1968 im jazz

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  • #10641213  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

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    Aufgenommen  vom 12ten – 14ten März 1968 …. Hugh Masekala erklimmt (auch) kommerzielle Gipfel und sinniert offenbar über Versprechen an die Zukunft ….

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    #10641329  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

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    In NY entsteht von Januar bis Juni, über einen Zeitraum von sechs Monaten, „The Jazz Composer’s Orchestra“, das zweite Album des gleichnamigen Ensembles von Michael Mantler und Carla Bley, ehemals nach der New Yorker Oktoberrevolution als Offspring von Bill Dixons Jazz Composers Guild gegründet. Der Klang ist durch fünf Bassisten, zwei (Bass-)Posaunen und Tuba (der fantastische Howard Johnson) erheblich low end, Michael Mantlers Kompositionen eigens als Bezugsrahmen für Solisten geschrieben: einmal Gato Barbieri und Don Cherry, einmal Lary Coryell, einmal Roswell Rudd und (auf dem Cover nicht erwähnt) Steve Swallow, Pharoah Sanders‘ Feature ist ein dreiminütiger Track, das für Cecil Taylor verfasste „Communications #11“ (Mantler spielte Anfang der 60er, Umzug von Wien nach NY, Trompete in Taylors Band) umfasst gleich zwei komplette LP-Seiten. Auf den beiden anderen Seiten spielt C. Bley Klavier, auf allen u.a. auch Steve Lacy, Jimmy Lyons und Julius Watkins, an den Drums Andrew Cyrille und Beaver Harris. Der Apostroph im Namen der Formation markiert den Singular – für weitere Releases bleiben jeweils einzelne Mitglieder des Orchestra federführend. Es komponieren in den folgenden Jahren: Cherry, Bley (das berüchtigte „Escalator Over The Hill“, Libretto: Paul Haines, gleichwertige Erwähnung auf dem Cover), Roswell Rudd, Grachan Moncur III, Leroy Jenkins, (besonders schön) Clifford Thornton. Aus JCOA, dem Label, entzweigen sich später WATT (für die Aktivitäten von Bley und Mantler, später der nachwachsenden Familie) und der New Music Distribution Service, ein Vertrieb, der ECM und Incus in die USA bringt und u.a. auch Philipp Glass‘ Chatham Square beherbergt.

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    #10641469  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

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    Im Frühjahr erscheint das erste Album, auf dem Dave Holland (sieben Monate vor den „Filles“-Sessions mit Miles), Evan Parker (drei Monate vor den Aufnahmen zu „Machine Gun“) und Derek Bailey (auf dem Backcover noch Dennis Bailey, seine früheren Heimaufnahmen werden erst Jahrzehnte später veröffentlicht) zu hören sind. Ergänzt um Bandleader John Stevens und Kenny Wheeler, die zwei Jahre zuvor schon den Kern des ersten Spontaneous-Music-Ensemble-Albums bildeten. London ist noch nicht ready, Bob Houston schreibt im „Melody Maker“: „Everybody seems to be whispering musical intimacies to each other, canvassing opinion and reactions from among the various instruments rather than attempting to communicate to us outside.“ Whispering musical intimacies: Was könnte eigentlich schöner sein? Die Aufnahmen datieren auf den 18. Februar, im April zieht der Produzent und Tontechniker von „Karyōbin“, Eddie Kramer, nach New York, um Jimi Hendrix bei den Sessions zu „Electric Ladyland“ zu helfen.

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    #10641473  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,394

    napoleon-dynamite Im Frühjahr erscheint das erste Album, auf dem Dave Holland (sieben Monate vor den „Filles“-Sessions mit Miles), Evan Parker (drei Monate vor den Aufnahmen zu „Machine Gun“) und Derek Bailey (auf dem Backcover noch Dennis Bailey, seine früheren Heimaufnahmen werden erst Jahrzehnte später veröffentlicht) zu hören sind. Ergänzt um Bandleader John Stevens und Kenny Wheeler, die zwei Jahre zuvor schon den Kern des ersten Spontaneous-Music-Ensemble-Albums bildeten. London ist noch nicht ready, Bob Houston schreibt im „Melody Maker“: „Everybody seems to be whispering musical intimacies to each other, canvassing opinion and reactions from among the various instruments rather than attempting to communicate to us outside.“ Whispering musical intimacies: Was könnte eigentlich schöner sein? Die Aufnahmen datieren auf den 18. Februar, im April zieht der Produzent und Tontechniker von „Karyōbin“, Eddie Kramer, nach New York, um Jimi Hendrix bei den Sessions zu „Electric Ladyland“ zu helfen.

