Re: Blind Fold Test #15 – Friedrich

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gypsy-tail-wind
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Allererste Eindrücke, beim ersten Hören live mitgetippt …

#01 – Kommt mir sehr bekannt vor … aber ich komme nicht drauf. Toll, der Wechsel zwischen pedal point und dem Swingenden 4/4, das gibt dem Stück immer wieder Schub – und dass der zweite Hälfte der Soli dann nur in 4/4 gespielt wird, bringt wiederum eine gewisse Ruhe rein, die ein anderes Entwickeln, mehr Storytelling erlaubt. Der erste Name, der mir hier einfällt, ist Stanley Turrentine, naheliegenderweise dann Tommy an der Trompete. Aber nein, das sind sie wohl doch nicht … mein Hardbop-Kompass tut sich hier schwer, zumal ich seit Jahren nur noch wenig und in den letzten eineinhalb Jahren sozusagen gar keinen Hardbop mehr gehört habe (und wenn, dann öfter ein paar altbekannte Lieblingsalben wie „Soul Station“). Aber das hier ist klasse, der Trompeter hat etwas von der Verletzlichkeit und Sensibilität eines Kenny Dorham, aber auch etwas leicht unstetes (daher fällt Blue Mitchell weg, Lee Morgan sowieso) – ist das doch Tommy? Beim Tenor bin ich mir aber erstaunlich unsicher, ich halte Stanrely Turrentine zumal in den frühen und mittleren Sechzigern eigentlich für einen Saxophonisten, den ich stets erkenne, und z.B. das Motiv bei 2:25 klingt schon arg nach ihm. Beim Klavier denke ich an Sonny Clark, aber im Ton ist etwas anders, im Anschlag etwas weicher … Ich habe zur Sicherheit rasch nachgeschaut und das Stück findet sich nicht auf den Stanley T-Alben, die ich da habe (oder den Parlan-Alben mit den Turrentines … und Roach ist das hier natürlich nicht). Das Stück lief jetzt dreimal, der Fade-Out … es klingt schon alles nach einer klassischen Blue Note-Aufnahme hier, aber ich komme noch nicht drauf … weiter zur Nr. 2.

#02 – Hoppla … ein simpler Blues mit einer rinky dink-Orgel, die mir nicht sonderlich gut gefällt. Mir R & B habe ich gar kein Problem, aber die alte Orgel (Bill Doggett? Wild Bill Davis?) finde ich doch selten wirklich gut. Milt Buckner? Ach, es gibt doch noch Bläser – yowzah! Ein gar breiter Ton, der kaum in den Takt passen will, so raumgreifend ist er. Yeah! Diese Linie aufwärts, das harte Vibrato, die Kanten und Ecken … gefällt mir sehr gut, das Tenorsolo! Mittlere Fünfziger?

#03 – YEAH! Klasse! Toll die Passagen nur mit den Drums! Das ist alles nicht ganz so zickig wie bei James Brown, aber geht doch in die Richtung … Retro-Soul, ja? Oder doch ein obskurer alter Track, der hier klanglich völlig aufgeräumt wurde? Auch das Stück lief gleich mehrmals (vier Mal sogar).

#04 – Das geht stilitisch etwas weiter zurück … gefällt mir gut, mit dem obstinaten Beat … hat jedenfalls Ohrwurmcharakter und viel Charme und ein hübsches verschattetes Tenorsaxophon, das nicht gleich durchdreht, wenn es losgelassen … allerdings hätte ich davon doch gerne ein klein wenig mehr gehört.

#05 – Ein Bossa, wenigstens anfänglich leicht verschroben – was gut tut jetzt … dann eine Art „Song for My Father“-Riff, fetter Orgelbass (mag ich!), ein einfaches Bläser-Riff … und dann die Gitarre – wohl der Leader hier? Klingt nach Grant Green, aber falls er es ist, ist das aus der Zeit, die ich nicht mehr gut kenne. Aber ja, klar ist er das, sonst müsste es nämlich ein Klon sein! Och, und jetzt noch etwas Mogie dazu? Us3? Das ganze Ding hier ist eine Collage, verdammt raffiniert gemacht, die Zitate in den zusammengeklaubten Soli bringen doppelte und dreifache Böden mit, es gibt sogar mal eine Stelle (im Tenorsolo), wo ich an Esquivel denke … nicht ganz meine Baustelle, jedenfalls keine Herzensangelegenheit – aber Spass macht es, das zu hören!

#06 – Das ist mir zu vorgespurt … im Sound fett, kompetent gemacht … nein, es ist mehr als das, aber es nicht so ganz mein Ding.

#07 – YEAH! Das ist nun klar, für einmal! :sonne:
[SPOILER]klick

#08 – Auch das Stück kenne ich … habe ich vor Jahren mal selbst in einer Band gespielt, die leider nie über den Proberaum hinausfand. Aber damn, ich komme grad nicht drauf, wie es heisst.
[SPOILER]Billy Cobham? Mike Brecker? Eine etwas härter groovende, dichtere Version von „Red Baron“, nicht?

#09 – Hier ist Herbie Hancock mein erster Gedanke, wegen des Sounds des E-Pianos … die Nummer ist mir etwas zu langatmig, aber der Beat am Anfang ist verdammt geil! Ron Carter? Das Ding wächst mir bei den Wiederholungen, die ich einschalte, immer mehr ans Herz – und klingt verdammt vertraut.

#10 – Mehr funky E-Piano … schön, wie hier über dem tief ausschwingenden Bass der Groove langsam aufgebaut wird, die Gitarre hinzustösst (Jimmy Nolen lässt kurz grüssen), sich dann aber eine flache Melodie drüberlegt, ein ruhiges Thema, das raffiniert mit dem Beat der Rhythmusgruppe verzahnt ist. Diese beiden letzten Tracks gefallen mir zwar gut, aber das ist doch auch Musik, bei der ich recht schnell abschweife, merke, dass ich nicht mehr aufmerksam hinhöre – Musik, die irgendwie vorbeizieht, bei der ein aufmerksames Hören aber dennoch belohnt wird. Der Beat ist mir aber bei beiden auf die Länge etwas zu simpel, oder auch: zu geschliffen, zu wenig roh und aufregend. Die Drums verfallen in irgendwelche Muster (das hier könnte fast schon aus der UK Acid Jazz-Szene der Neunziger stammen?), der Bass ist zu rund im Sound, auch wenn er schön wummert, spielt wohl am Ende fast zuviel … und hat man hier Keith „No End“ Jarrett eingeladen, um zu stönen? ;-). Mir ist das wohl etwas zu unterkühlt, auch das E-Piano beginnt mir der Zeit zu perlen, zu tröpfeln. Das klingt jetzt nach viel fundamentaler Kritik, als intendiert, ich finde alle Stücke hier hörenswert, würde keinem einzigen weniger als *** geben.

Danke für diese unterhaltsame Zusammenstellung! Ich will mir einiges sicher noch einige Male anhören und möchte wenigstens dem Opener noch auf die Spur kommen!

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