Andrew Hill

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    gypsy-tail-wind
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    Ich weiss, das ist eigentlich kein Hill-Album… aber irgendwie ist’s eben doch eins. Zum einen hat Hill mit „Catta“, „Les noirs marchant“ (da fehlt ein „s“ am Ende, nicht? EDIT: nein, das Stück scheint korrekt „Les noir marchent“ zu heissen, siehe auch: http://www.jazzdiscography.com/Artists/Hill/hill-disc.htm), „Ghetto Lights“ sowie dem CD-Bonustrack „Jasper“ ausser zwei Stücken von Joe Chambers alle Musik beigesteuert und prägt dadurch und auch mit seinem „comping“ die Musik enorm, zum anderen ist die ganze Hill-Gang versammelt: Richard Davis und Joe Chambers, seine damaligen Rhythmuspartner, waren dabei, ebenso Freddie Hubbard und Sam Rivers, der im Jahr drauf auch ein Album mit Hill machen sollte. Und Hutcherson/Hill gehen ja auch schon länger zurück… überdies ist das Album für mich in der tollen Reihe von Hutchersons Blue Note Leader-Alben auch eine Art Fremdkörper – wohl gerade, weil es so stark von Hills Kompositionen und Konzeptionen geprägt ist.

    „Catta“ ist ein nervöses Stück, das von Hills dichtem Klavierspiel lebt. Chambers eröffnet mit einem feinen Latin-Beat, derweil jemand anderes noch kurz zu Schlaghölzern oder sowas greift. Das Stück wird über einen Mambo-Rhythmus im 8/8-Takt gespielt, Rivers soliert als erster, für seine Verhältnisse enorm konzentriert und ohne jemals richtig auszuscheren. Mit einer kurzen Phrase aus dem Thema werden die neuen Solisten angezeigt. Auf Rivers folgt Hubbard, wunderbar verspielt – überhaupt fällt mir hier auf, wie er enorm lyrisch spielt, hier auch noch ein paar Lee Morgan-artige Tricks mit „half valves“ einbaut, es über die ganze Session nicht für nötig hält, seine Muckis zu demonstrieren (was mich ja bei ihm hin und wieder stört, diese grossspurige Art, die er oft an den Tag gelegt hat). Hutcherson folgt mit einem tollen Solo, der Herr mit den Schlaghölzern ist manchal ein wenig arhythmisch, wie mir scheint, aber das stört wenig, denn Chambers groovt wie die Hölle, Davis legt ein sich dauernd bewegendes aber dennoch stabiles Fundament und Hill füllt mit seinem dichten Spiel jegliche Lücken auf.
    „Idle Wild“ ist ein lyrischer Walzer von Chambers. Hubbard spielt das Thema mit Dämpfer, Rivers ist and der Flöte zu hören. Dann soliert Hubbard als erster auf der offenen Trompete, wie auf der vorangegangenen Hill-Session gelingt es ihm, schnelle Läufe in ein äusserst getragenes, schönes Solo einzubauen. Die Stimmung ist äusserst nachdenklich, Davis prägt die Begleitung hier am massgeblichsten mit seinen agilen Linien, die oft in die hohen Lagen vordringen, derweil Chambers leicht mit den Besen swingt. Nach einer kurzen Vibes-Passage spielt Davis dann ein wunderschönes Solo, in dem er sehr frei mit dem Beat umgeht, stellenweise eine Hill’sche Rubato-Stimmung aufbeschwört. Zum Ende folgen wieder gestopfte Trompete und Flöte mit dem Thema – wunderschön!
