Re: Warum hat der schwarze Rock´n´Roll aufgehört oder ist das überhaupt so?

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#7042233  | PERMALINK

whole-lotta-pete

Registriert seit: 19.05.2003

Beiträge: 17,435

otisKommst du auf deine Frage aufgrund dieses neuen Trikont-Samplers, den ich irgendwo mit lauter Fehlinfos annonciert sah?

Nein, ich komme auf die Frage so, wie es in meinen beiden letzten Sätzen steht. Gleichwohl hab ich bei der Internet-Recherche die Trikont-Info gelesen. Vielleicht bezichtigst du mich der Parallele, weil meine Einleitung in etwa der dort entspricht. Allerdings bezieht sich mein Hintergrund erstmal auf die Grundfrage, die aus mir selbst kommt, sowie auf etliche Bücher aus meinem Schrank. Momentan habe ich „Rock & Roll – Die Chronik einer Kulturrevolution“ von Robert Palmer auf den Knien.

Was hat z. B. Bo Diddley (der war später) in der Aufzählung verloren, was Rufus Thomas (erfolgreich war er viel später, auch wenn er für Sun vor Elvis einen kleinen Hit hatte), was Ray Charles, der nun wahrlich nicht zum R’n R zu zählen ist.
Im Weiteren ersetzt du übergangslos den Begriff Rock’n Roll durch Rock, was m.E. etwas völlig anderes ist und so nicht angehen kann.

Ich halte es für ein leidiges Phänomen, jetzt das große Definieren zu beginnen. Natürlich bewege ich mich da in einem sehr schwammigen Bereich, das ist mir klar. Und irgendwann in so einer Diskussion muss festgelegt werden, um was es sich eigentlich dreht hinter den Begriffen. Leider muss ich feststellen, dass man nicht erwarten kann, mit dem Ausdruck „Rock´n´Roll“ universell verstanden zu werden. Da gehen ruckzuck die Schubladen auf, und Unverständnis wird bekundet.

Ok, also für alle: Ich meine mit Rock´n´Roll das Kulturphänomen, die gesamte treibende Kraft der zusammengeführten Stile mit ihrem ganzen Erfolg, der Begeisterung und der Weiterentwicklung über die letzten fast 60 Jahre. Der Begriff „R´n´R“ ist für mich (und da stehe ich sicher nicht alleine) keineswegs so limitiert auf die 50er Jahre und dem zeitgenössisch entstandenen Musik-Gemisch anzuwenden. Und ehrlich gesagt hätte ich diese Begrenzung gerade hier im Forum so auch nicht erwartet. Vielleicht ist das einfach ein Missverständnis, ich meinte ja nicht die engen Genre-Bezeichnungen. Sagt dir der Lebensstil, die Einstellung, die wilde Offenheit nicht mehr als 50s Rock´n´Roll mit Straßenkreuzern und Petticoats?

Dass es Probleme gibt, wenn ich in kurzer Reihenfolge „Rock´n´Roll“ und „Rock“ folgen lasse, fast gleichsetze, hätte ich mir ja denken können. Auch hier möchte ich auf die Metaebene verweisen. Und ich möchte keine Verwirrung stiften, sondern bewusst offener formulieren. Um nicht ganz den musikalisch definierten Boden zu verlieren, könnte ich schon das gitarrenbetonte Element der Instrumentalisierung für „Rock“ zu Grunde legen. Selbst das ist aber leicht angreifbar durch die Künstler, welche die dominante Rolle der Gitarre durch andere hervorstechende Instrumente wie das Klavier, das Saxophon etc. ersetzten oder vielmehr vorgriffen (Jerry Lee Lewis sei nur ein Beispiel).

Viele Nachschlagewerke mit Gewicht taten sich schwer, „Rock“ genauer zu bestimmen. Der geschätzte „Rock Rough Guide“ nennt schon im Vorwort, dass man sich bei der Erstellung schnell in eine „Aber ist es denn auch Rock?“ Debatte verstrickte. Trotz einer gewissen Hingabe an „Gitarrenlastigkeit“ nahm man schließlich doch R&B und Soulgrößen auf…“Leute, die maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Rock genommen haben…“. Und warum heißt Martin C. Strong´s Mammutwerk „The Great Rock Discography“, wenn es gleich mit Abba einsteigt und in der Folge so viele Künstler aufzählt, die genregemäß kaum „Rock“ sind?