    :good: feiner Beitrag :good:   ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10641499  | PERMALINK

    vorgarten

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    am 25. november, da ist holland natürlich längst festes mitglied der davis-band, entsteht das einflussreiche stück „directions“, das zwar nicht teil eines albums wird, erst in der gleichnamigen kompilation von 1981 auftaucht, aber sofort ins live-programm übernommen wird und bis 1971 jedes miles-davis-konzert eröffnet.

    hancock setzt hier aus, wir hören corea und zawinul an den elektischen klavieren, die mit holland zusammen die treibende bass-figur setzen. die tonart ist das rock-affine e-dur. zum ersten mal mit miles im studio ist jack de johnette, der den beat auf allen vier schlägen akzentuiert.

    „I came up with that beat, I had been listening to drummers like Ginger Baker, Buddy Miles and Sly’s drummer, Greg Errico. It was a rock beat.“ (DeJohnette)

    bei der nächsten session, am 18. februar 1969, entsteht IN A SILENT WAY, dann wieder mit tony williams.

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    #10643621  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

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    Aufgenommen am 27ten August 1968 in Lindström Studios, Köln …. hier ist die Welt des Gigi Campi fernab jedweder äusserer Einflüssing starr auf das eigene Jazzideal ausgerichtet …. würde man ohne Hintergrundnfos leicht in die frühen 60er (ver)setzen, superb arrangiert und gespielt ist diese Session jedoch allemal ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10647727  | PERMALINK

    friedrich

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    vorgarten auffällig ist z.b. der ziemlich definitive einzug der e-gitarre in den jazz – kaum eine blue-note-maintream-aufnahme, auf der nicht george benson zu hören ist, auch miles experimentiert mit ihm und anderen gitarristen.

    vorgarten
    am 25. november, da ist holland natürlich längst festes mitglied der davis-band, entsteht das einflussreiche stück „directions“, das zwar nicht teil eines albums wird, erst in der gleichnamigen kompilation von 1981 auftaucht, aber sofort ins live-programm übernommen wird und bis 1971 jedes miles-davis-konzert eröffnet.
    hancock setzt hier aus, wir hören corea und zawinul an den elektischen klavieren, die mit holland zusammen die treibende bass-figur setzen. die tonart ist das rock-affine e-dur. zum ersten mal mit miles im studio ist jack de johnette, der den beat auf allen vier schlägen akzentuiert.

    „I came up with that beat, I had been listening to drummers like Ginger Baker, Buddy Miles and Sly’s drummer, Greg Errico. It was a rock beat.“ (DeJohnette)

    Directions kannte ich bisher noch nicht. Thx dafür! Schweinerei eigentlich, dass das nicht anständig auf einem Album veröffentlicht wurde.

    Ach, die E-Gitarre und die Rock Drums im Jazz der späten 60er! Man könnte den Eindruck gewinnen, das mancher Bandleader damals am liebsten Jimi Hendrix oder Jimmy Page und Ginger Baker oder John Bonham in seiner Band gehabt hätte.

    Hier versucht Horace Silver nur im Titel des Stückes auf den Rockzug aufzuspringen:

    Horace Silver Quintet – Psychedelic Sally (von Serenade To A Soul Sister, 1968)

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10648223  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,006

    friedrich
    Hier versucht Horace Silver nur im Titel des Stückes auf den Rockzug aufzuspringen:
    Horace Silver Quintet – Psychedelic Sally (von Serenade To A Soul Sister, 1968)

    ja, silver reizt hier noch hardbop und souljazz aus, obwohl er mit maupin und tolliver schon ein paar schärfere stimmen in der band hat als zuvor. tolliver ist auch in max roachs kurzzeitiger arbeitsband von 1968 dabei, zusammen mit anderen, die schon auf dem individualistischen absprung sind: stanley cowell und gary bartz. das ergebnis ist ein bisschen heißer als bei silver:

    aber wie hat man die referenz auf den spiritual „members don’t get weary“ zu verstehen: weiterarbeiten, den lohn dafür gibt’s im himmel? oder nicht müde werden, es ist noch nichts erreicht? jedenfalls auch das vielleicht ein neuer ton bei roach, der zu beginn des jahres noch mit abbey lincoln (und steve lacy! red mitchell!) und dem prayer-protest-peace-tryptich in rom aufgetreten war.