    Die erste Seite des Albums endet dann mit Hills „Les noirs marchant“, das wohl entweder „Les noirs marchants“ oder „Les noirs marchent“ heissen sollte (A.B. Spellman nennt es „Les noirs marchent“ in seinen originalen Liner Notes). Hubbard spielt das Thema über einen schrägen Marsch-Rhythmus, Rivers umspielt an der Flöte, Hill bricht mit Clustern ein, Davis‘ agiler Bass übernimmt wieder eine Hauptrolle, Hutchersons Marimba umspielt den Rhytmus, während Chambers leicht dahintrommelt… dann bricht das Metrum kurz ein, baut sich wieder auf, alles sehr fragmentiert und offen, ein Wechsel der Stimmen mit kollektiven Passagen, die sich langsam aufbauen, bis Chambers den Beat wieder fallen lässt… die Band verschmilzt jedenfalls zu einem ganzen, die klassische Rollentrennung zwischen Rhythmusgruppe und Solisten wird streckenweise völlig aufgehoben. Davis greift zum Bogen, beginnt eine Art Solo, aber bald schalten sich Hubbard und Rivers wieder ein und auch Hutchersons Marimba wird aufdringlich… und schon sind wir wieder mitten in einer kollektiven Passage. Schliesslich greift Chambers den Marsch-Rhythmus wieder auf, das Thema folgt noch einmal, das Stück endet dann aber mit einer kurzen freien Passage, in der die Musik sich langsam zersetzt.
    Die zweite Hälfte beginnt mit Chambers‘ Titelstück. Die Gruppe agiert auch hier als ein ganzes, es gibt keine Trennung zwischen Soli und Begleitung, der Rhythmus wird über weite Strecken nur angedeutet oder sehr frei umspielt. Rivers ist hier an der Bassklarinette zu hören, zusammen mit Hills streckenweise düsteren Akkorden und der hohen Trompete Hubbards ergibt das eine sehr prägnante Stimmung. Hutcherson wechselt zwischen Vibes und Marimba, es gibt auch hier wieder Raum für Davis – und es herrscht auch keine Scheu davor, zwischendurch groovende Motive einzustreuen. Mit fast zehn Minuten ist das die längste Komposition des Albums und auch sein Herzstück – und vielleicht DIE typische Komposition für die Avantgarde, wie sie im Hause Blue Note in jenen Jahren geprägt wurde.
    Das letzte Stück des Albums, der langsame Blues „Ghetto Lights“, stammt wieder von Hill und wird in einem groovenden 12/8 Takt gespielt. Es lebt schon im Thema stark von Hubbards verspielter gestopfter Trompete, die unisono mit Hutchersons Vibes die Melodie präsentiert und dabei von Rivers‘ Bassklarinette umgarnt wird. Hubbard übernimmt auch gleich das erste Solo, sehr verspielt, vokal, lyrisch – ein ganz wunderbares Solo! Davis ist mit seinem springenden Bass sehr präsent, ändert dann seine Begleitung für Rivers Sopransolo. Der alte Kämpe (der ja sein Geburtsjahr frisiert hat – mit Jahrgang 1923 ist er ein gehöriges Stück älter als die meisten seiner Kollegen auf dieser Session) spielt das zickige Horn mit einem satten vollen Ton, seine Linien schlängeln sich um den mittlerweile nur noch angedeuteten 12/8-Beat. Dann folgt Hutcherson mit einem warmen Solo, streckenweise sehr bluesig, und Davis passt seine Begleitung wieder an, greift aktiver ein, wechselt schliesslich zu einem kleinen rhythmisierten Motiv, während Hill und Chambers den 12/8-Groove wieder stärker forcieren. Schliesslich folgt noch einmal das Thema. Kein grosses Werk, aber ein enorm charmanter „closer“ für ein grossartiges Album!
    Als Bonustrack hören wir noch Hills rasanten aber konventionellen Blues „Jasper“. Hutcherson spielt das erste Solo, in glänzender Laune, einmal mehr mit toller Begleitung von Davis und Chambers. Es folgen Hubbard, Rivers am Tenor und Hill mit einem vergleichsweise direkten, swingenden Solo (so ab 7:20 klingt jedoch das Piano ganz grässlich verzerrt und schwankend, als sei die Aufnahme von einem alten Tonband überspielt, das mal nass geworden ist oder so… das zieht sich durch bis zum Thema – vielleicht auch da, aber da hör ich’s nicht mehr).

