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Nun … so richtig aussagekräftig ist die nachfolgende Rezension nicht. Vor allem zum Klang gibt’s keine Infos und Einschätzungen. Sei’s drum …
The Smiths – „Complete“
(Rhino/Warner, bereits erschienen)Es gibt ein noch kompletteres komplett remastertes Komplettboxset der Smiths, das wiederum doppelt so teuer wie dieses hier ist und bei Ihnen, werter Leser, jahrzehntelang einsam in der Schrankwand stehen wird. Wenn ein Markgraf oder Kalif Sie einmal zu Hause besucht, nehmen Sie die große Schatulle mit Glacéhandschuhen auseinander, um dem Besuch zu bedeuten, dass Sie „dabei gewesen“ sind. Das hier vorgestellte 12″-Vinyl-Boxset beherbergt sämtliche Smiths-Alben, also auch das Live-Dokument „Rank“ und die geschätzten Kompilationen. „Was willst denn ausgerechnet Du noch Neues über die Smiths schreiben, Jan?“ fragte kürzlich der jüngste meiner vier Praktikanten. „Keine Ahnung“, sagte ich, „ich würde auch viel lieber etwas von Arne Willander oder Tobias Rüther zum Thema lesen, but what are you gonna do? Morrissey arbeitete mit Weltanklagen, doch ganz im Gegensatz zu dem Quatsch, den er heute in gnädig gewährten Gesprächsaudienzen mit beglückten Schmeichlern und Speichelleckern erzählt, wenn der Tag wieder mal zu lang wurde, nahm sich der eitle Sybarit damals nie selbst aus der Schusslinie: Die scheuen Küsse unter der alten Brücke, die Treffen am Brunnen und das gute Leben, das irgendwo da draußen auf ihn wartete – nichts konnte darüber hinwegtäuschen, dass der junge Stephen Patrick Morrissey rechtschaffen nach einem Ort für sich suchte – und diesen fand, indem er ihn erzwang. In vielen der flackernden, bebenden Stücke des Debüts „The Smiths“ wurde das Dilemma der Adoleszenz beschrieben, doch Morrissey war bereits mit dem Gemüt eines alten Mannes geschlagen: „It just wasn’t like the old days anymore/ No, it wasn’t like those days/ Am I still ill?“ Auf „Meat Is Murder“ und „The Queen Is Dead“ gab es mehr Kränkungen, Demütigungen, Entehrungen und kapitale Beschwerden, Johnny Marr spielte Gitarre wie ein Gott, Morrissey setzte sich mit Oscar Wilde und Wegen zum Ruhm zur Wehr, schrieb aber auch einen der deprimierendsten britischen Songs aller Zeiten: „I had a really bad dream/ It lasted 20 years, 7 months, and 27 days/ Never had no one ever.“ Meine liebste Smiths-LP, „Strangeways, Here We Come“, hielt ich immer für bemerkenswert unterschätzt: Besonders „Paint A Vulgar Picture“, „Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me“ und „Stop Me If You Think You’ve Heard This One Before“ zählen zu den niederschmetterndsten, verbittertsten Aufzeichnungen des Patienten M.. Erst gestern erfuhr ich, dass es in den großen Elektrofachmärkten keine CD-Player mehr zu kaufen gibt. Meine alten Smiths-Schallplatten, deren Rillen man mit bloßem Auge kaum noch erkennen kann, schenke ich nun einem Menschen, der sie verdient.
„The Smiths“ (10), „Meat Is Murder“ (10), „The Queen Is Dead“ (10), „Strangeways, Here We Come“ (10), „Rank“ (8), „Hatful Of Hollow“ (10), „The World Won’t Listen“ (10), „Louder Than Bombs“ (10) Jan Wigger
Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,792488,00.html
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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.