    mit der e-gitarre kann man im jazz 1968 noch nicht so viel anfangen, außer als sanftem kommerzialisierungsmittel (was, wie ich finde bei szabo und mcfarland noch am besten gelingt). pete cosey spielt in chicago noch sehr klassischen blues und sonny sharrock ist 1968 in der poppigen working band von herbie mann:

    insofern ist das, was derek bailey 1968 in london macht, durchaus pionierarbeit. und ein jimi hendrix ist da weit und breit nicht zu sehen.

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    #10648297  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,857

    vorgarten und ein jimi hendrix ist da weit und breit nicht zu sehen.

    Larry Coryell hielt sich zumindest für Hendrix:

     

    --

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    #10648303  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

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    Die Jams von Hendrix mit Larry Young (ich finde sie ja eher enttäuschend, es sind halt Jams … und nicht welche auf dem Niveau einer guten Jam-Session von Jazzern, die im besten Fall ja sofort einen Draht haben und in die Vollen greifen können) sind vom Frühjahr 1969, stimmt das? Fällt ja auch fast noch in das Zeitfenster hier … hatte wegen des Ribot (Ceramic Dog) Konzerts am Samstag gerade eine Diskussion mit dem Freund, der mitgekommen ist (und fand: wenn er Rock hören wolle, ginge er nicht an ein Jazzfestival … mir war’s etwas zu laut, aber ich fand den Auftritt ziemlich gut) – er ist an sich vielem gegenüber aufgeschlossen, aber die ganzen Jazz-Rock-Sachen interessieren ihn wohl nicht sehr, das habe ich bisher nie vertiefend mit ihm besprochen … anyway, diese ganzen Berührungen von Jazzern mit der Rockwelt oder die Anverwandlungen (Mahavishnu Orchestra, Lifetime, Coryell, Sharrock …) fallen wohl direkt in die Phase NACH derjenigen, die wir hier besprechen („Emergency“ und „Extrapolation“ sind auch von 1969).

    An Bailey und die anderen Europäer hatte ich im Verlauf des Threads hier auch schon mehrmals gedacht, und das von Napo erwähnte „Karyobin“ ist natürlich ein grosser Klassiker. Schlippenbach, Schoof, Mengelberg, Breuker, Brötzmann haben alle 1967 (oder 1966) schon aufgenommen, Barney Wilen traf in dem Jahr (nunja) auf Indien und verzog sich dann nach Afrika … in Europa tat sich jedenfalls so einiges, „Instant Composers Pool“ ist z.B. von 1968. Oder – noch eine andere Ecke, mit Europa-Bezug, aber aus Südafrika: „Very Urgent“, Chris McGregor.

    Und in Sachen Gitarre: 1969 entstanden die John Patton-Aufnahmen mit James Blood Ulmer.

    Und Ronnie Ross (der Saxophonlehrer von Ziggy Stardust) spielte in England sein bestes Album ein, „Cleopatra’s Needle“. Aber das hat soulpope sicher schon genannt?

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10648323  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,006

    napoleon-dynamiteLarry Coryell hielt sich zumindest für Hendrix

    ja, absolut richtig – der hatte 1968 die ohren am weitesten auf, auch wenn er mit seinem gesinge ziemlich epigonal daherkam:

    auf LADY CORYELL (1968) gibt es ja auch die aufnahmen mit elvin jones und jimmy garrison, aber da traut er sich natürlich nicht, seine effektkiste auszupacken. richtig toll finde ich ihn ja kurz danach (und auch nur für ganz kurze zeit), z.b. beim montreux-auftritt 1971, mit purdie und rainey – „stones“ z.b. ist wirklich grandios:

    @gypsy-tail-wind: blood bei patton ist noch weit weg von seinem eigen idiom, finde ich. und genau, mclaughlin (der, wie ich finde, erste wichtige hendrixinfizierte jazzgitarrist) kam kurz danach.

    südafrika 1968 wäre vielleicht ein spannendes thema, da kenne ich mich noch zuwenig aus. die ersten interessanten, eigenen jazzsachen aus japan kamen dagegen erst 1969.