    Ich bin Euch für den Anstoss, mal wieder richtig „Dialogue“ zu hören enorm dankbar! Irgendwie hatte ich davor noch nie so ganz den Zugang zu diesem Album gefunden, aber jetzt, im Rahmen der Musik von Hill, passt es ganz wunderbar… habe es jedenfalls heute dreimal angehört und das mit grösstem Genuss!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #7893709  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    gypsy tail windwoher kommen all diese seltsamen Titel? Schon klar, dass nur „Pax“ albumtitelkonsensfähig war! Griechische Mythologie?

    Ja… nach Wiki:

    Erato: eine der neun Musen – Muse der Liebesdichtung, der Lyrik, des Gesanges und des Tanzes
    Eris: Göttin der Zwietracht und des Streits
    Euterpe: eine der neun Musen – gilt als Vertreterin der Tonkunst und der lyrischen Poesie
    Kalliope: eine der neun Musen – die der epischen Dichtung, der Wissenschaft, der Philosophie und des Saitenspiels sowie des Epos und der Elegie

    Pax (röm. Göttin des Friedens, aber das wissen wir ja alle) ist da irgendwie ein Ausreisser – hätte gut griechisch Eirene heissen müssen!

    Was ich daraus gelernt habe: dass die Mnemosyne die Mutter der Musen ist, das wusste ich nicht. Muss ich mal bei Kerényi nachlesen…

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    #7893711  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    ein erster Sternewurf sieht so aus – ich poste dann im Sterne-Thread, wenn ich entweder mit allem durch bin oder sich eine längere Pause abzeichnet:

    So in Love with the Sound of Andrew Hill ***
    Black Fire ****1/2
    Smokestack ****1/2
    Judgment *****
    Point of Departure *****
    Andrew!!! ****
    Pax (1965-02-10) ****1/2
    Bobby Hutcherson – Dialoge ****1/2 (Tendenz zu *****)
    Compulsion!!!!! ****1/2
    Hope, Illusion, Violence, Lust, Desire, Pain (aka Change) (1966-03-07) ***1/2

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    #7893713  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Nach den teilweise völlig freien Experimenten auf dem Album von Bobby Hutcherson – das freiste aller Stücke, „Dialogue“, stammte allerdings von Joe Chambers – hat sich auch Hill an freiere Musik herangetastet. Im Oktober nahm Hill sein nächstes Blue Note Album auf: „Compulsion!!!!!“ – es erschien im folgenden Jahr.
    An seiner Seite waren Freddie Hubbard, John Gilmore und Joe Chambers, alles keine Neulinge in Hills Umfeld. Dazu stiess Cecil McBee am Bass, auf einem der vier Stücke von Richard Davis unterstützt, sowie die beiden Perkussionisten Nadi Quamar (der als Pianist unter dem Namen Spaulding Givens u.a. 1951 mit Mingus aufgenommen hat) und Renaud Simmons. Givens spielt zwei afrikanische Trommeln (möglicherweise selbst gebaute), Cnoga und Kalimba, während Simmons sich auf Congas beschränkt.

    At the time, Andrew told liner note writer Nat Hentoff, „Listen to what is called the ‚avant garde‘ and you can hear African kinds of rhythms. You can hear field cries. You can hear the basic roots of jazz.
    „And that is one of the healthy elements in the move forward. You can best extend a heritage by understanding its past thoroughly. Another healthy element in what’s happening now is that we’re engaged in the first real musical breakthrough since the bebop period. Although some writers tend to categorize all avant-garde players as being part of the same style, the fact is that there are now so many individual styles instead of everybody trying to mimic Charlie Parker and playing fast series of eighth notes and flatted notes. I think that this rise in individuality is also linked to a growing awareness among the young players of how deep and diversified our musical roots actually are.
    „… I had a compulsion to construct an album expressing the legacy of the Negro tradition. For one thing, you’ll notice I try to use the piano in this set more as a percussive than as a lyrical instrument.“

