Re: The Poem Is You

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masureneagle

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THE POEM IS YOU – Berliner Act des Monats August 2008
11.08.2008 von sf

Die Sehnsucht nach dem „Promised South“.

Der Westen hat es dieser sechsköpfigen Band, die Mitglieder aus Berlin, Brüssel und Dresden vereint, deutlich hörbar angetan. Aber nicht etwa der Westen der Republik oder Europas, sondern der ganz weite Westen, den manche auch gern als „wild“ betiteln. Wild ist er bei THE POEM IS YOU jedoch keinesfalls. Vielmehr meint man, die endlose Weite aus den Arrangements herauszuhören – als Soundtrack für eine Tour durch die Wüste würde das soeben erschienene neue Album The Promised South mit Sicherheit keine schlechte Figur abgeben, und das ganz ohne plumpe Country-Manierismen und Cowboy-Romantik wiederzukäuen.
THE POEM IS YOU verfolgen eine nun schon über mehrere Alben und EPs kultivierte Andersartigkeit und entziehen sich mit ihrer wundervollen Melange aus Alternative Country, Neofolk und melodiösem Singer/Songwriter souverän einer allzu greifbaren und schnell durchgenudelten Szene-Hipness, lassen sich aber glücklicherweise auch keineswegs auf das Label kauziger Folk-Weirdos reduzieren.

Eine Band für die Straße, am liebsten ganz nah dran an den Geschichten zwischen den Orten. „Das Verschwinden, das In-Bewegung-Sein und die Sehnsucht nach dem „Promised South“ – das sind schon wichtige Aspekte in unseren privaten Leben, wie auch in unserem Schaffen als Band“, beschreibt beispielsweise Bandmitglied MARIE REITER den – auch künstlerischen – Ansatz von THE POEM IS YOU.
Im Interview anlässlich der Wahl zum popmonitor-Act des Monats gab uns Sänger und Gitarrist DANIEL BOCK u.a. ausführlich Auskunft über das musikalische Selbstverständnis der Band, die noch immer bestehenden Vorteile einer Label-Veröffentlichung sowie die Beziehung zu ihrem derzeitigen Kreativzentrum Berlin.

popmonitor.berlin: Wenn man etwas über euch liest, dann immer zuerst, dass ihr Bandmitglieder aus Berlin, Brüssel und Dresden habt. Wie habt ihr zusammengefunden?

Dan/THE POEM IS YOU: Ich weiß nicht so recht, man kann so etwas immer ganz schwer rekonstruieren. Ich glaube, wir waren einfach immer an den richtigen Orten und voneinander angezogen. Die Energie, die vom anderen ausgeht, spielt ja immer eine große Rolle bei der Kontaktaufnahme. Marie, zum Beispiel, habe ich vor ein paar Monaten nachmittags auf der Danziger Straße kennengelernt, nach zwei Tagen ist sie bei mir eingezogen und irgendwann hatten wir auf einmal fünfzig songverwandte Dinger aufgenommen. So ähnlich war es bei jedem von uns. Die Geschichten, wie wir untereinander zueinander gefunden haben, sind teilweise sehr absurd.

Lebt ihr zeitweilig am gleichen Ort, oder führt ihr eine Fernbeziehung, und wie chaotisch darf man sich die bandinterne Organisation vorstellen? Wo seht ihr, rein geografisch betrachtet, euer Zentrum, und welche Rolle spielt Berlin?

Zurzeit leben drei von uns in Berlin und drei in Dresden, aber das ändert sich alle paar Monate, ein paar von uns denken auch darüber nach, nach Barcelona zu ziehen. Das kreative Zentrum ist definitiv in Berlin, hier entstehen die meisten Songs, was auch ganz klar Berlin geschuldet ist, da hier Geschichten für Songs quasi auf der Straße liegen. Zum Leben ist Berlin toll. In Berlin ist nur leider die Proberaumsituation sehr schwierig. In Dresden ist es bedeutend angenehmer für uns zu proben. Und gleichzeitig ist Dresden auch wahnsinnig kreativ, viele Freunde und Bekannte von dort spielen in sehr sehr guten Bands.

Rein musikalisch scheint es euch ganz weit in die Ferne zu ziehen. Woher kommt die Affinität zum Westen der USA?

Ich glaube nicht, dass wir eine besondere Affinität zum Westen der USA haben. Wir lesen viel über die Ureinwohner Amerikas, und uns zieht es auch in die Ferne. Aber es gibt keine Vorliebe für einen spezifischen, realen Ort. Musikalisch verhält sich das genauso. Ich glaube, sobald man bestimmte Motive verwendet, wird man immer kategorisiert, was aber auch nicht unbedingt negativ ist. Man sollte sich nur nicht darauf beschränken lassen.

Inwiefern steckt dahinter ein klares Konzept, und wenn es ein solches gibt: Existierte es von Anfang an oder hat es sich im Laufe der Zeit verändert bzw. weiterentwickelt?

Dahinter steckt kein Konzept. Die Songs kommen wie sie wollen. Wir haben vor zwei Jahren andere Songs geschrieben als die, die auf The Promised South sind und werden in zwei Jahren andere Songs schreiben. The Promised South ist exakt das, was wir waren, als wir es geschrieben und aufgenommen haben und wir lieben die Songs. Nur glaube ich nicht, dass die nächste Platte auch so sein wird. Künstler, die immer die gleiche Platte machen, finde ich so interessant und glaubwürdig wie eine Folge CSI.