    --

    #10648543  | PERMALINK

    wahr

    Registriert seit: 18.04.2004

    Beiträge: 14,806

    Ist Alan Silvas „Skillfullness“ eigentlich eine Replik auf oder Fortführung (mit anderen Mitteln) von „Selfnessless“ von John Coltrane? Coltranes Track ist zwar von 1965, wurde aber erst 1968 veröffentlicht, kurze Zeit später erschien „Skillfullness“. Silva gab als großen Einfluss für seine Herangehensweise an freie Improvisation „Ascension“ an: „… my model was John Coltrane’s „Ascension“ … the things that Coltrane didn’t do there. The first ten minutes of that changed everything, but if he’d gone straight on with the collective improvisation, there might have been nothing left for me to do!“

    Beeindruckende Platte, die mich ein bisschen an „Headdress“ von Sunburned Hand Of The Man erinnert: Hippie-Träume mit Gruppenimprovisation. Spirituell-schamanistisch oder LSD-Rock aus dem vergessenen Trailer-Park.

    #10649711  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    Jimi Hendrix und gar Jimmy Page hier zu erwähnen – das war zugegeben sehr weit ausgeholt.

    Mir scheint es aber ein wenig so, als hätte es im Rock gegen Mitte/Ende 60er eine rasante Entwicklung hinsichtlich Elektrifizierung und damit auch Dynamik, Klangreichtum und schiere Kraft gegeben. Die E-Gitarre gewinnt immer mehr an Bedeutung und mit ihr solch ikonoklasitsche Virtuosen wie Hendrix und Page. Und Rock gewann ja auch künstlerisch immer mehr an Komplexität und konnte ernst genommen werden. Um da mitzuhalten, mussten Bläser im Jazz sicher ziemlich tief Luft holen. Da schielte der Jazz wohl manchmal etwas neidisch in diese Richtung. Oder ist das eine allzu steile These?

    Ein rising electric guitar star am Jazzhimmel des Jahres 1968 war wohl der hier schon mehrfach erwähnte George Benson. Was machte der eigentlich 1968?

    George Benson – The Shape Of Things To Come (1968)

    Offenbar völlig unbeleckt davon, was parallel im Rock geschah. Ob man dem programmatischen Titel Gauben schenken darf, wage ich nicht zu beurteilen.

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #10649813  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,006

    friedrichUnd Rock gewann ja auch künstlerisch immer mehr an Komplexität und konnte ernst genommen werden. Um da mitzuhalten, mussten Bläser im Jazz sicher ziemlich tief Luft holen. Da schielte der Jazz wohl manchmal etwas neidisch in diese Richtung. Oder ist das eine allzu steile These?

    über mangelnde komplexität im jazz musste man sich ende der 60er wohl kaum beschweren. auch klingt „neidisch“ so, als ginge es um eine charakterfrage, wo es doch wahrscheinlich eher darum ging, dass jazz clubs schlossen, festivals plötzlich vor allem rock acts einluden, die plattenfirmen es sich sehr einfach ausrechnen konnten, was sich verkaufen wird und was sehr viel weniger. einen job zu haben oder im nächsten jahr schon nicht mehr, das kann einen ja schon umtreiben. aber natürlich gab es musiker, die im rock nicht nur den kommerz und die arbeitsmöglichkeiten sahen, sondern auch die neuen sounds, die lautstärke, ein medium für politischen protest, ein kommunikationsmittel einer neuen generation (und da ist miles natürlich nochmal ein anderer fall als coryell).

    wie das alles zusammenläuft, auseinanderbricht, sich infrage stellt, kriege ich weniger in steile thesen verpasst, als dass es mir spaß macht, genauer hinzuhören. 1968 ist ganz bestimmt kein jahr, in dem viele großartige jazzaufnahmen entstanden sind – aber bestimmt eines der vielfalt, des ausprobierens, der ratlosigkeit und der aufregenden widersprüche.

    friedrichEin rising electric guitar star am Jazzhimmel des Jahres 1968 war wohl der hier schon mehrfach erwähnte George Benson. Was machte der eigentlich 1968?

    in der ersten hälfte des jahres spielt er quasi auf jeder blue note session mit: hank mobley (REACH OUT), larry young (HEAVEN ON EARTH), lee morgan (TARU), lou donaldson (MIDNIGHT CREEPER) – dann ist er auch schon leader (s.o.). die wärme und flüssigkeit von bensons spiel hat ja schon eine spezifische qualität, dafür musste man dann auch schnell CTI erfinden.