    ~ Michael Cuscuna (March 1995), Liner Notes zu „The Complete Blue Note Andrew Hill Sessions (1963-66), p. 9

    Das Titelstück ist ein Motiv aus fünf Tönen, es lebt vom Kontrast zwischen den 5/4 und 4/4 Rhythmen und Patterns, die ein und ausgeblendet und übereinander geschichtet werden. Hill soliert als erster, gefolgt von Hubbard, der mit einem tollen Solo über den Rhythmen abhebt. Gilmore spielt während eines folgenden Interludes die Bassklarinette, Chambers löst den Puls komplett auf, dann folgt Gilmore mit einem äusserst expressiven Tenorsolo, noch immer ohne festen Puls. Dann folgt ein Dialog der drei Drummer, zu dem sich schliesslich Hill (mit harten hohen Patterns) und McBee gesellen. Schliesslich wird der Beat wieder fest und das Thema wiederholt.
    „Limbo“ heisst die zweite Nummer, sie folgt eher den üblichen Hill’schen Mustern, entwickelt sich über ein 12/8 Pattern von Chambers, in das sich McBee und die beiden Perkussionisten wunderbar einfügen. Das Thema besteht aus 20 Takten, in den ersten zehn spielen die Solisten Kadenz-artige Harmonien, in den zweiten zehn übernimmt die Rhythmusgruppe. Hubbard soliert als erster, konstruiert ein luftiges, streckenweise leicht Spanisch klingendes, melancholisch angehauchtes schönes Solo. Es folgt Hill mit einem sehr tollen tollen Solo, in dem er langsam-dahinschleichende Linien, dichte Akkorde und seine verschrobene Rhythmik zu einem ganzen verschmelzen lässt. McBee folgt, sein warmer, beweglicher Sound passt perfekt zu dieser Musik, verleiht ihr eine grosse Wärme. Es war wohl ein schlauer Entscheid, ihn an Davis‘ Stelle zu ins Studio zu holen. Gilmore
    Das kürzeste Stück der Session, „Legacy“, wird ohne die Bläser präsentiert. Es handelt sich um ein freies Stück, in dem Chambers mit Besen einen 6/4-Rhythmus trommelt, während Simmons und Qamar in doppeltem Tempo Patterns drüberlegen. Hill soliert über diesen tollen Background mit aktiver Unterstützung von McBee.
    Die letzte Nummer, „Premonition“, ist ein 6-taktiges Motiv aus lang-gehaltenen Tönen. Hubbard spielt Flügelhorn, Gilmore Bassklarinette, Davis stösst am gestrichenen Bass hinzu, während Qamar und Simmons mit „little instruments“ Farbe beisteuern. Die Solisten sind frei, sich als Basis einen der sechs Takte zu wählen. Hubbard soliert erneut als erster und weiss auch hier mit äusserst lyrischem und luftigen Spiel zu überzeugen – sein Spiel auf den beiden Hill-Sessions und auf „Dialogue“ gehört für mich wohl zum besten (und zugleich atypischsten) von ihm. Überhaupt ist das Stück von einer wunderbaren zugleich extrem lyrischen und völlig offenen Atmosphäre durchweht… Hill spielt reduziert, Gilmore folgt mit einem schönen Bassklarinettensolo, lotet die Sonorität des Instruments in den tiefen Lagen aus, kommentiert von Davis‘ Bass, der als Solist folgt, seinerseits von Qamar am Daumenklavier begleitet (Kalimba oder Mbira? Cuscuna schreibt Kalimba und so steht’s auch in der Diskographie).
    Für mich ist „Compulsion“ eins der speziellsten Hill-Alben, vor allem natürlich wegen des afrikanischen Einschlags (der hie und da Erinnerungen an Tyners wenig später entstandene Blue Note Alben weckt, aber Hill macht das alles sehr viel feiner, lyrischer, ohne jeglichen Bombast), aber auch weil es das Versprechen von Hubbards und noch viel mehr Gilmores ersten Auftritten als Hill-Sidemen mehr denn einlöst. Zudem wird hier mit einer Freiheit musiziert, die bei Hill selten anzutreffen ist – und das funktioniert enorm gut!

