Re: Wie hört ihr Jazz?

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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dropped bomb
Wenn ich selbst was beitragen soll: Ich finde immer ganz typisch für P. Sanders, dass er auf Störgeräuschen Melodien spielt. Andere fügen eher mal ein Knarzen oder Kreischen in ihre Linien ein oder machen vielleicht einfach eher Geräusche als Töne. Sanders hingegen hat es drauf, Tonfolgen auf dieser Geräuschklaviatur zu spielen.

wenn wir hier das gleiche meinen: das kann wohl am perfektesten david murray (überblasene sachen tatsächlich als melodielinien zu spielen). oder du meinst die eigenartigen töne, die sanders nur durch betätigen der klappen am instrument (und dem mikrophon) erzeugt, ohne überhaupt hineinzublasen (das macht wirklich nur er…).

dropped bombAngeregt zu diesem Thread hat mich übrigens unter anderem dieser Satz von Vorgarten: „manchmal ist das alles richtig schade – wenn evans ein rhythmisches angebot nach dem nächsten macht, und wirklich NICHTS davon wird angenommen.“ Da dachte ich: mit meiner Art zuzuhören wäre mir sowas nicht aufgefallen, ich brauche mehr Anregungen, auf was man alles achten kann.

ganz konkret meinte ich das in dem stück „what is this thing called love“ in den aufnahmen des evans-trios ohne publikum, quasi das letzte set. das ist wahrscheinlich nur auf der kompletten verve-box drauf (cd 7, stück 1). da höre ich deutlich, wie evans verschiedene rhythmische variationen versucht, auf die weder israels noch bunker einsteigen. überhaupt ein unterschied zu jarrett z.b. – dass die evans-trios keine „geschichten erzählen“, sondern – ich weiß nicht – gedichte aufsagen?

ich kann aber eigentlich wenig zu diesem thread beitragen bzw. möchte es nicht – wenn ich noch anfange, mein eigenes hören zu reflektieren, komme ich zu gar nichts mehr. ;-)
was ich aber nachvollziehen kann: dass man durch jazzliteratur und kanonisierte aussagen dazu gedrängt wird, etwas zu hören – man hört das aber nicht bzw. was anderes. das finde ich gut und heilsam. da gibt es tatsächlich eine dünne linie, die auch hier manchmal für verstimmung sorgt, zwischen schwer zu hinterfragenden aussagen (bill evans spielt besser als mein opa) zu riskanten persönlichen überzeugungen (dass ich mit SKETCHES OF SPAIN oder OUT TO LUNCH nichts anfangen kann, obwohl ich ein riesen miles- und dolphy-fan bin; und dass ich tatsächlich alice coltrane, alan shorter und rashied ali für wirklich grandiose musiker halte).

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