Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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gypsy-tail-wind
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Überrascht mich grad selber ein wenig, wie gut mir das gefällt! So ein präzises Album ist bei Clean Feed ja auch nicht gerade die Regel … bin grad schon bei der nächsten Neuheit, Album Nr. 2 mit grosser Band von Eve Risser, deren Vorgängerin wir zusammen in Berlin hörten (mich hatte sie geflasht, dich eher kalt gelassen?), und auch das ist wieder eine umsichtige Produktion:

Eve Risser Red Desert Orchestra – Eurythmia (Clean Feed, 2022) | Eigentlich ist der Titel ja schon Grund genug, das Album (und ev. Risser? sie besuchte jedenfalls eine Steiner-Schule und der Albumtitel legt nahe, dass es mit Distanzierung nicht weit her ist) komplett zu ignorieren … aber gut, ignorieren wir halt mal den Albumtitel und hören, was da ist. Von der Besetzung der Vorgängerformation, des White Desert Orchestra (Album von 2016 sind neben Risser selbst (Klavier und Stimme) noch Antonin-Tri Hoang (as, analog synth) und Fanny Lasfargues („electro-acustic bass“ – ich glaub sie spielte im Konzert eine eingestöpselte akustische Bassgitarre, sowas wie Stomu Takeishi bei Threadgill?) wieder dabei.

Die grosse Veränderung betrifft das Percussion-Department: neben Drums (Emmanuel Scarpa) sind die Hié-Schwestern (Ophélia und Méliassa) an Balafon und Bara bzw. Balafon und Djembe dabei, und Oumarou Bambara an Djembe und Bara. Nils Ostendorf spielt Trompete und analoge Synthesizer, Matthias Müller Posaune, Sakina Abdou Tenor- und Grégoire Tirtiaux Barisax und Quarqaba (ein Percussions-Instrument der Gnaua-Musiktradition). Dazu kommt Tatiana paris an der elektrische Gitarre und von fast allen auch mal die Stimmen … das Konstruktionsprinzip der Musik hat sich wohl nicht gross geändert, das ist ein ziemlich immer Trip mit unterschiedlichen, sich allmählich wandelnden Grooves, da und dort schälen sich Soli heraus, es gibt meditativere und hart treibende Passagen. Das alles hat einen tollen Flow, und dank der Percussion, besonders des Balafons, aber auch durch die elektrische Rhythmusgruppe (Risser selbst spielt nur Klavier) und der Synthesizer eine sehr vielfältige Klangpalette. Auch das eine sorgfältige Produktion – aber da kann man bei Risser echt nicht meckern, sie wird von Clean Feed seit Jahren treu und in unterschiedlichen Formaten stets sorgfältig produziert.

Meine Bemerkungen zielen darauf ab, dass ich beim Label oft ein gewisses Laissez-faire wahrnehme, es bringt so viele Alben heraus, dass sich der Verdacht etwas aufdrängt, dass oft einfach herausgebracht wird, was halt von den Musiker*innen so herangetragen wird. Auch hier, bei Risser, ist Pedro Costa nur der „executive producer, Charlotte de Jesus & Compagnie ReVeR (eine Organisation aus Mulhouse – Risser stammt aus dem Elsass und ist da für die Saison 2022/23 irgendwie verbunden bzw. wird unterstütz) sind als Produzenten gelistet.

Auch hier der Bandcamp-Link:
https://cleanfeedrecords.bandcamp.com/album/eurythmia

Das Solo der Tenorsaxophonistin Sakina Abdou im Closer haut mich grad ziemlich um … finde das aber auf der ganzen Länge einmal mehr toll gemacht, wie Jazz, afrikanische Grooves, experimentellere Einflüsse und wohl auch ein Dosis Rock hier zusammenfinden und zu einem schönen Ganzen werden. Auch schön an beiden Alben: 50 (Tarbaby) bwz. 45 (Risser) Minuten Spielzeit. Das ist gut verdaubar, kann man auch mal Repeat drücken, ohne dass der ganze Nachmittag weg ist … aber das Risser-Album muss ich dann die Tage als ganzes gleich nochmal hören.

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