Re: Muetis Review-Ecke

#6519739  | PERMALINK

mueti

Registriert seit: 09.11.2007

Beiträge: 1,047


Kevin Drumm – Sheer Hellish Miasma
(Mego MEGO 053, x.05.2002, Audio CD)

1. Turning Point (3:33)
2. Hitting the Pavement (19:58)
3. The Inferno (24:38)
4. Cloudy (5:20)

Der Name ist Programm. Sheer Hellish Miasma ist mit Sicherheit eins der gröbsten und kompromisslosesten Noise-Alben, die ich bisher gehört habe. Ganz nebenbei ist es auch noch das beste. Nicht improvisiert sondern sehr komponiert geht Drumm hier zu Werke, die zwei mittigen 20-Minüter werden dabei von zwei kurzen Tracks als quasi-Intro, bzw. -Outro umrahmt. Auf dem Reissue von 2007 ist auf der Titelnummer 1 auch noch gut Zehn Minuten langer Drone-Track enthalten, dieser ist meiner Meinung nach allerdings vernachlässigbar.
Was sofort auffällt ist die, fürs Genre sehr untypische, glasklare Produktion. An sich wäre das auch nichts direkt positives – allerdings funktioniert es hier auf bislang ungehörte Art und Weise. Jedes Element kommt eindeutig heraus, selbst wenn noch so viele Soundschichten aufeinander eindreschen ist bei genauem Hinhören doch immer alles klar auszumachen – und das auf engsten Raum zusammengepresste Drönen, Scheppern, Gurgeln und Kreischen entfaltet durch diesen klaren Sound, mit dem jeder Ton ungespitzt in die Gehörgänge gehammert wird, eine unglaubliche Intensität und eine geradezu apokalyptische Atmosphäre.

Turning Point. Ein paar zurückhaltende, kleine Stiche zu Beginn, dann sofort volles Programm. Noise-Attacken von allen Seiten, keine Gefangenen. Doch das ist nur der Auftakt.

Hitting the Pavement. Aus dem Nichts bauen sich die Wellen langsam auf, Wellen einzigartig energiegeladener, döhnender Dunkelheit, die immer wieder aus den Lautsprechern gedrückt, immer wieder über sich selbst und über dem Hörer zusammenbrechen. Die Luft scheint zu brennen, alles ist dem Bersten nahe. Ein einstürzendes, kahles Gebäude, es zieht sich in sich zusammen, man ist mittendrin, Decken und Wände zerspringen langsam, man wird ebenso langsam vom Beton zermahlen. Und es gibt in diesem Moment nichts Besseres. Dann Erlösung.

The Inferno. Manchmal ist mehr eben doch mehr. Brutaler, lauter, wilder, heller, heißer. Ein Autounfall, in Zeitlupe, gestreckt auf 25 Minuten. Und wieder könnte es genau jetzt was Besseres nicht geben. Mind-crushing.

Cloudy. Der Schock – es ist vorbei. Leicht schweben hier einige wenige atmosphärische Klänge vor sich hin, die es schaffen die Stimmung nicht nur perfekt weiterzutragen, sondern auch sie zu einem tollen Abschluss zu bringen. Im letzten Moment, um den eventuell in Erleichterung abgedrifteten Hörer noch einmal aufzuschrecken, gibt es das letzte kleine Aufkreischen. Und Schluss.

Greifbar und doch abstrakt, ein Album wie eine Landschaft, dass immer ähnliche Gefühle und Assoziationen hervorruft, aber nie die exakt gleichen. Und auf allen Soundebenen gibt es so unglaublich viel zu entdecken, dass man auch nach dem x-ten Durchgang immer wieder was Neues hören wird. Unmelodisch ist das Album übrigens ganz und gar nicht. Auch wenn die meisten das wahrscheinlich anders hören würden.

Zu empfehlen ist Sheer Hellish Miasma eigentlich allen Musikinteressierten. Und sei es nur um es mal gehört zu haben. Beyond fuckin‘ intense.

Ein brutales, kaltes, brilliantes Meisterwerk.
Wertung: 9/10

--