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Hallo Allah, ich geh nur mal kurz in den Park
The Artist Formerly Known As Cat Stevens: Yusuf Islam serviert „An Other Cup“
Berliner Zeitung vom 10.11.2006, Feuilleton – Seite 29
von Jens Balzer
Cat Stevens ist wieder da, und es geht ihm gut. Zwar verbringt er seine Zeit immer noch am liebsten mit Gebeten und wohltätigem Werk. Wenn die Mittagsstunde schlägt, geht er aber auch gern spazieren: „Dann betrachte ich das Leben im Park“, singt er in seinem neuen Lied „Midday“, „oder schaue den Kindern zu, wie sie spielen.“ Das ist dem gläubigen Muslim gestattet; wichtig ist nur, dass er abends wieder zuhause ist: „Ich vermeide die Stadt in der Dunkelheit / ich danke Gott für alles das, was ich habe / und bete zu ihm, dass er mich vor der Dunkelheit schützt.“
Zweimal hat Cat Stevens sein Leben geändert. Im Herbst 1968 rang er monatelang mit dem Tode, eine schwere Tuberkulose fraß dem kettenrauchenden Pop-Entertainer in rasendem Tempo die Lunge auf. Damals befand er sich auf dem ersten Höhepunkt seines Ruhms: seine Platten „Matthew & Son“ und „New Masters“ beduselten die äußerst beduselungsbereite Jugend des Swinging London mit monumentalem Orchesterpop, er kokste mit Jimi Hendrix, trug Rüschenblusen wie die Stones und posierte mit leichtbeschürzten Girls und Pistolen. „Schluss damit!“, schwor sich Cat Stevens, als er aus der Matratzengruft wieder auferstanden war. Er warf den billigen Rüschentand fort und kleidete sich fortan in Leinen; er kündigte seinen Plattenvertrag und den dazugehörigen Produzenten, um fortan ohne Orchesterschwulst und Glöckchengeklingel zu musizieren.
Das war eine gute Entscheidung: Stevens folgende drei Platten – „Mona Bone Jakon“, „Tea for the Tillerman“ und „Teaser and the Firecat“, alle in den Jahren 1970/71 entstanden -, gerieten zu sagenhaften Songwriting-Perlen, schmeichelnd, sanft, beschwingt, voller unvergänglicher Melodien wie „Lady d’Arbanville“ oder „Father And Son“: Hippie-Musik ohne die aggressive Verweigerungsgestik der Hippies, die mit ihren niedlichen Kinder- und Katzenbildern auf den Plattenhüllen auch besorgte Eltern beruhigte oder gar zum Mitschunkeln einlud. Wer dazu nicht irgendwann einmal getöpfert, enggetanzt oder einen Haschkeks geknabbert hat, dem ist in seiner Jugend fraglos etwas entgangen.
Cat Stevens freilich hatte seinen künstlerischen Zenit damit auch schon überschritten; in folgenden Platten wie „Buddha and the Chocolate Box“ oder „Numbers“ versuchte er sich eher uninspiriert an der Verbindung von elektronischen Instrumenten und Ufo-Glauben.
So änderte er sein Leben zum zweiten Mal: Nachdem er im Sommer 1975 beim Baden vor der Küste von Malibu beinahe ertrunken wäre, trat er zum Dank für seine wundersame Errettung dem Islam bei, widmete sich dem Koran-Studium und dem Gebet und änderte seinen Namen in Yusuf. Er beendete seine Popstar-Karriere und spendete große Teile seines Vermögens für wohltätige Zwecke wie die Errichtung einer islamischen Grundschule in London; er half muslimischen Flüchtlingen in Bosnien, Afrika und anderswo und erhielt wegen Unterstützung der palästinensischen Gruppe Hamas von Israel Einreiseverbot. „Was mich am Islam fasziniert, ist die Idee des Einen Gottes; der Herrschaft des Einen, der die Regeln des Lebens vorgibt“, erläuterte Yusuf Islam seine Konversion; die Empörung vieler früherer Fans darüber, dass er 1989 die Fatwa gegen Salman Rushdie nicht eindeutig verurteilen mochte, konnte er nicht nachvollziehen.
Jetzt ist der Künstler, den wir früher als Cat Stevens kannten, vorübergehend zurück in die Welt gekehrt; nach 28 Jahren erscheint heute wieder ein Album von ihm, das sich im weitesten Sinne der Popmusik zurechnen lässt. Anders, als von seiner Plattenfirma ursprünglich angekündigt, hat Islam das Werk nicht unter dem Namen Cat Stevens veröffentlicht, aber in Sound, Gesang und stilistischer Eingängigkeit schließt „An Other Cup“ deutlich an Alben wie „Tea for the Tillerman“ an – schon der Titel des Werks legt ja nahe, dass Yusuf Islam hier nach einer Versöhnung mit seinem früheren Alter Ego sucht. Nicht alle Glaubensgenossen sehen das gern: „Die zeitgenössische Popmusik hat viele Bezüge zum Tanzen, zur Nacktheit und zum Drogennehmen; nichts davon ist für Muslime erlaubt“, äußerte sich etwa Scheich Ibrahim Mogra vom Muslim Council of Britain nach der ersten Ankündigung des Werks. Zwar habe er nichts gegen Musik im Allgemeinen, so der Scheich, doch „solle man dabei nur den Gesang und die Trommel erlauben.“
Auf „An Other Cup“ kommen nun auch viele andere Instrumente zum Einsatz; man hört Gitarre, Klavier, Synthesizer, Streicher und die arabische Oud. Musikalisch gelungen ist die Platte dennoch nicht. Eigentlich enthält sie nur zwei wirklich hörenswerte Stücke. „Heaven/Where True Love Goes“ ist ein wunderschöner, kunstvoller Gospel, in dem Stevens‘ Stimme ihre erschütternde Sanftmut selbst zur rasend geschmetterten Hymnik des Refrains bewahrt; in „Don’t Let Me Be Misunderstood“ interpretiert er das gleichnamige Nina-Simone-Stück selbstironisch und samtig über langsam sich aufschichtenden Streichern.
Ansonsten steht er sich bei dem Versuch, zum Sound des alten Cat Stevens den Predigerauftrag des neuen Yusuf Islam zu erfüllen, durchgehend im Wege: Erinnerungswürdige Melodien gelingen ihm kaum, das lyrische Niveau befindet sich meist auf der Höhe eines durchschnittlichen Kirchentagsgruppengesangs. Ständig tritt „er“, „sie“ oder „du“ in „mein“ Leben, woraufhin sich „alles“ ändert; am Ende der Tage wird das Gute belohnt und das Schlechte bestraft; wenn man das Licht sucht, wird man es auch finden – „An Other Cup“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass spirituelle Erleuchtung zu individueller Zufriedenheit führen mag, aber nicht immer zu Erkenntnis oder hörenswerter Musik. Vielleicht ist es ja doch so, dass der Pop notwendig das Böse braucht, um in Erregung und Schwingung zu kommen: Die Stadt in der Dunkelheit, die Yusuf Islam heute meidet, war für ihn jedenfalls der inspirierendere Ort.
Yusuf: An Other Cup (Universal)
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