Re: Jazz-Parerga

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redbeansandrice

Registriert seit: 14.08.2009

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clasjaz
Also nochmals: wenn dem Jazz nichts besseres einfällt, als den Pop weiterzuentwickeln, der schon vor ihm gestorben war, und nicht die Klassik, na dann, ist es halt ein Spielchen, ein Popspielchen. Aber so ist es doch nicht. Oder doch? Na dann.

die Frage wann der Pop verstarb können andere hier kompetenter beantworten als ich, würd aber tendentiell behaupten, dass der Jazz zuerst starb, denn um 1980 war er schon tot, der Pop nicht… und natürlich sterben so Kunstformen nicht von einem auf den anderen Tag völlig, da unterscheiden sie sich von Menschen…

dass Andrew Hill so gut ist, wie er ist, besser als so gut wie jeder klassische Pianist, find ich jetzt nicht besonders überaschend, ich mein, das was der Jazz aus den Geburtenjahregängen 1915 bis 1935 an Talenten gezogen hat, grad auch aus der vergleichsweise alternativenlosen schwarzen Bevölkerung der USA – davon kann die Klassik im zwanzigsten Jahrhundert über ganz weite Strecken nur Träumen… Klassik ist halt ein Sport für höhere Töchter und asiatische Ehrgeizlinge geworden über sehr weite Strecken, dass da jetzt selbst die größten Künstler der Gegenwart nicht soooo toll sind, find ich erstmal nicht überaschend; dass ein Andrew Hill, der ja große Teile seiner Musik selbst entwickelt hat, und demnach einen viel besseren Grund hatte, seine Technik auf die eine oder andere Art zu entwickeln, und der auch einfach ein überragend talentierter Mensch war, am Ende mit einer großartigen Klaviertechnik dasteht, auch das kann ich nicht wirklich überaschend finden…

die Idee, dass der Jazz die Klassik weiterentwickeln soll, war ja in den 50er Jahren eine große Sache (Third Stream…), und ich persönlich find das auch längst nicht so gescheitert, wie man gelegentlich liest… andererseits: wozu? wo der Jazz jetzt den Pop weiterentwickelt hätte, nach 1950, seh ich allerdings nicht so recht, meinst du Fusion? das ist eine Genre, das heute etwa genauso mausetot ist wie Third Stream, vielleicht noch mausetoter (beide gibt es ja durchaus noch, für letzteres kannst du mal nach Daniel Schnyder gucken, deezer hat nicht seine besten Sachen, der ist ganz gut…); ich hatte mal ein paar Monate Jazz-Klarinettenunterricht, mag nicht der konventionellste Ansatz gewesen sein, aber da hab ich fast nur Solostücke aus der neuen Musik zum üben gekriegt, Strawinsky, Jindrich Feld, Messiaen,… Jazzer mit Klassikhintergrund gibt es durchaus viele heute – aber das seh ich persönlich eher als Zeichen einer Degeneration (und das sie unaufhaltsam ist, warum soll man versuchen sie aufzuhalten)

im übrigen: selbst wikipedia weiß, dass Andrew Hill als Jugendlicher Unterricht bei Paul Hindemith hatte…

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