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    #7893715  | PERMALINK

    nail75

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    Boah, dieses Tempo! Ich wollte eigentlich noch etwas zu Judgement schreiben, aber hier geht alles so schnell… ;-)

    Heute Abend lese ich in Ruhe und kommentiere. Vielen Dank für die tollen Texte, gypsy.

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
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    gypsy-tail-wind
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    nail75Boah, dieses Tempo! Ich wollte eigentlich noch etwas zu Judgement schreiben, aber hier geht alles so schnell… ;-)

    Heute Abend lese ich in Ruhe und kommentiere. Vielen Dank für die tollen Texte, gypsy.

    Schnell? Ich höre die Alben rauf und runter, bevor ich zum nächsten weitergehe… höre zwar anderes dazwischen, aber das Mosaic-Set hab ich in den letzten zwei Wochen wohl fünfmal durchgehört!
    Grossartige Musik, die eben auch mehrmaliges (sogar aufeinanderfolgendes) Hören verdient und lohnt!

    Aufs Mosaic Select bin ich nun sehr gespannt, davon hab ich bisher das meiste noch gar nie gehört, obwohl’s schon seit einem Jahr oder so rumsteht (ebenso wie das noch komplett ungespielte Solo Select).

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    #7893719  | PERMALINK

    nail75

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    gypsy tail windSchnell? Ich höre die Alben rauf und runter, bevor ich zum nächsten weitergehe… höre zwar anderes dazwischen, aber das Mosaic-Set hab ich in den letzten zwei Wochen wohl fünfmal durchgehört!
    Grossartige Musik, die eben auch mehrmaliges (sogar aufeinanderfolgendes) Hören verdient und lohnt!

    Aufs Mosaic Select bin ich nun sehr gespannt, davon hab ich bisher das meiste noch gar nie gehört, obwohl’s schon seit einem Jahr oder so rumsteht (ebenso wie das noch komplett ungespielte Solo Select).

    Das war kein Vorwurf, aber ich kam nicht hinterher. Kurze Pause bitte, damit ich nachlesen kann. :-)

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7893721  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    nail75Das war kein Vorwurf, aber ich kam nicht hinterher. Kurze Pause bitte, damit ich nachlesen kann. :-)

    Später heute folgt wohl noch das Album mit Rivers – danach Pause, damit ich das Select sieben mal rauf- und runterhören kann, dazwischen eingestreut die einzelnen CDs natürlich… also keine Angst, bald herrscht hier von meiner Seite für eine Weile Ruhe! ;-)

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    #7893723  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Der Abstand zwischen Hills Sessions wurden etwas länger. Fanden die ersten fünf Sessions in einem Zeitraum von 18 Monaten statt, vergingen zwischen „Andrew!“, „Pax“ und „Compulsion“ jeweils acht Monate. Fünf Monate später war Hill mit Sam Rivers wieder im Studio. Begleitet wurden die beiden von einer Blue Note-atypischen Rhythmusgruppe: Walter Booker und J.C. Moses. Bassist Booker hatte zuvor schon auf ein paar Blue Note Sessions von Donald Byrd mitgewirkt, für Moses war das die einzige Blue Note Session überhaupt.
    Hill hatte zum ersten mal im Vorjahr auf Bobby Hutchersons „Dialogue“ mit Rivers gespielt und anscheinend gefiel ihm die Zusammenarbeit sehr – das Quartett hätte laut Cuscunas Notes zum Mosaic Set zu einer working group werden sollen.
    Die Aufnahme erhielt die Katalog-Nummer BST 84233 und hätte 1967 erschienen sollen, dazu kam es jedoch nicht. Erst 1975 erschien die Session gemeinsam mit einer unveröffentlichten Rivers-Session (ohne Mitwirkung von Hill) auf dem Doppel-Album „Involution“ (BN LA 453-2). Der Titel „Change“ stammt laut Cuscuna bereits von Alfred Lion:

    Alfred liked it a great deal at the time and was thinking about calling it CHANGE. It was even given a catalog number 84233 and prepared for release“

    ~ Michael Cuscuna (March 1995), Liner Notes zu „The Complete Blue Note Andrew Hill Sessions (1963-66), p. 10

    Ich habe diese Session in den letzten beiden Wochen mindestens sechs oder sieben Male gehört – und ausgerechnet heute gefällt sie mir ganz wunderbar, wobei ich sie sonst (auch am Wochenende noch) immer etwas verzettelt, unkonzentriert, mäandrierend fand. Bin wohl heute genau in der richtigen Stimmung (sie kriegt im Tages-Rating ****1/2 statt den ***1/2 aus dem Langzeit-Rating – dieses passe ich vorderhand nicht an).

    Der lange Master Take von „Violence“ beginnt mit einem starken Solo von Rivers – völlig ohne vorgegebenen Rahmen, aber getrieben von Hills Akkorden, dem pulsierenden Bass Bookers und Moses‘ sehr freien aber auch sehr swingenden Rhythmen. Hill folgt mit einem tollen Solo, dann steigt Rivers wieder ein, ein Dialog mit Hill entsteht, in dem die Musik immer dichter wird. Booker folgt am Bass, zunächst nur von Moses begleitet, dann beginnt Hill, ihn zu begleiten, zunächst kurz auf dem Piano und dann auf dem Cembalo, während Moses sich abgesehen von einigen Akzenten und einem leisen Grundrauschen zurückzieht. Er folgt dann aber selber mit einem Solo, das von Hill und Rivers begleitet wird (von Booker wohl auch, aber der geht hier unter… überhaupt: eigentlich hatte er ja einen schönen Sound, aber der kommt hier leider nicht richtig zur Geltung).
    Der kürzere Alternate Take war ursprünglich als Master vorgesehen. Hill eröffnet ihn vorderhand ohne Rivers und soliert als erster, Rivers, Booker (wieder mit Cembalo) und Moses folgen. Auch das eine schöne Performance, aber weniger dynamisch und dramatisch als der lange Take. Rivers zweites Solo hier ist sehr toll, ebenso Hills öffnendes Solo!
    Es folgt die Rubato-Ballade „Hope“, von Rivers präsentiert (er beschränkt sich übrigens aufs Tenor, was durchaus gut kommt!) und von Hill sanft eingebettet. Für die Soli wechselt Moses in einen schnellen aber fein-swingenden 3/4, über dem Rivers ein tolles Solo spielt, das jedoch die balladeske Stimmung stellenweise völlig aufgibt, sehr vokale Qualitäten hat (ein wenig wie bei Dolphy). Hills Solo ist lyrischer, sehr schön. Dann folgt Booker, mit Bogen – und ein letztes Mal setzt Hill sich ans Cembalo, dann leitet Moses mit einem tollen kurzen Solo, unter dem Booker weiterstreicht, über zum Thema. Eine wunderschöne Performance!