Wer in der Band gibt diese Richtung vor, wie sind die Anteile in Sachen kreativem Input verteilt?

Wie schon gesagt: Die Songs geben die Richtung vor, ansonsten ist alles ziemlich gleich verteilt. Stücke wie ‚The Promised South I‘, ‚Emile‘ oder ‚Riots‘ würden nicht so klingen wenn nicht jeder seinen Input gibt. Wir haben auch das Glück, in einer Band zu spielen in der niemand an ein Instrument gebunden ist, was toll ist, da es alles lebendiger macht und man weder beim Proben noch auf der Bühne an eine Funktion/Rolle gebunden ist.

Das aktuelle Album The Promised South ist euer erstes bei einem Label. Seht ihr heutzutage überhaupt noch eine große Notwendigkeit, traditionelle Pfade im Musikgeschäft zu beschreiten? Wie wichtig war euch dies?

Ob wir noch eine große Notwendigkeit sehen, traditionelle Pfade im Musikgeschäft zu beschreiten? Ja und Nein. Es sagt natürlich nichts über die Qualität der Musik aus wie man veröffentlicht, aber es ist einfach schwierig, die Aufmerksamkeit (Presse), die man durch ein „offizielles“ Release in gepresster Form bekommt, auch zu bekommen, wenn man nur als Download auf der eigenen Homepage veröffentlicht. Im Internet unterstützt man sich noch gegenseitig, da funktioniert es über weite Strecken ganz gut, sich über Fanzines einen Namen zu machen, aber in Printmedien zu gelangen, ohne ein Album richtig rausgebracht zu haben ist wahnsinnig schwer. Dass das so ist, ist natürlich total bescheuert, weil es wahrscheinlich allein in Berlin dreißigtausend Acts gibt, deren Homemade-Alben es mehr verdient hätten, Platte des Monats irgendwo zu werden, als die neue von R.E.M., aber zurzeit ist das halt noch so. Man kommt um ein klassisches Release kaum herum. Und am Ende des Tages will man als Künstler ja doch so viele Menschen wie möglich erreichen.

Andererseits scheint ihr relativ wenig auf moderne Kommunikationsformen wie Homepage (nicht vorhanden) oder ausgefuchsten MySpace-Auftritt (der ist unspektakulär im Standard-Design gehalten) zu legen. Inwieweit seht ihr euch als Traditionalisten?

Wir sehen uns eigentlich gar nicht als Traditionalisten, wir kennen nur keinen, der sich mit Homepage bauen auskennt. In der Wohnung, in der ich wohne, gibt es zwar noch nicht einmal einen Internetzugang, aber solange man Menschen irgendwie erreichen kann mit dem, was man macht, ist alles gut. Persönlich finde ich es aber blöd, wenn man dem MySpace-Account eines Künstlers mehr Detailverliebtheit ansieht, als man der Musik anhört.
Was mir aber gerade einfällt: Irgendjemand hat einen Last.fm Account für THE POEM IS YOU erstellt, wir waren es aber nicht. Wenn ihr Musik hochstellen würdet, wäre das sehr nett, wir schicken euch auch die MP3s.

Auf eurer MySpace-Seite sind Videos zu finden, in denen ihr musizierend durch die Straßen zieht. Kokettiert ihr auch bewusst mit so einer Art Hippie-Kommunen-Image, das ja auch musikalisch nicht so fern liegt

Wir sind einfach Freunde, die Musik machen und aussehen wie wir aussehen, da ist wirklich kein Konzept dahinter. Man geht ja auch nicht in eine Bank und fragt den Mann im Anzug, der am Schalter steht, ob er hier arbeitet oder nur damit kokettiert, ein Bankier zu sein. Aber wir ertappen uns auch ganz oft dabei, offensichtliche Sachen zu hinterfragen. Ich glaube, das liegt an der Zeit, in der wir leben.

Welche (insbesondere Berliner) Bands/Künstler mögt Ihr und möchtet Ihr unseren Lesern ans Herz bzw. Ohr legen?

Anna Rikje Rosenthal und The Michelles, die liebsten Menschen der Welt und auch in Berlin. Theodore Angst, Helen Fry, Van Darke, Gentle Lurch, Dag För Dag, Rumen Welco, Garda, Sea Of Love, Suite Of Mine, Polarkreis 18, SDNMT.

Wird es in absehbarer Zeit einen Gig in Berlin geben? Und welche Pläne gibt es für die kommenden Monate bei TPIY?

Hoffentlich spielen wir bald in Berlin, aber wir machen das Booking nicht selber, deswegen kann ich dir auch nicht sagen, wann das genau sein wird. Ansonsten nehmen wir zurzeit wieder auf und versuchen, bis Ende des Jahres fertig zu werden um Anfang 2009 wieder zu veröffentlichen.

Danke für das Interview!

Danke auch und Cheers!

Das Album:
THE POEM IS YOU The Promised South
(KF Records/ Broken Silence) VÖ: 01.08.2008

Tourdaten:
20.Aug.2008 20:00 Das Bett // Frankfurt a.M.
21.Aug.2008 20:00 Z-Club // Stuttgart
22.Aug.2008 20:00 Rock For Nature- Festival // Wolpertshausen
24.Aug.2008 20:00 DiFranco Deluxe // Chemnitz
20.Sep.2008 20:00 Beatpol // Dresden

www.myspace.com/thepoemisyou
www.kfrecords.de

Autoren: Sebastian Frindte und Thomas Stern

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