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Plattentests.de vergibt für „Seven swans“ 8 von 10 Punkten:
Vater unser
Eigentlich haben Kunst und Religion immer zusammengehört. Seit Menschen Musik machen, Bilder malen oder Gedichte schreiben, haben sie diese Möglichkeiten schließlich auch genutzt, um ihren Gedanken über Gott Ausdruck zu verleihen. Wer aber heute Kunst mit christlichen Inhalten verbindet, gilt trotzdem von vorneherein als verloren. Was natürlich seine Gründe hat. Bands wie Creed oder P.O.D. haben ihren Glauben in aller Öffentlichkeit zur Pose gemacht. Und ein kleiner Fundamentalist wie Mel Gibson darf im großen Stil seine Ansicht verbreiten, man müsse seinem Publikum schon ordentlich einpeitschen, was ihm gesagt werden soll. Subtil ist schon lange niemand mehr. Oder besser: war. Es gibt nämlich wieder Hoffnung. Gott sei Dank.Letztes Jahr hat Sufjan Stevens eine Platte gemacht, die man in Deutschland fast nirgendwo kaufen konnte. Sie heißt „Michigan“ und ist großartig. Fünfzehn Folksongs, oft zehn Minuten und länger, Titel wie „All good naysayers, speak up! Or forever hold your peace.“ Ein Meisterwerk aus Holland, Michigan. Ein Denkmal für die Heimat und der Start einer Serie, die jedem Staat der USA ein eigenes Album widmen soll. Bevor Sufjan Stevens aber weitermacht mit Liedern über Rhode Island und Wyoming, muß er mit sich selbst ins Reine kommen. Ein paar persönliche Dinge klären und deshalb diese Platte hier machen. „Seven swans“ – der Glaubenskrieg eines suchenden Mannes.
Dieses Album hier ist Religion. Es richtet unangenehme Fragen an das Christentum und an sich selbst. Es fordert, fleht und betet. Und es bleibt trotz allem Mißtrauen ein Album, das glaubt. Sufjan Stevens hat kräftig abgespeckt für diese Sache. Von der naiven Verspieltheit, den verästelten Arrangements und der üppigen Instrumentierung auf „Michigan“ läßt er meist bloß ein Banjo übrig. Mit großer Ehrfurcht rupft Sufjan seine Melodien aus den Saiten heraus, karg und grau, weil es ihm karg und grau geht. „He will take you / If you run / He will chase you / 'Cause he is the Lord.“ Sufjan Stevens zweifelt nicht an Gott. Er zweifelt an seinen Absichten.
Über diesen Gott, der ihn rätseln, verzweifeln und doch am Leben läßt, singt Sufjan Stevens wie zuletzt sonst nur Johnny Cash. Er predigt nicht, wenn er seinen Glauben freilegt, er drängt sich auch nicht auf mit seinen unbeantworteten Fragen und offenen Zweifeln. „Seven swans“ zieht eine klare Linie zwischen sich und seine Zuhörer, hält bewußt Abstand und wird dadurch zum persönlichen Album im besten Wortsinn. Sufjan Stevens zeigt alles, was in ihm vorgeht, aber er läßt sich nicht anfassen. Selbst die leuchtenden, die wenigen fröhlichen Momente dieser Musik, die wie geloopt klingt, aber eigentlich nur sehr geduldig ist, wollen sich nicht greifen lassen. Sufjan Stevens will alleine sein. Alleine mit Gott. Solange, bis er ihn verstanden hat.
(Daniel Gerhardt)
Quelle: www.plattentests.de
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