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    #10651507  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 4,877

    vorgarten

    friedrichUnd Rock gewann ja auch künstlerisch immer mehr an Komplexität und konnte ernst genommen werden. Um da mitzuhalten, mussten Bläser im Jazz sicher ziemlich tief Luft holen. Da schielte der Jazz wohl manchmal etwas neidisch in diese Richtung. Oder ist das eine allzu steile These?

    über mangelnde komplexität im jazz musste man sich ende der 60er wohl kaum beschweren. auch klingt „neidisch“ so, als ginge es um eine charakterfrage, wo es doch wahrscheinlich eher darum ging, dass jazz clubs schlossen, festivals plötzlich vor allem rock acts einluden, die plattenfirmen es sich sehr einfach ausrechnen konnten, was sich verkaufen wird und was sehr viel weniger. einen job zu haben oder im nächsten jahr schon nicht mehr, das kann einen ja schon umtreiben. aber natürlich gab es musiker, die im rock nicht nur den kommerz und die arbeitsmöglichkeiten sahen, sondern auch die neuen sounds, die lautstärke, ein medium für politischen protest, ein kommunikationsmittel einer neuen generation (und da ist miles natürlich nochmal ein anderer fall als coryell).
    wie das alles zusammenläuft, auseinanderbricht, sich infrage stellt, kriege ich weniger in steile thesen verpasst, als dass es mir spaß macht, genauer hinzuhören. 1968 ist ganz bestimmt kein jahr, in dem viele großartige jazzaufnahmen entstanden sind – aber bestimmt eines der vielfalt, des ausprobierens, der ratlosigkeit und der aufregenden widersprüche.

    friedrichEin rising electric guitar star am Jazzhimmel des Jahres 1968 war wohl der hier schon mehrfach erwähnte George Benson. Was machte der eigentlich 1968?

    in der ersten hälfte des jahres spielt er quasi auf jeder blue note session mit: hank mobley (REACH OUT), larry young (HEAVEN ON EARTH), lee morgan (TARU), lou donaldson (MIDNIGHT CREEPER) – dann ist er auch schon leader (s.o.). die wärme und flüssigkeit von bensons spiel hat ja schon eine spezifische qualität, dafür musste man dann auch schnell CTI erfinden.

    Nein, über mangelnde Komplexität im Jazz konnte man sich Ende der 60er nicht beklagen. Aber man konnte sich auch immer weniger über mangelnde Komplexität im Pop beklagen.

    Ich drücke es mal anders aus: Die Entwicklungen in Pop, Rock und natürlich auch im R&B (James Brown, Sly Stone, Curtis Mayfield, Issac Hayes …) der damaligen Zeit waren wohl eine Herausforderung. Würde ich etwas von Wirtschaft und Technik verstehen, könnte ich vielleicht sagen: da gab es technische und künstlerische Innovationsschübe, die zu deutlichen Qualitätsteigerungen führten, mit denen sich die Gunst des Publikums verschob und damit auch die wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Musikmarkt in Bewegung kamen. Jazz tat sich damit offenbar etwas schwer.

    Die Frage „Was machte George Benson 1968?“ hatte ich ja teilweise schon selbst beantwortet. Ich kenne das Album The Shape Of Things To Come bloß oberflächlich. Aber der Titel scheint zumindest für George Benson selbst durchaus zukunftsweisend zu sein. Ja, genau (auch) dafür hat Creed Taylor CTI erfunden und damit nicht nur wirtschaftlichen Erfolg gehabt. Viellecht ist die Frage „Was machte Creed Taylor 1968?“ gar nicht so dumm.

    „spezifische Qualität“

    – das klingt ja fast schon gemein! ;-)

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
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