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Ein sehr interessantes und amüsantes Interview mit Noel.
Nicht so ein Schrott wie das letzte mal.
„Die Briten nerven mich“
Oasis-Chef Noel Gallagher über Krieg und Fußball, schwierige Brüder und alternde Rockstars
Mister Gallagher, Sie haben Tony Blair im Wahlkampf unterstützt. Wie stehen Sie zu seiner Irak-Politik?
Er tut mir leid. Wer auch immer Premierminister von England ist, muss sich mit Amerika verbünden. Das ist so seit dem Zweiten Weltkrieg, und das kann auch Tony Blair nicht ändern. Und noch etwas: Die Amerikaner haben der britischen Stahlindustrie gerade mit 250 Millionen Pfund aus der Patsche geholfen. Alle Länder, die Bush unterstützen, können mit amerikanischen Investitionen rechnen. Es gibt also Anreize.
Auch Deutschland ist Amerika verbunden, aber Kanzler Schröder stellt sich gegen Bush. Musiker wie Billy Bragg und Patti Smith loben ihn dafür. Was halten Sie von Schröder?
Es hätte mich vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sehr überrascht, wenn Schröder für den Krieg wäre. Warum verstehen die Amerikaner das nicht? Die Europäer haben zwei Weltkriege hautnah erlebt, die Amerikaner nur von Ferne. In London hat es vor Jahren eine Terrorwelle gegeben. Aber kaum werden die Amerikaner angegriffen, ziehen sie in den Krieg. Sie sind nun mal Amerikaner: Sie wissen nicht viel von der Welt und hören auf niemanden. Das wird ihr Image weiter beschädigen.
In England beteiligen sich viele Musiker wie George Michael oder Robbie Williams an der Antikriegskoalition. Wieso nicht auch Sie?
Ich habe den größten Respekt vor diesen Leuten. Aber es ist eine verdammte Zeitverschwendung, dieser Krieg findet auf jeden Fall statt. Wenn du dagegen protestierst und dich gut dabei fühlst – gut für dich. Ich gehe lieber mit meiner Tochter im Park spazieren. Immer wenn ein rechter, Bibel schwingender Schwachkopf im Weißen Haus regiert, egal ob Bush, sein Vater oder Reagan, gibt es Krieg.
Aber die USA brauchen Alliierte, und sie haben Blair.
Er will mitmachen, wir können nichts dagegen tun. So ist es nun mal.
Ist es Ihnen heute unangenehm, dass Sie Blair damals unterstützten?
Nein, ich bereue nichts. Der Wechsel war gut für uns. Die Tories hatten regiert, so lange ich denken konnte. Ich war stolz und froh, als die weg waren. Ich dachte, Blair wäre wie Kennedy. Natürlich ist er das nicht …
… Ihre Zuneigung ist abgekühlt?
Politik ist für mich wie Fußball. Labour ist nun mal mein Team. Nur weil du den Mittelstürmer nicht magst, hörst du nicht auf, Fan eines Vereins zu sein. Ich bin links, politisch und sozial, und nur weil Tony Blair ein Arschloch ist, ändere ich nicht meine Haltung. Ich würde nie für die Tories stimmen oder, schlimmer noch, gar nicht wählen gehen.
Ihr Freund Paul Weller schrieb sein Antikriegslied „A Bullet for everyone“ in Ihrem Haus. Haben Sie mit ihm über Blair diskutiert?
Ja klar. Wir sind beide der Meinung, dass Labour das kleinere Übel ist. Was sonst? Anarchie? Scheiß drauf. Irgendwer muss die Verantwortung tragen. Wir sind eine Nation von jammernden Waschlappen, egal, wer regiert. Die Briten nerven mich: Sie jammern über das Wetter, über die Franzosen, über die Deutschen, sie jammern über Cricket, über Fußball … Die sollen mal die Klappe halten!
In der Politik ist Labour Ihr Team, im Fußball Manchester City. Eher eine Verlierermannschaft. Das kann Ihre Treue nicht erschüttern?
Ich bin City-Anhänger, seit ich vier Jahre alt bin. Und das wird sich nie ändern.
Eines der Idole des Vereins ist ein Deutscher …
Ja, Bert Trautmann, der Torwart. Der kam als Kriegsgefangener nach England. Beim Pokalendspiel 1956 hat er mit gebrochenem Hals bis zum Ende gespielt. Ein Held, der das Bild der Deutschen in England verändert hat. Aber das war vor meiner Zeit.
In Manchester ist Fußball eine Art Religion. Wie eng ist er mit Ihrem Leben verknüpft?
