruktion klassischen Arrangements gewesen sein. Und das höre ich auch bei manchen anderen Titeln, so den von dir genannten Tracks von New Morning. Jetzt hat man die Songs in einem früheren Gewand auf dem Plattenteller und man erkennt, wie viel Arbeit, aber auch wie viel Abkehr von Herkömmlichem in New Morning steckt. Insofern also mein Statement oben, dass ich heute New Morning als Kehrseite der Medaille des Self Portrait hören kann. Die neuen Self Portrait-Outtakes belegen das Ganze spiegelbildlich.--
FAVOURITESSehr interessant! Da aus Frankreich bestellt, dauert es bei mir noch wenigstens eine Woche (so der Zoll will, sonst auch zwei), aber ich lese mit grossem Interesse mit!
„New Morning“ habe ich – wie fast den ganzen Dylan – in meinen ersten paar Teenager-Jahren entdeckt (in den frühen Neunzigern) und fand die Platte auf Anhieb ziemlich gut, wenngleich nicht wirklich grossartig. Mit „John Wesley Harding“ tat ich mich hingegen viel länger schwer, da fehlte irgendwie die Lead-Gitarre oder ein Klavier oder überhaupt irgendwas, was der Musik etwas Volumen gibt. Wie toll genau diese karge Musik ist, und wie perfekt das zu den Lyrics passt, hat sich mir erst später erschlossen. „Self Portrait“ habe ich noch gar nicht lange und noch nicht so oft gehört, für den ganz grossen Totalausfass halte ich sie nicht – aber nach den kurzen Besprechungen in der Presse und den ausführlichen Kpmmentaren hier bin ich doch äusserst gespannt auf die Box!
Und ich freue mich natürlich diebisch auf das Live-Konzert – ich habe es zwar bereits als File-Häufchen irgendwo herumliegen, aber gewiss nicht in der Klangqualität, wie es in der Box zu hören sein wird.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHabe noch nicht alles aufmerksam gehört. Ein paar Self Portrait Outtakes haben mich allerdings schon gefangen genommen. Da wären:
House Carpenter – Er stürzt sich richtiggehend in den Blues. Ein intensiver Vortrag mit teilweise überschlagender Stimme. Viel Feeling und ein tolles Piano.
Spanish is the loving tongue – Das Piano und die soft-rauhe Stimme. Dylan-pronouncing at its best.
Pretty Saro – dazu wurde ja schon viel geschrieben. Ein leiser croon. Bin ich immer für zu haben.Und: I threw it all away – Gefällt mir weit besser als die Skyline-Version. (kannte ich von einem Bootleg, glaube ich zumindest – muss ich rauskramen, allerdings in schlechter soundqualität). Harrison hätte sicher eine zweite Freude daran gehabt.
Mal schaun, was die weiteren Durchläufe noch so bringen. Spaß machts allemal.
--
Welch tolle Stimme Bob zu der Zeit hatte. Sollte man den rostige- Giesskanne- Vergleichern mal vorspielen.
--
Well, he puts his cigar out in your face just for kicks Contre la guerre -
Schlagwörter: Another Self Portrait, Bob Dylan, Bootleg Series, Isle Of Wight, Self Portrait
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.