    „Illusion“ ist eine dieser typisch Hill’schen Singsang-Nummern: Hill repetiert unablässlich ein simples Motiv, das Booker dann übernimmt und zu einer ruckelnden Minimal-Basslinie macht, wie Richard Davis das so oft gemacht hat. Der Beginn des Themas im Rubato und mit gestrichenem Bass bricht die Musik allerdings kurzfristig auf, aber dann kündet Hill den Rhythmus wieder an. Hill soliert aus diesem Rhythmus hinaus, ein „kleines“ Solo mit rhythmischen Verschiebungen und abgehackten kurzen Motiven. Rivers übernimmt dann, auch er baut sein Solo aus kleinen Motiven aus, verzahnt sich mit dem Rhythmus von Booker – Hills Begleitung ist etwas freier, Moses spielt mit Trommeln und streut Rimshots ein und spielt dann selber ein schönes, Solo, das seinen freien, und spielerischen Umgang mit Swing und Groove verdeutlicht. Dann bricht der Rhythmus wieder auf für das Thema im Rubato.
    „Pain“ klingt anfänglich eher fröhlich, eine swingendes lineares Thema, in dem die Rhythmusgruppe sehr kompakt wirkt und enorm swingt (Rivers setzt aus). Das Stück klingt ein wenig nach Monk und noch mehr nach Herbie Nichols, es besteht aus 7 Takten und wird wiederholt. Booker spielt das erste Solo, mittlerweile gelingt es Rudy Van Gelder auch, seinen schönen Sound gut einzufangen – ein ausführliches und sehr schönes Bass-Solo, das sich in der Stimmung wie Hills folgendes Piano-Solo perfekt einfügt – eine fast zu homogene Performance für dieses sonst so freie Album.
    „Desire“ folgt wieder in zwei Takes, zuerst im kürzeren, der deswegen schliesslich doch zum Master Take wurde. Das Stück besteht aus einem 4-taktigen Thema im 5/4 Takt, Rivers soliert zweimal, dazwischen Hill. Bookers Lick klingt fast nach „Take Five“, aber Moses‘ freie Rhythmen und Hills dichte Akkorde lassen keine Zweifel daran, dass es sich hier um ganz andere Musik hält. Mit der Zeit beginnt Rivers, leicht orientalisch klingende Motive in seine Soli einzustreuen, mit Bookers Bass erinnert mich das dann ein wenig an die Musik, die Yusef Lateef fast ein Jahrzehnt davor gemacht hat. Rivers klingt hier wie in der ganzen Session leicht verhangen, ein klein wenig düster – sehr passend für Hills Musik, man kann sich jedenfalls denken, weshalb Hill gerne eine working group mit Rivers gehabt hätte – aber von meiner Seite bleiben Zweifel, ob Rivers auch für die komplexen Hill-Stücke geeignet gewesen wäre.
    Das letzte Stück, „Lust“, wird wieder im Trio ohne Rivers gespielt. Es ist ein zärtliches, romantisches Stück – auch hier ist der Titel wieder eher eigenartig gewählt. Hill ist der einzige Solist in dieser Rubato-Ballade, er spielt ein lyrisches Solo, in dem alle seine Qualitäten zum tragen kommen, die eigenartigen Akkorde, die Rhythmik, die so spannende Mischung aus Improvisation und Komposition, aus Struktur und Freiheit, dann die aus Linien, Arpeggi und langen Tönen zusammengesetzten Soli, der schöne Ton, den er aus dem Instrument zaubert, der stellenweise kristallklare Anschlag… – und das ist ein wunderschöner und würdiger Abschluss der wohl grossartigsten Phase in Hills Werk.