Wenn ich keine Musik mache, schaue ich Fußball. In Manchester hast du die Wahl: Entweder wirst du Musiker, Fußballer oder Drogendealer, das ist kein Witz. Eine Menge Leute bei uns laufen mit Pistolen herum, alle anderen sind Fußballer oder Musiker.
Bestand je die Gefahr, dass Sie eine der beiden anderen Karrieren einschlagen?
Ich war gut im Fußball, aber noch besser an der Gitarre. Dealen – das wäre nichts für mich. Zu harte Arbeit. Und am Ende wirst du erschossen. Nee, ohne mich.
Im Fußball wird viel Wert auf Teamwork gelegt, bei Oasis war das lange anders. Heute wirkt die Band geschlossener. Wie kommt’s?
Keine Ahnung. Es läuft einfach gut, und ich genieße es gerade sehr, in der Band zu sein. Da will ich mir den Spaß nicht durch zu viel Analysieren verderben.
Ist es nicht komisch, dass Sie Ihre größten Erfolge hatten, als Oasis eine Gruppe streitender Egoisten war?
Ja, wir haben damals mehr Platten verkauft. Aber die Frage ist: Wie definiert man Erfolg?
Bitteschön.
Erfolg ist für mich Glück. Und ich bin jetzt glücklicher als damals. Wenn du in der größten Band der Welt bist, und das waren wir, dann hast du sehr viel zusätzliche Arbeit. Meine Rolle heute mag ich lieber: Recht erfolgreich statt sehr erfolgreich.
Auch, weil es weniger Druck gibt?
Nein, wir erlauben uns heute nur, die Dinge nicht mehr so ernst zu nehmen. Aber wenn du in der größten Band der Welt bist, musst du die Dinge sehr ernst nehmen.
Es scheint so, als verstünden Sie sich auch besser mit Liam, Ihrem Bruder.
Also, das ist so: Wir schreiben unsere Songs alleine. Wir treffen uns, wenn wir fertig sind. Und wenn’s ihm passt, singt er einen von meinen Songs, und wenn’s mir passt, spiele ich einen von ihm. Das ist alles.
Das ist alles?
Was soll ich sagen? Er ist mein Bruder. Ich muss ihn nicht mögen. Ich bin nur verwandt mit ihm. Und ich muss mit ihm klarkommen.
Was wohl nicht ganz leicht ist. In München war er in eine heftige Schlägerei verwickelt.
Die waren alle so betrunken, dass niemand mehr weiß, was da genau passierte – außer dass Liam hinterher zwei Schneidezähne weniger hatte. Was eine Schande ist.
Da waren Sie mal wieder sauer auf Ihren kleinen Bruder …
Nein, absolut nicht. Ich fand das alles sehr amüsant.
Wenn Sie neue Songs schreiben: Ist das mehr harte Arbeit oder Genie?
Nun, natürlich bin ich ein Genie…
… klar.
Aber es wird härter für mich, je älter ich werde. Ich habe in meinen Songs alles gesagt, was ich sagen wollte. Da ist es schon ein Kampf, nochmal das Gleiche auf andere Art zu schreiben. Ich bin überzeugt davon, dass man nur eine begrenzte Zahl guter Songs in sich hat.
Also härtere Arbeit als früher?
Es ist schwer, zu akzeptieren, dass man nicht mehr besser wird. 1991 wusste ich: Ich werde noch besser. Jetzt muss ich sagen: Meine besten Tage sind wohl vorbei.
Und damit können Sie gut leben?
Mal ehrlich: Es ist ja nur Musik.
Können Sie sich ein glückliches Leben ohne Oasis vorstellen?
Auf jeden Fall. Ich wäre auch ohne die Band glücklich.
Wie würde das Glück aussehen?
Happiness is a Warm Gun …
Mal im Ernst.
Keine Ahnung. Ich brauche keine Frauen, keine Drogen, ich komm’ alleine klar. Solange ich eine Gitarre habe, geht’s mir gut. Vielleicht noch ein Fernseher dazu. Und einen Teekessel. Ein paar Zigaretten. Das ist alles. Ja, ich glaube, so werde ich meine Autobiographie nennen: „Kettle, Cigarettes, Guitar, Television.“
Ihr Vorbild Paul McCartney tourt bald durch Deutschland. Hat er musikalisch heute noch etwas zu sagen?
Absolut nicht. Ich denke, er hat nichts Bedeutendes mehr geschrieben seit „Band on the Run“. Ich selbst möchte nicht mehr mit 60 auf der Bühne stehen. Aber ich habe Aufnahmen von seiner Tour gesehen, und ich muss sagen: Er hat immer noch eine fantastische Stimme. Also, ich wünsche ihm viel Glück.
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Wenn da Tomaten drin wären, dann wäre es Zwiebelsuppe!