Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Warum hat der schwarze Rock´n´Roll aufgehört oder ist das überhaupt so? › Re: Warum hat der schwarze Rock´n´Roll aufgehört oder ist das überhaupt so?
Mikko
Eine besondere genetische Disposition für bestimmte Musikformen ist m.E. nicht nachweisbar. Entscheidend ist viel mehr der soziokulturelle Hintergrund. Und der ist in Afrika ein anderer als in Europa, in bestimmenten afroamerikanischen Communities ein anderer als in weißen Familien des mittleren Westens der USA usw.Es gibt nicht den typischen Schwarzen oder den typischen Weißen. Musikalische Vorlieben und Dispositionen hängen sehr stark vom Umfeld ab, in dem man sozialisiert wurde. Insofern wird es in Afrika oder Asien den Rockgitarristen vom Schlage eines Jimmy Page oder oder auch Angus Young kaum geben. Und auch ein in New Orleans aufgewachsener Afroamerikaner wird sich vermutlich andere musikalische Vorbilder suchen.
Die von tolo genannten Beispiele (wie wohl ich etliche davon nicht zuvorderst unter Rock subsumieren würde) zeigen doch, dass es mittlerweile genug nicht-weiße Rockmusiker gibt.Aber Pete, ich hab auch noch nicht 100%ig verstanden, was Du eigentlich ergründen willst. Eigentlich halte ich es in dieser Frage eher mit Mista. Ich akzeptiere die Musik und die Leute, die sie machen. Und ich frage nicht danach, warum sie keine andere spielen. Eher möchte ich wissen, warum sie ihre Musik spielen bzw. wie sie dazu gekommen sind und wie sie sich entwickelten.
Oh, ich glaube du hast mich gar nicht so schlecht verstanden. Wir sind jetzt zu einem interessanten und wahrscheinlich zentralen Punkt vorgestoßen: Die soziokulturelle Prägung. Das ergibt schon einige Antworten.
Sonic Juice
In Bezug auf die Eingangsfrage würde ich allerdings auch stark vermuten, dass es wirklich schlicht um die sozio-kulturelle Prägung geht. Ein Schwarzer, der in einer weißen Familie in Deutschland aufwächst, hat sicherlich grundsätzlich die gleichen Aussichten, mal ein Heavy Metal-Fan zu werden, wie jeder andere Junge aus seinem Umfeld.
Das passt ja auch dazu. Ich hatte gestern noch eine interessante Gesprächsrunde mit einigen Musikfreaks zu der Frage. Dazu gab es dann einige Vermutungen, Theorien, was es damit auf sich hat.
Zunächst wurde eingebracht, dass es Grenzen gar nicht mehr gibt, siehe die Beispiele. Dann wurde doch zugestimmt, dass die Beispiele zwar vorhanden, aber doch eher wie Ausnahmen wirken. Keiner wollte unterstreichen, dass schwarze Künstler eigenen „Rock“ in Form von Hip Hop oder Funk machen. Das waren aber eben nur Meinungen, man könnte den Aspekt noch weiter beleuchten.
Gleichwohl war man sich einig, dass (gut, in den Industrienationen) weiße Kids alles Mögliche als Vorbild und Anstoß nehmen, Musik zu machen. Seien es Led Zeppelin, James Brown, Little Richard, Public Enemy oder Metallica. Dass aber womöglich schwarze Kids doch deutlich ganz „eigene“ Vorbilder bevorzugen, deshalb auch in bestimmte Musikgenres kaum einsteigen, auch wenn diese Ruhm, Aufregung, Weib, Wein und lauten Gesang versprechen wie sie nur können.
Es gab dann doch einige Stimmen, die eine Tradition von Abgrenzung ansprachen, welche noch nicht vorbei ist. Mit folgender Vermutung (zusammengefasst): Schwarze Künstler waren in der jüngeren Geschichte der populären Musik oft überdurchschnittlich kreativ und einflussreich. Gerade wegen ihrer gesellschaftlich relativ misslichen Lage, in welcher Form auch immer. Die Ergebnisse wurden oft von allen anderen übernommen, übersetzt und nicht selten ausgebeutet. Die Ansicht von existierenden weißen und schwarzen Musikbereichen besteht weiter, was vielleicht immer so bleiben wird. Die Tradition, in „eigenen“ musikalischen Gefilden zu bleiben, könnte man bei schwarzen Künstlern als deutlich größer sehen. Da hätten wir dann das soziokulturelle Phänomen. Außerdem ist die Geschichte noch gar nicht so weit vorangeschritten, als dass spezifisch „schwarze“ Hintergründe in Musik wie Erkämpfen eines besseren Status, Gleichberechtigung etc. nicht mehr aktuell wären.
Daneben bemerkten noch einige, dass gerade Led Zeppelin usw. von Schwarzen noch als Musiker angesehen werden, die viele Einflüsse von schwarzen, weniger erfolgreichen Künstlern „geklaut“ haben. Vielleicht wird dieser Beigeschmack an ihre Epigonen und Nachfolger weitervererbt, diese deshalb eher gemieden und schon gar nicht als Vorbild genommen?
Vielleicht bin ich naiv, aber schwarzen Punkrock und Metal fände ich spannend. Vielleicht ist es bis dahin noch ein längerer Weg.
Auch in den Überlegungen zu (Gegen-)Beispielen hab ich noch einige:
Mothers Finest
Thin Lizzy
The Bell Rays (das geht in die Richtung schwarzer Punkrock, wie ich ihn mögen würde, leider ist die Band nicht ganz ausgereift).
Hirax (eine Trash Metal Band aus Kalifornien, die schon seit 1984 existiert, seit einer Reunion wieder)
P.S: Otis, auch wenn du es noch so oft formulierst – das „Argument“, geniale schwarze Künstler seien einfach an „nicht intelligenten“ Musikformen wie Hard Rock oder Metal nicht interessiert, ist reine Polemik.