    Hier noch ein wunderbares Cover für dieses Album, das ein Freund gemacht hat lange vor die „Change“ Connoisseur CD erschienen ist:

    (@redbeans: ich halte mich nun brav an den Albumtitel „Change“, da ich nun weiss, dass er von 1966 und von Alfred Lion stammt! ;-) )

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    #7893725  | PERMALINK

    dougsahm
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    Mal ganz grundsätzlich (könnte ich auch anderer Stelle schreiben; bin aber erst heute in einem für hier nicht relevanten Zusammenhang an Andrew Hill erinnert worden – deshalb exemplarisch hier):
    Sehr beeindruckend und ich meine auch löblich Dein Engagement und Deine Zeit – auch die von Mitstreitern übrigens – Facetten des Jazz in diesem Forum aufzuarbeiten. Nur ist es so umfassend, dass man nur staunend lesen kann, aber nichts zusätzliches, fundiertes beitragen kann. Oder nur seltenst. Interesse haben daran so einige, sei gewiss.

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    #7893727  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    dougsahmMal ganz grundsätzlich (könnte ich auch anderer Stelle schreiben; bin aber erst heute in einem für hier nicht relevanten Zusammenhang an Andrew Hill erinnert worden – deshalb exemplarisch hier):
    Sehr beeindruckend und ich meine auch löblich Dein Engagement und Deine Zeit – auch die von Mitstreitern übrigens – Facetten des Jazz in diesem Forum aufzuarbeiten. Nur ist es so umfassend, dass man nur staunend lesen kann, aber nichts zusätzliches, fundiertes beitragen kann. Oder nur seltenst. Interesse haben daran so einige, sei gewiss.

    Danke, das hör ich natürlich gerne!

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    #7893729  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Bin jetzt am Mosaic Select… mit Verwunderung und Irritation und Begeisterung… man hätte wohl aus den ganzen Sessions mindestens ein grossartiges Doppel-Album zusammenschustern können – aber Ihr wisst hier ja mittlerweile alle, dass ich eh gerne die GANZEN Sachen höre und darum macht auch das hier grossen Spass, wenn auch einiges nicht sehr überzeugend gelungen ist. Kenyatta ist jedenfalls schon mal eine Überraschung (ich kannte bisher nur leicht späteres von ihm, etwa „Girl from Martinique“) und die Trio-Session zumindest am Piano ist grossartig!

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    #7893731  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    gypsy tail windBin jetzt am Mosaic Select… mit Verwunderung und Irritation und Begeisterung… man hätte wohl aus den ganzen Sessions mindestens ein grossartiges Doppel-Album zusammenschustern können – aber Ihr wisst hier ja mittlerweile alle, dass ich eh gerne die GANZEN Sachen höre und darum macht auch das hier grossen Spass, wenn auch einiges nicht sehr überzeugend gelungen ist. Kenyatta ist jedenfalls schon mal eine Überraschung (ich kannte bisher nur leicht späteres von ihm, etwa „Girl from Martinique“) und die Trio-Session zumindest am Piano ist grossartig!

    das ist doch mit One For One auf bis zu einem gewissen grad passiert, oder? also, da war Pax ganz drauf und dann eine Seite mit Highlights aus dem Select… find ich eigentlich konzeptionell nicht sooo gut, da die einzelnen Sessions ja schon offensichtlich als Alben konzipiert sind…

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    #7893733  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandricedas ist doch mit One For One auf bis zu einem gewissen grad passiert, oder? also, da war Pax ganz drauf und dann eine Seite mit Highlights aus dem Select… find ich eigentlich konzeptionell nicht sooo gut, da die einzelnen Sessions ja schon offensichtlich als Alben konzipiert sind…

    Ich meinte in diesem Sinne, dass mindestens doppelt soviel Material (also eine Doppel-LP ohne die Session mit Rivers) veröffentlichungswürdig gewesen wäre… aber wie Du sagst: die Sessions sind jeweils für ein Album gemacht worden, da wäre auch das keine befriedigende Lösung gewesen. Ich kann jedenfalls nachvollziehen – gerade auch deshalb – dass die Musik so lange im Kasten geblieben ist… bin aber selbstverständlich begeistert, dass dem jetzt nicht mehr so ist!

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    redbeansandrice

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    gypsy tail windIch meinte in diesem Sinne, dass mindestens doppelt soviel Material (also eine Doppel-LP ohne die Session mit Rivers) veröffentlichungswürdig gewesen wäre… aber wie Du sagst: die Sessions sind jeweils für ein Album gemacht worden, da wäre auch das keine befriedigende Lösung gewesen. Ich kann jedenfalls nachvollziehen – gerade auch deshalb – dass die Musik so lange im Kasten geblieben ist… bin aber selbstverständlich begeistert, dass dem jetzt nicht mehr so ist!

    vielleicht reden wir aneinander vorbei: es gab doch zwei Doppel-LPs: Involution (=“Change“ und dieses Rivers Album) und One for One (=“Pax“ und eine Compilation aus den Sessions des Selects)

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