Ok, das soll nicht zu weit führen. Wie Palmer schreibt, scheinen Kategorien und Etiketten offenbar ebensoviel zu verschleiern, wie sie erklären. Und ganz frei möchte ich „Rock“ oder „Rock´n´Roll“ auch nicht definieren, obwohl sie hier weniger als klar definierter Stil, sondern eher als eine Musikkultur verstanden werden sollen.

Wenn ich also auf meine Ausgangsfrage zurückkomme, so bleibt hängen, dass in der musikalisch weit gefassten, aber doch eingrenzbaren Welt des „Rock“ für mich gefühltermaßen wenige schwarze Musiker aktiv sind. Und damit habe ich ja schon eingangs besonders die (Achtung, jetzt Genres) Bereiche Punkrock, Hard Rock, Metal, und alle Formen des Rock´n´Roll jüngerer Art wie sämtlichen Postpunk, Hardcore und alle möglichen -core dieser Welt gemeint. Unnötig, jetzt noch schwammigere Begriffe wie Independent oder Alternative einzuführen.

Leider führt das Thema auch zu Sackgassen. Ich möchte selbstverständlich nicht als Einteiler in Schwarz und Weiß auftreten! Leider lassen sich offenbar reichlich polemische Bemerkungen wie „Rock als Fehlentwicklung“ (Rossi, du Popper!) und das völlig Unnötige hier von dir, Otis:

Dass kaum ein Schwarzer sich ernsthaft z.B. im Metal-Bereich hervorgetan hat, spricht ja nun wahrlich nicht gegen die Schwarzen.

nicht vermeiden. Das geht allerdings voll an der Fragestellung vorbei. Genauso könnte man Unsinn notieren wie „weißer Hip Hop, das hätte es doch nun wirklich nicht gebraucht, der ursprüngliche nervt schon zur Genüge“ (was ich übrigens keineswegs finde).

Gut, um ein bißchen zusammenzufassen:
Die bisher spannendsten Hinweise gehen für mich in die Richtung, dass in Musik noch immer Abgrenzung und Aufteilung gesucht wird. Oder dass die Traditionen noch immer nicht überwunden sind oder überwunden werden wollen.

Nebenbei ist es natürlich auch nicht unspannend, entgegen meiner absichtlich plump aufgestellten Behauptung schwarze Musiker aufzuzählen, die ebensolche Musik spielen. Mir ist eben erst untergekommen, dass die bei solchen Fragen immer aufgezählten LIVING COLOUR und KING´S X Teil einer Non-Profit-Organisation namens “Black Rock Coalition“ waren (oder sind?). Gut gefallen haben mir auch Vorschläge, dass Prince oder stellenweise auch mal Michael Jackson durchaus großen Rock fabriziert haben. Ich bin da eher für Prince…

Auch sehr interessant finde ich die bisherigen (kleinen) Ansätze hier im Thread, die auf eine andere Spur führen. Nämlich, dass die Spielarten des Rock so breit gefächert sind, dass man andere Entwicklungen als „schwarzen Rock“ bezeichnen könnte, wenn man denn so wollte. Beispiel Funk, aber in jüngerer Konsequenz auch Rap/Hip Hop. Wobei wir erneut der Definition von Rock auf der Spur sind – mitreißend, rhythmisch, laut, gefährlich. Gefährlich vor allem für Demagogen und Rassisten, hoffe ich!

Ich versuche immer noch, die Frage einfacher zu formulieren. Otis, du meintest ja, dass es noch schwer für dich zu erfassen ist, was ich eigentlich will. Nun, wenn ich auf Chuck Berry und Jimi Hendrix zurückblicke, denke ich eben daran, ob die schwarzen Musiker sich heute wieder oder immer noch auf „eigene“ Musikstile zurückziehen (nicht total, aber überwiegend), und wenn ja, warum das so ist.

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